London Heathrow verdonnert Airlines zum Verzicht auf Ticketverkäufe

In London Heathrow geht es in den Terminals ähnlich turbulent zu wie in Amsterdam Schiphol, in Düsseldorf, Köln-Bonn oder Hamburg: Um Herr der Lage im Flughafenchaos zu werden, will der Betreiber von Heathrow, Drehkreuz von British Airways und Virgin Atlantic, für zunächst acht Wochen eine Kapazitätsobergrenze einführen und verlangt von Airlines, weniger Tickets zu verkaufen. Heathrow folgt dabei dem Beispiel von Gatwick.

Heathrow und Gatwick fordern von "ihren" Airlines eine Reduzierung der Ticketverkäufe. Foto LHR

Das Vereinigte Königreich ist von chaotischen Zuständen ähnlich betroffen wir Deutschland oder die Niederlande. In den letzten Tagen nimmt die Situation extreme Ausmaße an. In einem öffentlichen Brief an die Kunden erklärt John Holland-Kaye, CEO von Europas größtem Flughafen, dass das Niveau des Service am Flughafen nicht mehr dem gewünschten Standard entspricht, nachdem Heathrow wegen der Covid-Pandemie bei den Passagierzahlen um 40g Jahre zurückgeworfen wurde, doch nun binnen weniger Wochen die Nachfrage nach Flügen wieder massiv angestiegen ist. Die Rede ist von über 100.000 Passagieren an jeweils mehreren Tagen.

Bis Ende Juli werden in Heathrow wieder genauso viele Beschäftigte tätig sein wie 2019, doch müsse man neuen Arbeitskräften Einarbeitungszeit zugestehen. Zudem sei im Bereich Groundhandling der Personalmangel aktuell immer noch ein dickes  Problem. Flugverspätungen im gesamten Netzwerk, Personalmangel und der Backlog bei vielen Problemzonen schaffen ein Umfeld, in dem geregelter Flugbetrieb kaum noch möglich ist. Nachdem eine Bitte bei Airlines um freiwillige Reduktion der Kapazitäten - gepaart mit einer „Slot-Amnestie“, d.h. dem Erhalt der Slots trotz zu tiefer Nutzung derselben - unterschiedlich und unter dem Strich ungenügend ausfiel, kündigt der Flughafen-CEO nun eine vom 12. Juli bis 11. September geltende maximale Passagierobergrenze an.

Wie das gehen soll? Die Airlines sollen weniger Tickets verkaufen. Holland-Kaye erklärt, dass 100.000 Passagiere pro Tag das maximal Mögliche sind; da aktuell die Zahl der täglichen Abflüge im Sommer bei durchschnittlich 104.000 liegen wird, von den 4.000 Überschuss-Sitzen aber nur etwa 1.500 im Schnitt an Fluggäste verkauft sind, sollen die Partnerfluggesellschaften den Verkauf von Sommertickets einstellen, «um die Auswirkungen auf die Fluggäste zu begrenzen».

Ob sich die Airlines an diese Bitte halten werden, steht auf einem anderen Blatt. Gerade die britischen Fluggesellschaften haben bereits deutliche Kapazitätseinschnitte vorgenommen. Daten des Portals „OAG“ zeigen die geplante Kapazität zu Beginn der Sommersaison Ende März, die Anpassungen in der ersten Juniwoche und dann die neuesten Zahlen, die am vergangenen Wochenende veröffentlicht wurden. Mehr als 10 % der Kapazitäten wurden von diesen Fluggesellschaften gekürzt, wobei British Airways die Liste mit einer Kapazitätskürzung von fast jedem fünften Flug in ihrem Kurzstreckennetz anführt. Die Auswirkungen auf die Einnahmen müssen - gerade während der Sommer-Hochsaison - enorm sein, weshalb weitere freiwillige Einschnitte kaum in Frage kommen dürften. 

Kritik am Vorgehen Heathrows gibt es auch von Seiten der IATA. Generaldirektor  Willie Walsh, früher Chef von BA, erklärte, es sei absurd, dass ein Flughafen von Airlines einen Ticketverkaufsstopp einfordere. Diese Meinung werden wohl nicht nur Airlines, sondern auch Reiseanbieter und Reisebüros vertreten – zumal weitere Einschnitte bei diesen wiederum zu extrem viel Mehrarbeit führen würden.

Eigentlich wollte Heathrow Unsicherheit abbauen, daher die Ankündigung einer (gewünschten) Obergrenze. Ein Schritt, den der südliche Londoner Flughafen Gatwick bereits vollzogen hat. Dies deckt sich auch mit Bitten des britischen Transportministers Grant Shapps, der von Airlines verlangte, keine Flüge zu verkaufen, die sie nicht garantiert „bemannen“ können. Da die derzeitige durchschnittliche Tageskapazität bei etwa 122.187 (Zahlen von OAG) liegt, müssen die Fluggesellschaften insgesamt mit einer Verringerung der Sitzplatzkapazität um mehr als 20 % rechnen, was über die Kürzungen hinausgeht, zu denen die britische Regierung die Fluggesellschaften zuvor aufgefordert hatte. 

Verkaufen die Airlines Tickets weiter wie bisher, besteht auf jeden Fall die große Gefahr, dass gebuchte Flüge kurzfristig annulliert werden müssen. Verbraucherorganisationen nicht nur in UK fordern von den Airlines verlässliche Angaben darüber, welche Flüge im Sommer (noch) gestrichen werden. Spannend wird es z.B. für Geschäftsreisende mit Ziel London. Denn Gatwick wie Heathrow lassen den weiteren Ansturm von Passagieren nicht mehr zu. Quelle: BBC / DMM