Mobilitätsbedingungen in Deutschland in der Kritik

Die Bundesbürger sind insgesamt unzufrieden mit der Verkehrssituation in Deutschland. So einfach lässt sich die aktuelle Mobilitätsstudie 2024 der HUK-COBURG zusammenfassen, für die die Versicherungsgesellschaft rund 4.100 Personen ab 16 Jahren im Februar dieses Jahres repräsentativ befragen ließ. Zentrales Thema der Umfrage: die Qualität der Mobilität hierzulande und zukünftige Mobilitätskonzepte. Ergebnis: Heftige Kritik am deutschen Verkehrsnetz, das die Mehrheit der Befragten zudem als veritable Wachstumsbremse einschätzt.

Denn immerhin antworten 68 % von ihnen auf die Frage, ob der Zustand des Verkehrsnetzes noch zeitgemäß sei, dass dieser nicht dem eines modernen Industrielandes entspreche. Ganze 63 % stufen ihn sogar als Behinderung der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes ein. Das sollte den verantwortlichen Verkehrspolitikern zu denken geben, kommentieren Experten.

Wer nun seine eigenen Erfahrungen als Autofahrer mit maroden Straßen voller Schlaglöcher, einsturzgefährdeten Autobahnbrücken, Dauerbaustellen sowie unumgänglichen Staus zugrunde legt und erwartet, dass sich die Kritik der Studienteilnehmer insbesondere an den Verkehrswegen für Kraftfahrzeuge entzündet, irrt. Vielmehr ist es das Schienennetz hierzulande, das für große Frustration sorgt, wie die HUK berichtet. Es steht besonders in der Kritik: So vertritt mit 57 % mehr als die Hälfte der Bevölkerung die Ansicht, dass eine Verlagerung des Personenverkehrs von der Straße auf die Schiene in Deutschland in der Praxis nicht funktioniert. Dabei würden satte 75 % der repräsentativ ausgewählten Umfrageteilnehmer eine solche Entwicklung befürworten. Dementsprechend sehen mit 35 % auch die meisten Befragten im Schienennetz den wichtigsten Ansatzpunkt für eine Verbesserung der Mobilität in Deutschland.

Erst danach folgen mit einigem Abstand das Autostraßennetz mit 18 %, Fahrradwege mit 13 %, das Gehwegenetz mit 5 % und die Wasserstraßen mit 3 % im Frustrations-Ranking der Bundesbürger. Doch die Deutschen meckern nicht nur: Aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen haben inzwischen fast zwei Drittel von ihnen in den zurückliegenden zwölf Monaten ihr Mobilitätsverhalten verändert – etwa indem sie ihre Einkaufsgewohnheiten weiter in den Online-Bereich verschoben. Dafür spricht auch, dass laut der aktuellen HUK-Mobilitätsstudie rund ein Drittel der Bundesbürger hierzulande nach eigenen Angaben mehr im Internet einkauft als zuvor. Kein Wunder: Wer in deutschen Städten, insbesondere solchen, die wegen politischer Willensbildung der Verwaltungen zunehmend verkehrsberuhigt werden, einen Einkaufstrip unternehmen will, braucht angesichts der bewusst herbeigeführten Behinderungen des Individualverkehrs bei ungenügenden ÖPNV-Alternativen starke Nerven.

Ebenso viele Studienteilnehmer, ebenfalls 33 %, fahren inzwischen weniger in die Innenstädte, um Einkäufe zu erledigen. Als Grund für ihre veränderten Verhaltensweisen nennen die Befragten die aktuellen Bedingungen für Ihre persönliche Mobilität, sprich Ihre konkreten Möglichkeiten zur Fortbewegung. Und die sind wegen der allgemein schlechten Rahmenbedingungen der deutschen Verkehrsnetze eingeschränkt.

Das hat sogar Auswirkungen auf die Kommunikation der Befragten, wie diese angeben. Demnach haben 21 % von ihnen unterdessen mit Freunden und Verwandten häufiger digital Kontakt, als sie persönlich zu besuchen. Und mit 19 % schränkte eine fast ebenso große Gruppe den Besuch von Veranstaltungen wie Konzerten oder Theatervorführungen ein. Somit zieht allein in dieser Hinsicht nahezu jeder Fünfte entsprechende Konsequenzen aus der schlechten Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Das bekommen die Innenstädte in Form von weniger Besuchern, sowohl von Geschäften wie auch kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen, zu spüren.

Als Sofortmaßnahme für eine bessere Mobilität fordern vier von zehn Bundesbürgern den Ausbau des Angebots an Bussen, Bahnen und öffentlichem Personennahverkehr im Allgemeinen (41 %) sowie niedrigere Kosten hierfür (40 %). Diese Zahlen entsprechen in etwa auch dem Vorjahresergebnis.

Befragt nach dem Verkehrsmittel der Zukunft behauptet das Auto mit 72 % der Nennungen von allen Befragten seine Pole-Position als mit weitem Abstand beliebtestes Beförderungsvehikel. Es werde auch in Zukunft am besten ihre Anforderungen an Mobilität erfüllen, meint die deutliche Mehrheit der Teilnehmer an der aktuellen HUK-Mobilitätsstudie. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass der Begriff „Auto“ auch Elektroautos und Kfz umfasst, die mit alternativen, klimafreundlichen Antrieben fahren. Es handelt sich somit um einen kumulierten Wert.

Die Einschätzung von reinen Elektroautos und Autos mit alternativen Kraftstoffen (wie Wasserstoff und E-Fuels) als ideale Verkehrsmittel der Zukunft haben sich in der aktuellen Untersuchung im Vergleich zum Vorjahr eindeutig verschlechtert. Dabei rutschte das E-Auto von 19 % im Jahr 2023 auf 15 % im Jahr 2024 ab, Kfz mit klimafreundlichen Antrieben von 18 % im Vorjahr auf 12 % in der diesjährigen Umfrage.

„Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass konventionelle Autos mit Verbrennungsmotoren in der Gunst der Deutschen wieder aufgeholt haben“, kommentiert Dr. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der HUK-COBURG, diese Entwicklung. Er sieht die Mobilitätspolitik in Deutschland jetzt an einem entscheidenden Punkt: „Die Bürger brauchen Klarheit und Konsistenz bei staatlichen Programmen und Strategien“, stellt Dr. Rheinländer fest. Und sie wollen weniger bzw. keine öffentliche Bevormundung, wie die HUK-Studie ebenfalls ausweist. Quelle: Goslar Institut / DMM