Lufthansa cancelt Compensaid

Nach gut fünf Jahren stellt Lufthansa ihr erfolgloses Programm Compensaid wieder ein. Die Fluggäste konnten die CO2-Emissionen ihrer Flüge nicht nur über die Investition in Klimaschutzprojekte kompensieren, sondern auch für nachhaltiges Kerosin, sogenanntes Sustainable Aviation Fuel oder kurz SAF, zahlen. Freilich nutzt der Carrier SAF nur im Promillebereich, die Zahlung der Passagiere wäre Wasser in der Rhein getragen. Und es gibt vom Hoffnungsträger SAF viel zu wenig; obendrein ist der innovative Sprit en Airlines zu teuer.

„Wir möchten Sie darüber informieren, dass Compensaid jetzt in unser neues Angebot der Lufthansa Group für nachhaltigeres Fliegen integriert ist“, heißt es in einer knappen E-Mail an die Kunden. Sie bietet Passagieren je nach Reiseziel zwei Optionen an, um ihre Klimaemissionen zu kompensieren. Auf gewissen Strecken bietet sie den bei der Wissenschaft umstrittenen Green Tarif an, der eine Mischung aus nachhaltigem Kerosin und Klimaschutzprojekten enthält. Bei anderen Strecken kann man während des Buchungsvorgangs aus drei Angeboten zum „CO2-neutralen Fliegen“ wählen, das es in der Realität überhaupt nicht gibt. Klimaneutrales Fliegen – die Luftfahrtbranche, darunter die Lufthansa, stellt das gerne in Aussicht. Wachse der Luftverkehr wie vorhergesagt, könne das nicht funktionieren, sagen Forscher.

Der Problem: Passagierflugzeuge schaden dem Klima nicht durch den massenhaften Ausstoß von CO2 und „Nicht-CO2-Effekte“, also Stickoxide, Ruß und Kondensstreifen. Letztere tragen   etwa doppelt so stark zur Erderhitzung bei wie der reine CO2-Ausstoß. Die Wesenhaft ist sich sichre, dass diese Effekte nicht komplett zu vermeiden sind. In einer aktuellen Studie der Fachzeitschrift "Nature" kommen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die gesamten klimaschädlichen Emissionen 2050 noch so hoch wie 2021 sein werden, wenn der Flugverkehr so wächst wie von IATA und den Prognosen der großen Hersteller Airbus und Boeing prognostiziert. Auch die Internationale Energie Agentur IEA sieht keine Chance, die Klimaziele im Flugsektor zu erreichen, ohne die Nachfrage zu bremsen. Weltweit dürften die Flüge der Zivilluftfahrt nicht über das Niveau von 2019 hinausgehen. Die Wissenschaft sieht nur eine einzige Chance, um die Klimaziele einzuhalten: Es muss weniger geflogen werden. Die Experten wünschen sich dazu mehr Ehrlichkeit von Politik und Luftfahrt. Insbesondere müsste die Politik deutliche und strengere Vorgaben zur Reduzierung der Emissionen der Luftfahrt machen. 

Bereits das erste Zwischenziel, das die Bundesregierung gesetzlich festgelegt hat, wird wohl verfehlt. Ab 2026 muss nämlich eigentlich 0,5 % des in Deutschland getankten Kerosins synthetisch hergestellt sein. Doch das ist nicht zu schaffen, schreibt die "Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany" (aireg). In dem Verband haben sich große Unternehmen der Luftfahrtindustrie und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen. Auch das Umweltbundesamt (UBA) rechnet nicht damit, dass jemals ausreichende Mengen an synthetischem Kerosin hergestellt werden können. Und auch die Lufthansa meldete kürzlich, dass die SAF-Vorgaben nicht einzuhalten sind. 

Das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing wehrt sich mit Vehemenz gegen eine Einschränkung der Mobilität auch in der Luft. Stattdessen setze sie auf nachhaltige Kraftstoffe. SAF soll nach und nach das klimaschädliche Kerosin aus Erdöl ersetzen. Die Frage ist nur, woher sollen die gigantischen Mengen an erneuerbarer Energie herkommen?  Allein um den aktuellen Kerosinbedarf (zurzeit täglich über 1 Mrd. Liter Kerosin) synthetisch zu decken, wäre mindestens dreimal so viel Solar- und Windenergie nötig, wie weltweit 2021 insgesamt produziert wurde. Alles, was bisher geplant ist, wird laut Forschern bei Weitem nicht reichen. Dazu wären Tausende neuer, großer Produktionsanlagen nötig. Zudem ist die Herstellung sehr kostenintensiv, was Flugreisen in jedem Fall sehr viel teurer machen wird. 

Eine andere Frage ist, ob Elektro- oder Wasserstoffantriebe die Lösung sein können. Auf Kurz- und Mittelstrecken ja, auf Langstrecken eher nein.  Denn Batterien sind für große Flugzeuge viel zu schwer. Und auch Wasserstoff ist nur bedingt geeignet. Er braucht viel mehr Platz als Kerosin; zudem müsste schon heute an den Flughäfen damit begonnen werden,  die nötige Infrastruktur zu schaffen. Das ist herausfordernd, denn flüssiger Wasserstoff muss bei minus 253 ! C gelagert werden. 

Zurück zur Lufthansa-Group: Alle gespeicherten Daten der treuen Compensaid-Nutzer gehen verloren; etwa über die Anzahl kompensierter Tonnen CO2, Anzahl kompensierter Flüge und auch den investierten Gesamtbetrag. Quelle: Lufthansa / Umweltbundesamt / Panorama