Lkw sind tödliche Klimasünder

Alles zieht über die Automobilbranche her, speziell VW und Daimler wegen der Dieselaffäre, dabei sieht es beim Straßengüterverkehr keinen Deut besser aus. Auch da wird betrogen auf Teufel komm‘ raus.

Durch Deutschland wälzen sich täglich mehrere Millionen Lkw. Sie verstopfen Autobahnen, Bundes-, Land- und Gemeindestraßen, blockieren Rastanlagen und sonstige Parkplätze, sie verursachen schwere Verkehrsunfälle mit Toten und Verletzten und zerstören die Infrastruktur aller deutscher Straßen, und jetzt das: Die Abgassysteme jedes 5. Lkw sollen manipuliert oder defekt sein.

In ihrer Pressekonferenz zum Betrug bei AdBlue-LKW-Abgasanlagen setzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Bundesamt für Güterverkehr deutlich unter Druck. Die in der Pressekonferenz präsentierten Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung zeigen das wahre Ausmaß des Skandals. Die Deutschen Umwelthilfe hatte in Kooperation mit der Universität Heidelberg, dem Verband für die Transportbranche Camion Pro und der Polizei in Sachsen  Messungen an über 140 Lkw durchgeführt. Das Ergebnis zeigt nicht nur das gewaltiges Ausmaß des Betruges, sondern auch, dass das Bundesamt für Güterverkehr seit Jahren irreführende Zahlen dazu veröffentlicht.  

Es sind alarmierende Ergebnisse. Die Abgasreinigung war bei 20 % der 141 gemessenen Fahrzeuge, Lkw Euro V und Euro VI, im realen Betrieb defekt oder manipuliert – vor allem Lkw aus Osteuropa sind auffällig – mit unterbundener Harnstoff-Einspritzung oder abgeschalteter Abgasrückführung. Das alles spart den Speditionen Kosten. Ziemlich übel:  Fehlende Anordnung sowie technische und personelle Ausstattung der Kontrollbehörden öffnen Tür und Tor für betrügerische Manipulation der Lkw-Abgaskatalysatoren.

Die zu hohen NOx-Werte sind nach Ansicht der DUH auf einen Defekt oder eine Manipulation der Abgasreinigung durch die Nutzer zurückzuführen. Daher fordert der Umwelt- und Verbraucherschutzverband deutlich mehr und effektivere Kontrollen durch die zuständigen Behörden sowie wirkungsvolle Sanktionen gegen die Betreiber der Fahrzeuge. Auffällige Fahrzeuge mit zu hohen Schadstoffemissionen sollten sofort stillgelegt und erst nach einer nachgewiesenen Reparatur der Abgasreinigungsanlage und einer anschließenden Prüfung durch die Behörden wieder für den Verkehr freigegeben werden. Denkbar ist ein Entzug der EU-Lizenzen, eine Nachzahlung der Mautdivergenzen sowie angemessen hohe Strafzahlungen wie beispielsweise in der Schweiz. Die Fahrzeuge sollten erst wieder fahren dürfen, wenn die Zahlungen erfolgt sind.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Verkehrsminister Scheuer ist nach EU-Recht verpflichtet, die realen Abgasemissionen von Fahrzeugen stichprobenhaft zu überprüfen und festgestellte Verstöße zu verfolgen. Fahrzeuge, die mit derart hohen Schadstoffemissionen, wie von uns gemessen, die Luft vergiften, müssen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Das gilt gerade auch für Lkw, die mehrere hunderttausend Kilometer Laufleistung pro Jahr haben. Unsere verdeckten Abgasmessungen beim Hinterherfahren der Lkw zeigen, dass nicht nur im Pkw-Bereich, sondern auch bei den Lkw bezüglich der realen Dieselabgas-Emissionen getrickst und betrogen wird. Während andere EU-Staaten zumindest rudimentär kontrollieren und in der Schweiz bei festgestellten Verstößen Lkw mit manipulierten Abgasanlagen sofort stilllegt werden, findet in Deutschland keine effektive Abgaskontrolle von Lkw auf der Straße durch die Behörden statt.“

Insgesamt fielen bei dem Test 12 von 40 (bzw. 30 %) Euro V Lkw und 16 von 100 (bzw. 16 %) Euro VI Lkw mit deutlich zu hohen NOX-Emissionswerten auf. Somit zeigte jedes fünfte gemessene Fahrzeuge NOx-Emissionswerte deutlich oberhalb des jeweiligen Grenzwerts auf.
Angesichts der Herausforderungen, vor der wir mit Blick auf Luftreinhaltung in Deutschland und Europa stehen, können wir das nicht akzeptieren, betonen Experten. Der Stand der Technik erlaubt, dass Fahrzeuge dieser Abgasstandards weitgehend sauber unterwegs sind. Das darf nicht durch betrügerisches Handeln der Betreiber und fehlende Kontrollen unterwandert werden.
 
Die Abgasreinigung kann über elektronische Module, sogenannte Emulatoren, sowie Software-Eingriffe manipuliert werden, sodass die erforderliche Einspritzung von Harnstoff unterbunden oder die Abgasrückführung reduziert wird. Die bordeigenen Kontrollsysteme werden ausgetrickst, sodass das Fahrzeug ohne weitere Fehlermeldung und ohne funktionierende Abgasreinigung weiterfährt.

Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband sieht analog zum Abgasbetrug im Pkw-Bereich einen Skandal ähnlichen Ausmaßes auch bei Lkw durch die Spediteure. Im Fokus stehen die Halter der Fahrzeuge, die manipulierend in die Abgasreinigungssysteme eingreifen. Die DUH fordert die umgehende Durchführung effektiver Kontrollen der realen Abgasemissionen auch von Lkw im Betrieb auf der Straße durch die Autobahnpolizei und das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Dazu benötigt die Autobahnpolizei neben ausreichenden personellen Kapazitäten die technische Ausstattung, um Fahrzeuge mit zu hohen Emissionswerten aufdecken zu können.

Die aktuellen NOx-Abgasmessungen durch das Institut für Umweltphysik fanden an vier Tagen Ende Mai 2019 auf Autobahnen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen und Sachsen statt. Die Konzentration von NOX und CO2 in der Abgasfahne hinter den Lkw wurde während der Fahrt nach dem „Plume Chasing“ Verfahren untersucht. Denis Pöhler vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg erläutert: „Die Emissionen in der verdünnten Abgasfahne von Lkw können mit dem angewandten Plume Chasing Messverfahren während der Fahrt hinter dem Lkw identifiziert werden. Durch die Messung über mehrere Minuten an einem Lkw bei konstanter Fahrt erhält man einen verlässlichen Emissionswert für das Fahrzeug mit dem sich feststellen lässt, ob die Abgasanlage korrekt arbeitet oder nicht.“

Andreas Mossyrsch Vorstand von Camion Pro: „Ziel der Untersuchung war es, das Ausmaß der Abgasmanipulationen bei Lkw aufzudecken. Diese Manipulationen führen nicht nur zu einer hohen Belastung der Umwelt, sondern auch zu einer existenzbedrohenden Wettbewerbsverzerrung.“ Durch den Einsatz der billigen Manipulationssoftware spart der Betreiber bei einem Lkw bis zu 1.000 Euro pro Jahr – bei einem großen Fuhrpark eine ausschlaggebende Summe, die zu einem Vorteil gegenüber denjenigen führt, die sich an die Regeln halten.  

Insgesamt wurden 141 Lkw untersucht. Bei 52 handelt es sich um Lkw mit deutschem Kennzeichen, die verbleibenden 89 Lkw kommen aus anderen EU-Staaten oder aus Russland, Weißrussland, Serbien oder der Türkei. 40 der getesteten Lkw hatten die Abgasnorm Euro V, 100 die Abgasnorm Euro VI, nur einer die Abgasnorm Euro III. Mehr als 25 % der ausländischen Lkw waren bei den Tests auffällig.

Vier Lkw mit auffällig hohen NOX-Emissionen im Realbetrieb wurden von den Vollzugsbeamten der Verkehrspolizeiinspektion Chemnitz am 27. Mai 2019 von der Autobahn abgeleitet und einer Kontrolle unterzogen. Die NOX-Emissionsmessung eines Euro V Lkw des Herstellers MAN zeigte einen durchschnittlichen Wert von 9.539 mg NOx/kWh. Der Prüfwert inklusive Toleranzmarge liegt bei 3.000 mg/kWh. Bei der Kontrolle durch die Verkehrspolizei ergab das Diagnosegeräte keinen Rückschluss auf eine Manipulation. Jedoch fielen bei manueller Überprüfung der Fahrzeugparameter über die on-Board-Diagnoseschnittstelle viele Unstimmigkeiten auf: Der Temperatursensor, welcher dazu konzipiert ist, im Fall von extremen Temperaturen im Abgassystem die Abgasreinigung temporär abzuschalten, um Schäden an dieser zu verhindern, gab einen Wert von -20 °C aus. Somit wird die AdBlue Einspritzung unterbunden. Gleichzeitig zeigte das Fahrzeug eine Außentemperatur von +21,3 °C an. Ein deutlicher Hinweis für einen manipulierenden Eingriff in die Software.

Einen auffälligen Volvo Lkw Euro VI konnte die Polizei nicht überprüfen, da das vorhandene Messgerät für diesen Typ nicht geeignet war. Sven Krahnert, Leiter der Verkehrsüberwachung der Polizeidirektion Chemnitz, begleitete die Messungen am 27. Mai und sagt: „Wir benötigen Messtechnik, damit wir bei einem Anfangsverdacht die Funktion der AdBlue-Anlage unkompliziert überprüfen können.“

 „Am wichtigsten ist der politische Wille, diesem Betrug im Lkw-Bereich ein Ende zu setzen. Hier sind die Verkehrsminister der Länder und des Bundes in der Pflicht, den zuständigen Behörden entsprechende Weisung zu geben. Immerhin handelt es sich nicht um Kavaliersdelikte. Gerade das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt spielen hier eine besonders unrühmliche Rolle: Weder schritten sie gegen von der DUH enttarnte Betrugs-Nachrüstkatalysatoren oder auch Attrappen von Kats ein, noch gegen Inverkehrbringer von AbBlue Emulatoren. Quelle: DUH / DMM