Lufthansa-Chef Carsten Spohr zur Hauptversammlung

Dienstag, 05. Mai 2020, wird der Tag der Wahrheit für die Lufthansa. Und an diesem Tag findet auch die Hauptversammlung statt, nicht in der Frankfurter Jahrhunderthalle, wie noch zu Beginn des Jahres 2020 geplant, sondern digital. Dass der Lufthansa vom Steuerzahler viele Milliarden hinterhergetragen werden sollen, steht schon fest. Zu welchen Bedingungen, noch nicht.

Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr hat das Unternehmen bisher sehr gut geführt, braucht jeetzt aber Hilfe. Foto: LH

Nachfolgend die Rede von LH-CEO Carsten Spohr zur Hauptversammlung am Dienstag, 05. Mai 2020, vorab im Wortlaut, wie sie DMM vorliegt.

"Sehr geehrte Aktionärinnen, sehr geehrte Aktionäre,

ich begrüße Sie sehr herzlich zur ersten virtuellen Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG. Wir berichten heute aus unserer Konzernzentrale, dem Lufthansa Aviation Center in Frankfurt. Viel lieber hätte ich Sie persönlich in der Frankfurter Jahrhunderthalle begrüßt und Ihnen Rede und Antwort gestanden. Aber, die Corona Krise hat uns alle weiter fest im Griff. Und keiner von uns weiß, wie lange noch.

Der Film, den wir zu Beginn eingespielt haben, zeigte noch die „alte“ Lufthansa-Welt. Die Welt vor der Krise. Er ist erst Anfang des Jahres entstanden. Jetzt erleben wir gerade den stärksten globalen Wirtschaftseinbruch seit 1930. Und wieder einmal trifft es den Luftverkehr überproportional. Wir haben uns entschieden, unsere Hauptversammlung trotzdem mit diesem Film zu eröffnen. Weil er die Faszination unserer Branche und unseres Unternehmens zeigt. Weil er zeigt, wohin wir eines Tages wieder zurückkehren wollen. Weil er zeigt für welches Ziel wir in diesen schwierigen Tagen unermüdlich kämpfen: für die Zukunftsfähigkeit unserer Lufthansa.

Der globale Luftverkehr erlebt die derzeit größte Krise aller Zeiten. Praktisch überall bestehen Einreiseverbote und Restriktionen. Dadurch ist auch unser Unternehmen  im Ausnahmezustand. Und das völlig unverschuldet. Nach harten Jahren der Modernisierung haben wir die besten Ergebnisse unserer Unternehmensgeschichte erzielt. Drei Jahre lang in Folge. Nun werden alle unsere Anstrengungen von einem einzigen globalen Ereignis bedroht. Das hätte sich niemand je vorstellen können. Bei Lufthansa sind wir erprobt im Umgang mit Naturkatastrophen, Seuchen und den Folgen von Krieg und Terror. Das Management von Krisen gehört zu unserem Geschäft. Mein ausdrücklicher Dank richtet sich an unser Team von Lufthanseaten, die dies in den letzten Wochenwieder mit 100 %iger Professionalität möglich gemacht haben.

Wir haben als eine der ersten Airlines weltweit unser Netzwerk schnell heruntergefahren. Gleichzeitig haben wir für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur unsere Cargo Kapazität angeboten. Viele von uns engagieren sich in dieser Krise freiwillig sozial. Aber es bleibt: Eine Krise dieses Ausmaßes hat noch niemand von uns erlebt.

Wir stehen vor der größten Herausforderung in unserer jüngeren Geschichte. Wir kämpfen um die Zukunftsfähigkeit dieses Unternehmens und um die Zukunft der rund 130.000 Mitarbeiter der Lufthansa Group. Wir ringen darum, möglichst viele von ihnen an Bord zu behalten. Das gilt nicht nur für unsere Mitarbeiter. Es gilt auch für unsere Kunden und für Sie, liebe Aktionäre. Ihr Vertrauen und Ihre Loyalität sind in diesen Zeiten umso wichtiger für uns.

Meine Damen und Herren, uns ist bewusst, dass die guten Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres heute in den Hintergrund rücken. Ich möchte die wesentlichen Kennzahlen dennoch kurz für Sie zusammenfassen: •Trotz starken Gegenwindes haben wir ein bereinigtes Ebit von gut 2 Mrd. Euro erwirtschaftet – an dieser Kennzahl messen wir unseren wirtschaftlichen Erfolg.

  • Wir haben unseren Umsatz auf 36,4 Mrd. Euro gesteigert. Es ist der höchste Umsatz unserer Unternehmensgeschichte.
  • Wir haben so viel wie nie zuvor investiert: 3,6 Mrd. Euro. Der Großteil ist in die Erneuerung unserer Flotte geflossen, und Sie wissen, die Anschaffung von treibstoffeffizienten Flugzeugen ist immer auch eine Investition in den Schutz unserer Umwelt.
  • Gleichzeitig haben wir unsere Stückkosten weiter gesenkt.
  • Gefreut haben wir uns auch über den Zuspruch unserer Kunden: 145 Millionen Passagiere sind im vergangenen Jahr mit den Airlines unserer Gruppe geflogen. Das war wieder ein Rekord: tagtäglich haben sich rund 350.000 Passagiere für unsere Fluggesellschaften entschieden. Heute fliegen wir aktuell nur noch etwa 3.000 Kunden pro Tag

Unser Unternehmen ist gemessen am Flugplan wieder dort angekommen, wo es 1955 – nach 10 Jahren Flugverbot und 10 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gestartet ist. 65 Jahre lang – und durch viele Krisen hindurch – haben wir auf den Fundamenten unserer Vorväter aufgebaut. Wir haben Lufthansa zur Nummer eins in Europa gemacht. Zu einem Unternehmen, das seit vielen Jahren an der Weltspitze mitfliegt. Keine 65 Tage hat es gedauert, bis wir in punkto Flugaufkommen wieder das Niveau von vor 65 Jahren erreicht haben. Das ist bitter. Das ist niederschmetternd. Das tut weh. Trotzdem schauen wir bei Lufthansa zuversichtlich nach vorne.

Die Jahre der Modernisierung zahlen sich aus. Wir haben bewiesen, dass unser Geschäftsmodell nachhaltig ist. Wir haben erfolgreich gewirtschaftet. Durch die guten Ergebnisse ist Ihr Unternehmen auf soliden Fundamenten in diese Krise geraten–finanziell und strukturell. Das hilft uns jetzt. Klar ist aber auch: alleine werden wir es nicht schaffen. Wir brauchen Unterstützung. In diesen Tagen wird über die Zukunft der Lufthansa entschieden. Es geht darum, ob mit Unterstützung der Regierungen unserer vier Heimatländer Insolvenzen vermieden werden können. Es geht darum, wie schnell wir uns von der Krise erholen können, um möglichst bald wieder unabhängig und aus eigener Kraft zu wachsen. Oder kurz: Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Lufthansa Group.

Für unser Krisenmanagement bei dieser Rettung haben wir drei Phasen definiert:
1. Die „Grounding Phase“: das ist – aus der Fliegersprache abgeleitet – die aktuelle Krisensituation, in der fast die gesamte Flotte am Boden bleiben muss.
2. Die Phase des Neustarts, in der wir den Flugverkehr langsam wieder hochfahren.
3. Die Phase der neuen Normalität –„the new normal“: das ist unser Arbeitstitel für die Zeit nach der Krise.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz zur aktuellen Situation berichten: Um unsere Gäste und Mitarbeiter zu schützen, sind wir gleich zu Beginn der Corona Krise aktiv geworden. Wir haben wir unsere Flugpläne schneller und deutlich konsequenter zusammengestrichen als unsere Wettbewerber. Auch, um damit unsere Kosten zu senken. Viele hielten diese rigorosen Maßnahmen anfangs für übertrieben. Keiner ahnte, wie schnell und wie dramatisch sich die Lage danach zuspitzen würde. Auch wir nicht. Inzwischen ist die ganze Welt Krisengebiet. Es gibt praktisch keine länderübergreifende Reisetätigkeit mehr.

  • Von den rund 760 Flugzeugen unserer Flotte stehen mittlerweile rd. 700 Flugzeuge am Boden.
  • Wir mussten 3.000 Flüge pro Tag streichen.•Air Dolomiti, Austrian Airlines und Brussels Airlines haben ihren regulären Flugbetrieb bereits im März vorersteingestellt.
  • An unserem Drehkreuz in München fliegt im Passagiergeschäft nur noch die Lufthansa CityLine.
  • Aktuell bieten wir einen Minimum-Sonderflugplan an, der zunächst bis Ende Mai gilt– wir müssen bis auf weiteres auf Sicht fliegen. Der Flugplan orientierte sich im Wesentlichen an der Rückkehr von Europäern aus dem Ausland.
  • Die Passagierzahlen bei Lufthansa liegen aktuell nur noch bei maximal 1 % des Vorjahresniveaus. Oder anders formuliert: der Passagierrückgang beträgt 99 %! Derzeit ist nur die Nachfrage nach Frachttransporten hoch. Wir haben zusätzlich zur gesamten Cargo-Flotte bereits 70 Transportflüge mit Passagierflugzeugen durchgeführt. Um mehr Fracht transportieren zu können haben wir bei vier A330 die Sitze ausgebaut. Weitere A330 sind noch im Umbau. Wir nennen sie “Prachter”, eine Mischung aus Passagierflugzeug und Frachter. Bei den anderen Service Gesellschaften sieht die Lage weniger erfreulich aus. Dort ist die Krise mit etwas Verzögerung nun auch angekommen. Lufthansa Technik rechnet für das Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang des Arbeitsvolumens von 60 %. Die Produktion von Mahlzeiten bei der LSG ist um 95 % zurückgegangen. 23 Betriebsstätten wurden bis auf Weiteres geschlossen.

Die traurige Zwischenbilanz: Wir erwirtschaftenso gut wie keine Einnahmen mehr. Die Kosten für Personal, Material, Mieten oder Treibstoffsicherung laufen weiter. Nach drei Rekordjahren verlieren wir derzeit pro Stundeallein operativungefähr eine Million Euro unserer Liquiditätsreserven. Unser oberstes Gebot seit Beginn der Krise lautete daher: Kosten senken und Liquidität sichern. Aktuell beträgt die Liquidität des Konzerns noch mehr als 4 Mrd. Euro. Damit stehen wir immer noch vergleichsweise gut da. Das haben wir vor allem den erfolgreichen Finanzierungsmaßnahmen, Kostensenkungen und einem strikten Liquiditätsmanagement zu verdanken. Um den Schwund unserer Barmittel zu reduzieren, mussten wir bittere Entscheidungentreffen. Eine davon betrifft Sie, sehr geehrte Aktionäre. Wir können der Hauptversammlung für das zurückliegende erfolgreiche Jahr 2019 keine Dividende vorschlagen. Ich danke allen, die mir und meinen Kollegen bereits in den letzten Wochen Ihr Verständnis dafür signalisiert haben. Aber diese Maßnahme alleine reicht natürlich nicht aus. Alle Stakeholder, alle Interessengruppen, müssen in dieser existenzbedrohenden Krise ihren Beitrag leisten. Aufsichtsrat, Vorstand und Führungskräfte Ihres Unternehmens haben sich freiwillig verpflichtet, auf einen Teil Ihrer Grundvergütung zu verzichten.

Aktuell sind über 80.000 Beschäftigte der Lufthansa Group in Kurzarbeit. Bitte glauben Sie mir: das schmerzt nicht nur die Betroffenen. Es trifft uns alle bis ins Mark. Aber es ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Liquiditätssicherung. Derzeit stocken wir das gesetzliche Kurzarbeitergeld in Deutschland noch auf bis zu 90 % auf. Das können wir aber nur eine begrenzte Zeit durchhalten. Zu neuen Modalitäten sind wir bereits in Verhandlungen mit den Tarifpartnern. Auch unseren Kundenmüssen wir einiges abverlangen. Vor allem Geduld. Die meisten europäischen Länder unterstützen die zeitlich begrenzte Gutscheinlösung für stornierte Tickets. Die EU konnte sich trotzdem bislang nicht zu einer solchen Regelung durchringen. Es könnte die gesamte Reisebranche gefährden, wenn wir in dieser Phase sofort Bar-Erstattungen leisten müssten. Hinzu kommt, dass auch unsere Kundencenter und Prozesse für diese Vielzahl von Erstattungen nicht ausgelegt sind. Daher bitte ich auch unsere Kunden um Verständnis.

Mit den Flugzeugbauern (Airbus, Boeing) sind wir in Verhandlungen über den Aufschub von Flugzeugauslieferungen, denn wir werden auf unbestimmte Zeit nicht zur alten Flottengröße zurückkehren können. Und mit Flughäfen, Flugsicherungen und der öffentlichen Hand verhandeln wir über eine faire Verteilung der Kosten. Konkret durch Senkung der Gebühren oder Stundungen von Steuern und Sozialabgaben. Klar ist aber auch: all diese Beiträge können die fehlenden Einnahmen nicht einmal annähernd kompensieren. Unsere Liquidität wird in den nächsten Wochen weiter sinken. Und zwar deutlich. Gleichzeitig müssen wir zumindest eine kritische Infrastruktur an den Flughäfen und seitens der Deutschen Flugsicherung aufrechterhalten. Nur so können wir wichtige gesellschaftliche Beiträge zur Erhaltung von Gesundheit und Sicherheit für die Bevölkerung leisten. Das wird von uns erwartet. Auch dann, wenn es aus kommerzieller Sicht wenig Sinn macht. Aber wir haben immer Verantwortung übernommen. Wir tun es auch jetzt –aus Überzeugung. Wir freuen uns, helfen zu können.

Wir freuen uns, zu zeigen, wie wertvoll unsere Arbeit, wie wichtig Luftverkehr ist:

  • Denken Sie nur an die vielen Hundert Rückholer-Flüge: Fast 100.000 Menschenhaben wir nach Hause geflogen. 9 Sonderflüge allein von Neuseeland. •Wir haben mit Eurowings 3.500 Erntehelfernach Deutschland geflogen. 90weitere Flüge sind geplant.•Wir führen Transportflüge durch, um Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit medizinischer Schutzausrüstung zu versorgen – darunter allein 150 Millionen Schutzmasken.
  • Wir haben Mitarbeitermit medizinischer Ausbildung freigestellt, damit sie im Gesundheitswesen helfen können. Wir wollen unterstützen, wo immer das möglich ist, anpacken und aktiv werden. Auch über die Arbeit unserer Hilfsorganisation, der help alliance. Die ist gerade wichtiger denn je: Bei den Ärmsten der Armen herrscht durch Corona nun bittere Not und Verzweiflung. Viele Menschen haben überhaupt kein Einkommen mehr, können sich nichts zu essen kaufen. Und wie sollen etwa dort, wo selbst Trinkwasser knapp ist, Hygienevorschriften eingehalten werden? Corona stellt uns auch im humanitären Bereich vor völlig neue Herausforderungen. Danke an alle Kolleginnen und Kollegen, die helfen, unterstützen und in dieser Zeit so viel Großartiges leisten.

Meine Damen und Herren, noch weiß niemand, wann und wie wir wieder durchstarten können. Wir richten uns darauf ein, dass dieser Sommer für einen Teil unserer Flotte gewissermaßen am Boden stattfindet. Frühestens ab Herbst hoffen wir auf einen spürbaren Neustart. Aber es wird eine sehr langsame Anlaufphase sein: Erst für 2023 erwarten wir, dass die globale Nachfrage ihr neues Gleichgewichtgefunden hat. Neu, weil es ein Gleichgewicht auf niedrigerem Niveausein wird. Daran richten wir unsere Planungen und Strategien aus. Wir möchten nicht nur in der Krise besser als andere sein. Wir möchten auch nach der Krise besser sein.

Um gestärkt aus der Krise herauskommen, arbeiten wir an einer strukturellen Neuausrichtung. Wir nutzen die Zeit, um uns für die Zukunft wettbewerbsfähig aufzustellen. Wir planen mit einer deutlich verkleinerten Lufthansa Group. Erste Schritte in diese Richtung haben wir bereits im April beschlossen:

  1. Alle Flugbetriebe der Lufthansa Group werden verkleinert. Ältere Jets, die weniger umweltfreundlich sind, werden wir früher als bislang geplant aus der Flotte nehmen.
  2. Die A340-600 Flotte wird vorrübergehend stillgelegt.
  3. Bei Eurowings werden zehn Airbus A320 ausgeflottet.
  4. Die laufenden Restrukturierungsprogramme bei Austrian Airlines und Brussels Airlines werden weiter verschärft. Beide Gesellschaften werden in diesem Zusammenhang auch ihre Flottenreduzieren.
  5. •Der Flugbetrieb der Germanwings wird zwei Jahre früher als geplant geschlossen. Wir werden künftig nur noch mit maximal 10 Flugbetrieben unterwegs sein.
  6. Zum Neustart werden wir unser Tourismussegmentbündeln und weiter ausbauen. Das haben wir vor der Krise bereits getan. Nach der Krise wird die Nachfrage hier stärker steigen, als bei den Geschäftsreisen. Im Zuge dessen werden wir die vier Flugbetriebe, die bislang unsere Eurowings-Langstrecken operieren, zu einem neuen touristisch ausgerichteten Flugbetriebzusammenführen.
  7. Auch die Eurowings Europe wird neu ausgerichtet.
  8. Außerdem wollen wir die Stückkosten in allen Unternehmen doppelt so stark senken, wie ursprünglich geplant: umjährlich2-4%statt vorher 1-2%. Soviel zu den strukturellen Maßnahmen. Für einen erfolgreichen Neustart müssen wir vor allem unsere Kunden zurückgewinnen. Vertrauen aufbauen. Zentral dafür sind Hygienemaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen rund um den Flug. Um das Risiko einer Ansteckung oder das Einschleppen von Corona zu minimieren, haben wir bereits einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. Wir möchten unsere Passagiere und Crews so gut wie möglich schützen.

Meine Damen und Herren, Die Komplexität hinter all diesen Maßnahmen ist enorm hoch. Auf der einen Seite steht die Ungewissheit, wann der operative Betrieb wieder hochgefahren werden kann. Gleichzeitig muss die gesellschaftsrechtliche Dimension beachtet werden: das heißt, es könnte zu unterschiedlichen staatlichen Unterstützungsmodellen in den jeweiligen Heimatmärkten der Lufthansa Group kommen. Wir sprechen mit der Bundesregierung und der KFW intensiv über Liquiditätshilfen für unser Unternehmen. Zusätzlich verhandeln wir mit den Regierungen in Österreich und Belgien über Hilfen für Austrian Airlines und Brussels Airlines. Für die SWISS und die Edelweiss haben wir bereits die Zusage der Schweizer Bundesregierungüber einen weitgehend durch die Schweiz gesicherten Kredit. Die Zustimmung des Parlaments steht noch aus, wird aber für Anfang Mai erwartet. Derzeit diskutieren wir nicht nur über die Höhe der nötigen Beträge. Wir verhandeln auch über die Bedingungen und den Zeitpunkt, wann diese Hilfen zur Verfügung gestellt werden können. Wir müssen auch nach Corona wettbewerbsfähig sein.Wir müssen investitionsfähig sein. Wir brauchen auch weiterhin Geld für die Modernisierung unserer Flotten. Auch zum Schutz der Umwelt. Das Thema ist derzeit in den Hintergrund gerückt. Aber das wird nicht so bleiben. Mit steigendem Flugaufkommen wird auch die Klimadiskussion wieder hochaktuell werden. Nur wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, sind wir auch zukunftsfähig. Oder um es auf eine kurze Formel zu bringen: Zukunftsfähigkeit ist Wettbewerbsfähigkeit plus Investitionsfähigkeit. Staatshilfen sind kein Selbstzweck. Wir verbinden damit klare Ziele und sehen uns gegenüber den Steuerzahlern, die diese Hilfen ermöglichen, in der Verantwortung: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wollen wir – egal in welchem Szenario – die Lufthansa Group und die europäische Airline Gruppezusammenhalten. Das ist unser übergreifendes Ziel.

Wenn wir im globalen Wettbewerb gegen die jeweils drei großen Airline Gruppen in USA, China und am Golf bestehen wollen – dann nur als europäische Airline Gruppe. Vor allem dürfen wir uns nicht überschulden. Das würde uns über Jahre lähmen. Wir müssen schon heute an einem Plan arbeiten, wie wir staatliche Kredite und Beteiligungen so schnell wie möglich wieder zurückführen können. Die Politik ist aufgerufen, darauf zu achten, dass Hilfen nicht zu einer Schieflage im internationalen Wettbewerb führen. Insbesondere wenn Wettbewerber aus den USA oder China sich jetzt mit staatlicher Hilfe gesund sanieren. Gerade jetzt ist es wichtig, dass der internationale Wettbewerb nicht durch Art und Umfang unterschiedlicher Staatshilfen verzerrt wird. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt: Wer nicht wettbewerbsfähig ist, schafft es auf Dauer auch mit staatlicher Hilfe nicht.

Bis zu der Corona Pandemie waren wir als Lufthansa Group erfolgreich und wettbewerbsfähig. Wir sind unverschuldet in diese Krise geraten. Jetzt brauchen wir staatliche Unterstützung. Aber wir brauchen keine staatliche Geschäftsführung. Lufthansa wurde 1997 erfolgreich privatisiert. In den letzten drei Jahren haben wir durchgängig ein operatives Ergebnis von mehr als zwei Milliarden Euro erwirtschaftet. Wir haben jedes Jahr Rekordsummen investiert –im Durchschnitt über drei Milliarden Euro. Als ich vor 10 Jahren Vorstand bei Lufthansa wurde, waren das noch Summen, von denen wir nicht zu träumen wagten. Wir haben bewiesen, dass wir es können. Deshalb ist es uns wichtig, die unternehmerische Entscheidungs-und Handlungsfreiheit der Lufthansa Group zu erhalten. Aktuell gehen wir davon aus, dass die globale Nachfrage nach Flugreisen auch langfristig nicht mehr so dynamisch wachsen wird, wie in den vergangenen Jahren. Das Reiseverhalten der Menschen wird sich ändern –privat und beruflich. In der Folge wird sich der Weltluftverkehr neu aufstellen müssen. Wir erwarten eine globale Transformation des Luftverkehrs. Dabei möchten wir mit der Lufthansa Group auch künftig wieder einen Spitzenplatz einnehmen. Lufthansa wird nach der Krise eine andere und kleinere Lufthansa sein. •Wir werden unsere Flotte um ca. 100 Flugzeuge reduzieren.
•Dadurch haben wir rechnerisch 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuviel an Bord. Betriebsbedingte Kündigungen können wir nicht mehr ausschließen. Es sei denn – wir schaffen es mit innovativen Teilzeitmodellen, mit dieser einmaligen Lufthansa Solidarität, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen an Bord zu behalten.

Ausblick. Auf allen Seiten spüren wir den Willen, dass unsere Lufthansa im globalen Wettbewerb weiterbestehen soll und auch muss. Gerade jetzt wird klar, wie wichtig die Grundversorgung mit Flügen ist. Wie wichtig es ist, unsere europäische Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einige persönliche Worte: In diesen Tagen wird zurecht immer wieder betont, dass Gesundheit an erster Stelle steht. In diesem Sinne waren wir auch im Vorstand mit einer schmerzhaften Entscheidung konfrontiert. Unserem Vorstandskollegen Ulrik Svensson wurde Anfang April von seinen Ärzten dringend angeraten, seine berufliche Tätigkeit per sofort niederzulegen. Wir haben diese Entscheidung selbstverständlich akzeptiert. Für mich persönlich ist es schmerzlich, ausgerechnet in dieser Zeit auf einen meiner engsten Wegbegleiter der letzten Jahre verzichten zu müssen. Seine Aufgaben haben wir unter uns verbleibenden sechs Vorstandsmitgliedern neu verteilt.

Meine Damen und Herren, unsere Strategie bei Lufthansa war es immer, ein faires Gleichgewicht zwischen allen Stakeholder-Interessen und Partnern herzustellen: zwischen Kunde, Mitarbeiter und Aktionär. Diese Balance muss nun auch in der Krise gelten. Die Umsatz-und Ergebnisentwicklung des ersten Quartals 2020zeigt,wie stark wir nun diese gemeinsamen Lösungen brauchen.

Unsere vorläufigen Zahlen weisen einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro für Januar bis März aus. Und das zweite Quartal wird noch schlechter ausfallen. Einen Jahresausblick kann ich Ihnen in dieser Situation nicht geben. Nur so viel: Die Fluggesellschaften waren weltweit die ersten, die in diese Krise geraten sind. Sie sind am härtesten getroffen. Und wir werden vermutlich eine der letzten Branchen sein, die aus der Krise wieder herauskommen. Unser Ziel bei Lufthansa bleibt es dennoch, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Mein Wunsch und der unserer Mitarbeiter ist es, dass der positive Beitrag des Luftverkehrs zur Globalisierung im Zuge von Corona nicht vergessen wird. Connecting People & Cultures – die Verbindung von Menschen und Kulturen über Grenzen hinweg – das ist unser gesellschaftlicher Auftrag. Aus tiefster Überzeugung sagen wir JA zu Europa und JA zur Welt. Say Yes To Europe – Say Yes To The World ist für uns immer mehr als eine Markenkampagne gewesen. Beide Aussagen stehen für unsere Haltung. Der globale Zeitgeist und unsere Weltoffenheit dürfen durch diese Krise nicht verloren gehen. Es geht hier um mehr als den wirtschaftlichen Erfolg. Ein Kunde schrieb mir vor einigen Wochen: „Freiheit ist für mich nicht, wenn in Bayern die Baumärkte wieder öffnen, sondern wenn es in 10.000 km Entfernung zum Münchener Flughafen wieder heißt: „Willkommen an Bord der Deutschen Lufthansa!“ Ich verspreche Ihnen: Wir werden Menschen, Kulturen und Kontinente wieder miteinander verbinden – sobald das möglich ist. Wir bleiben auf Kurs und werden alles dafür tun, dass unsere Lufthansa wieder fliegt. Wir waren vor 65 Jahren beim Neustart erfolgreich. Wir werden es jetzt wieder sein. Wir kämpfen für unser Unternehmen, für unsere Mitarbeiter, unsere Kunden und für Sie, liebe Aktionäre. Weil wir davon überzeugt sind, zu etwas wirklich Wichtigem beizutragen. Danke für Ihre Unterstützung dabei. Bleiben Sie uns gewogen und vor allem: Bleiben Sie gesund!" Quelle:  https://www.lufthansagroup.com/media/themen/hauptversammlung-2020/LH-HV-2020-Rede-Carsten-Spohr.pdf / DMM