Mobilitätsstrategie und E-Fuels

Die Europäische Kommission will Mobilität und Verkehr in Europa modernisieren. Dabei ist es Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrssektors zu wahren und den Wandel hin zu sauberer Energie und Digitalisierung sozial gerecht zu gestalten. Thema in diesem Zusammenhang ist auch die z.B. vom VDA geforderte E-Fuel-Strategie, die laut Wissenschaftler glatter Irrsin wäre.

„Europa in Bewegung“ ist ein umfassendes Paket von Initiativen, mit denen die Verkehrssicherheit verbessert, eine gerechtere Mauterhebung gefördert, CO2-Emissionen, Luftverschmutzung, Verkehrsüberlastung und der Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringert, illegale Beschäftigung bekämpft sowie angemessene Bedingungen und Ruhezeiten für die Arbeitnehmer gewährleistet werden sollen. Langfristig werden sich diese Maßnahmen weit über den Verkehrssektor hinaus positiv auswirken – sie fördern Beschäftigung, Wachstum und Investitionen, stärken die soziale Gerechtigkeit, vergrößern die Wahlmöglichkeiten für Verbraucher und geben Europa einen klaren Weg für die Senkung der Emissionen vor.
Der für die Energieunion zuständige Vizepräsident, Maroš Šefčovič, hierzu: „Wir sehen, dass sich die Welt des Verkehrs grundlegend ändert. Europa muss diese Chance ergreifen und die Zukunft der Mobilität gestalten. Nur so können wir sozusagen das Rad neu erfinden. Ich möchte, dass unsere Industrie nicht nur Teil des globalen Wandels ist, sondern den Ton angibt.“

Violeta Bulc, Kommissarin für Verkehr, ergänzte: „Die EU hat die einzigartige Gelegenheit, nicht nur in Europa, sondern weltweit die Führung bei der Modernisierung des Straßenverkehrs zu übernehmen. Unsere Reformen bilden das Fundament für standardisierte, digitale Lösungen, gerechtere soziale Bedingungen und durchsetzbare Marktregeln. Sie werden dazu beitragen, die sozioökonomischen Kosten des Verkehrssektors zu senken, die beispielsweise durch die in Staus vergeudete Zeit, Unfälle im Straßenverkehr mit Toten und Schwerverletzten und durch Gesundheitsrisiken aufgrund der Umwelt- und Lärmbelastung entstehen, und gleichzeitig den Belangen der Bürger, der Unternehmen und der Umwelt gerecht werden. Auch gemeinsame Standards und grenzüberschreitende Dienstleistungen werden dazu beitragen, dass das multimodale Reisen in Europa Realität wird.“

Die Mobilität – ein Bereich, in dem über 11 Mio. Menschen europaweit direkt beschäftigt sind – hat einen enormen Einfluss auf den Alltag der Europäer. Dabei hat die Geschwindigkeit der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die dieser Sektor gerade durchläuft, zugenommen. Flankiert wird die Strategie von einem ersten Paket von acht Legislativinitiativen, die sich speziell mit dem Straßenverkehr befassen. Auf diesen Sektor kommt es besonders an, da in ihm einerseits 5 Mio. Europäer direkt beschäftigt sind und er andererseits zu fast einem Fünftel zu den Treibhausgasemissionen der EU beiträgt. Der Verkehr in Europa ist fatalerweise zu 94 % von der umwelt- und klimaschädlichen Öl-Verbrennung (Benzin, Diesel, Kerosin) abhängig, wobei 84 % des Öls importiert werden müssen.

Die Kommission will nahtlose Mobilitätslösungen fördern, um Bürgern sowie Unternehmen das Reisen durch Europa weiter zu erleichtern. Hierum geht es bei dem Vorschlag – die Interoperabilität der Mautsysteme soll so verbessert werden, dass sich Straßenbenutzer bei ihren Fahrten durch die EU nicht mehr um verschiedene Verwaltungsformalitäten kümmern müssen. Zudem können Reisende selbst grenzüberschreitende Reisen besser planen und ihre Reiseroute optimieren, wenn für öffentliche Verkehrsdaten gemeinsame Spezifikationen festgelegt werden.

Mit konkreten Etappenzielen soll dazu beigetragen werden, dass Europas Verkehrssystem auf seinem Weg in eine intelligente und nachhaltige Zukunft auf Kurs bleibt:

Bis 2030:

  • Auf Europas Straßen sind mindestens 30 Mio. emissionsfreie Pkw unterwegs.
  • 100 europäische Städte sind klimaneutral.
  • Der Hochgeschwindigkeitsbahnverkehr hat sich europaweit verdoppelt.
  • Der Linienverkehr auf Bahnstrecken unter 500 km ist klimaneutral.
  • Die automatisierte Mobilität wird in großem Maßstab eingeführt.
  • Emissionsfreie Schiffe sind marktreif.

Bis 2035:

  • Emissionsfreie Großflugzeuge sind marktreif.

Bis 2050:

  • Fast alle Pkw, Lieferwagen, Busse und neue Lkw sind emissionsfrei.
  • Der Schienengüterverkehr hat sich verdoppelt.
  • Das multimodale transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) für nachhaltigen und intelligenten Verkehr mit Hochgeschwindigkeitskonnektivität ist uneingeschränkt betriebsbereit.

Meinung der Grünen. Zur Vorstellung des Konzeptes der EU-Kommission für einen umweltfreundlichen Verkehr erklärte der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter: „Die Ziele der EU-Kommission in der Verkehrspolitik stimmen. Jetzt brauchen wir in Deutschland einen Verkehrsminister, der auf diesen Kurs einschwenkt. Dafür muss Andreas Scheuer seine Verkehrspolitik jedoch völlig umkrempeln und darf seinem Nachfolger keine Altlasten ans Bein binden. Scheuer muss jetzt die Signale für den Deutschland-Takt stellen, mit dem sämtliche Großstädte in den Fernverkehr eingebunden sind. Er muss den Städten und Gemeinden die Instrumente geben, mit denen sie den Verkehr wirksam planen können. Und er muss für eine rasche Modernisierung der Autoindustrie sorgen. Ziel sollte es sein, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos in Deutschland zugelassen werden.“

Stellungnahme des VDA. Dem Verband der Automobilindustrie schmeckt so gar nicht, dass die EU-Kommission in ihrer Mobilitätsstrategie nach Sichtweise des VDA viel zu einseitig auf Schiffe und die Bahn setzt. Im VDA-Statement heißt es: "In der Realität ist aber nach wie vor die Straße der wichtigste Ort für die individuelle Mobilität der Menschen und die Logistik. Schiffe und Züge werden den Mobilitätsbedarf der Menschen alleine nicht bewältigen können, wie soll das gehen? Vor diesem Hintergrund erstaunt den Lobby-Verband, dass die großen Chancen zur Steigerung der Effizienz im Straßenverkehr durch Digitalisierung und Vernetzung in Brüssel nur oberflächlich und allgemein behandelt wird. Auch die Aussagen zur Entwicklung der Mobilität in Stadt und Land bleiben sehr allgemein. Auch hier wird das Auto noch gebraucht. Moderne Systeme zur Verkehrslenkung und zur Stärkung der intermodalen Vernetzung können den Verkehr in der Stadt effizienter und klimafreundlicher machen. Die Mitteilung lässt nicht erkennen, wie ein optimiertes Zusammenspiel der Verkehrsträger - einschließlich des Autos - konkret gestaltet werden soll. Die besonderen Herausforderungen, die dies an die Infrastruktur und die Vernetzung stellt, werden nicht behandelt.

Dabei brauchen wir doch gerade jetzt massive Investitionen in die digitalen Netzwerke, wir brauchen die rechtliche Ermöglichung für autonomes Fahren und natürlich die Lade-Infrastruktur. Die geplanten drei Millionen öffentlichen E-Ladepunkte in Europa bis 2025 reichen bei weitem nicht aus, um alle neuen E-Autos zu versorgen. Hier brauchen wir energische Anstrengungen auf allen Ebenen in ganz Europa, um die Infrastruktur für Pkw und Nfz massiv auszubauen.

In ganz Europa sind 270 Mio. Pkw und 42 Mio. Nfz im Einsatz. Und deshalb braucht es neben dem Aufbau der Elektromobilität E-Fuels. Nur mit E-Fuels können alle Fahrzeuge, die jetzt schon zugelassen sind und noch dazu kommen werden, einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen leisten. Diese Realität darf eine nachhaltige und intelligente Mobilitätsstrategie nicht ignorieren. Auch Wasserstoff wird eine sehr wichtige Rolle spielen. Deswegen sollte die Mobilitätsstrategie der EU den Einsatz von E-Fuels auch im Straßenverkehr fördern und die Klimaschutzpotenziale dieser Technologie auch im Straßenverkehr nutzen.

Der Irrweg E-Fuels. Was der VDA gerne verschweigt: E-Fuels sind alles andere als ökologisch und bieten in keinster Weise effiziente oder gar klimafreundliche Mobilität. Im Gegenteil: Werden synthetische Kraftstoffe mit Ökostrom produziert, lässt sich auch die Bestandsflotte an herkömmlichen Autos „grün“ machen, so die Argumentation einiger Autohersteller. Indes spielt die Technologie mit E-Fuels z.B. bei den Planungen von Mercedes-Benz so gut wie keine Rolle. Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer begründet sein Nein zu E-Fuels mit der höheren Effizienz von Batterie-E-Mobilität. Die zur Verfügung stehende Energie nutze man am besten direkt in Akkus – denn „bei dem Prozess, grüne Energie in E-Fuels umzuwandeln, verliert man sehr viel Effizienz“.

Auch das Freiburger Öko-Institut hält „E-Fuels (...) für alles andere als ein Wundermittel für Klimaschutz im Verkehr. Stattdessen brauche es batterie-elektrische Antriebe und, noch besser, Verkehrsvermeidung. Das Problem beim Gewinnen von E-Fuels: Es muss Wind- oder Sonnenstrom mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt werden, dazu braucht es Kohlendioxid aus nicht-fossilen Quellen und am Ende der Erzeugungskette steht die Umwandlung von Wasserstoff und Kohlendioxid in Kohlenwasserstoffe und deren Weiterverarbeitung zu nutzbaren Kraftstoffen. Der Gesamtwirkungsgrad beträgt damit im besten Fall 63 %, realistischerweise aber sogar nur rund 50 %. Von jeder erzeugten Kilowattstunde Strom bleibt am Ende der Erzeugungskette also nur eine halbe Kilowattstunde übrig, die andere Hälfte geht verloren. „Gegenüber der Verwendung von E-Fuels ist um den Faktor 3,5 bis 5 weniger Strom für dieselbe Wegstrecke notwendig, wenn der Strom direkt in den Fahrzeugen für den Vortrieb genutzt werden kann so das Institut.  Der Batterieantrieb sei also deutlich effizienter.

Auch die Wissenschaftler des Das Heidelberger ifeu-Institut kommen in ihrer Studie zum Fazit, dass die Herstellung  dieser synthetischen Energieträger der Umwelt schadet. Es besteht die Gefahr, dass Luft, Gewässer und Böden stärker belastet werden. So benötige der Bau der für die Realisierung von E-Fuels unabdingbare Bau vieler Wind- und Photovoltaikanlagen, der Synthese-Einrichtungen und der Transportinfrastruktur Rohstoffe und sei zudem mit Emissionen in Luft und Wasser verbunden. Ein Großteil der errechneten Belastungen stammt nämlich aus der Herstellung von Stahl, Zement und Metallen, die für Windkraft- und Photovoltaikanlagen benötigt werden. Der für die Herstellung von Kohlenwasserstoffen nötige Kohlenstoff müsse als CO2 aus Abgasen, der Luft oder aus Biomasse gewonnen werden. Daraus resultierten wiederum Umweltbelastungen, von der Emission von Feinstaub über Überdüngung bis hin zur Versauerung von Böden und Gewässern, verfolgen die Autoren die Wirkungskette. Der effizienteste Weg zur Dekarbonisierung ist in den meisten Bereichen, Strom aus erneuerbaren Energien direkt zu nutzen", stellen die Autoren klar. Selbst mit 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen ist die Herstellung synthetischer Brennstoffe mit erheblichen Umweltlasten verbunden", warnen die Autoren vor zu viel Euphorie (z.B. des VDA). Quelle: EU-Kommission / Bündnis 90/Die Grünen / VDA /ifeu / DMM