Müssen wir uns fürs Fliegen schämen?

Immer mehr Fluggesellschaften sehen sich mit einem neuen Phänomen konfrontiert: „Flight Shame“, zu deutsch Flugscham. Seit Jahren wird bei den Passagierzahlen weltweit ein Rekord nach dem anderen gebrochen. 2018 nutzen mehr als 4 Mrd. Menschen das Flugzeug für geschäftliche und Urlaubsreisen. Dabei blenden selbst heute noch nahezu alle Reisenden aus, welche Nebenwirkungen das Fliegen für die Umwelt hat. Doch das ändert sich gerade.

Flugscham ist ein aufkommendes Phänomen, das zur ernsthaften Bedrohung für die wachsende Luftfahrtbranche werden könnte. In Schweden schaffte es „Flygskam“ im Jahr 2018 endgültig in den offiziellen Sprachgebrauch. Jetzt ist die Flugscham auch in Deutschland gelandet. Mit Flygskam ist gemeint, dass es einigen Menschen peinlich ist und sie ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie mit dem Flugzeug fliegen. Dieses Gefühl des Schämens und das schlechte Gewissen haben sie in Hinblick auf den CO2-Ausstoß von Flugzeugen und dem Wunsch mehr für das Klima zu tun. Denn viel fliegen und das Klima schützen, ist ein bitterböser Widerspruch. 

Auch in der Schweiz ist laut „Sonntagszeitung“ ein Wandel feststellbar. So zählt die Stiftung Myclimate immer mehr Passagiere, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, CO2 finanziell zu kompensieren. „Seit Jahren steigt die Menge der kompensierten Flugemissionen an. Doch im vergangenen Jahr hat es einen richtigen Sprung gegeben“, zitiert die Zeitung Myclimate-Sprecher Kai Landwehr. Das Wachstum betrug fast 70 % - auf 32.000 Tonnen CO2. Und es geht ähnlich weiter. Im Januar 2019 hat es gegenüber Januar 2018 einen Anstieg von 200 % gegeben, im Februar war es immerhin noch ein Plus von 70 %.

Der moderne Mensch lebt nicht nachhaltig. Er gibt sich nie zufrieden mit dem, was ist und was er hat. Überall muss erneuert, erweitert, verändert werden. Es gibt nie genug Vorschriften, Straßen, Internetgeschwindigkeit. Und Reiseziele können nie weit genug weg von zu Hause sein. Aber spottbillig sollen sie sein. Das ist die Krux von Flugreisen, sagen Kritiker. Flygskam wurde in Schweden bekannt, nach dem der schwedische Sportler Björn Ferry sich als Moderator für den schwedischen öffentlich-rechtlichen Sender SVT unter einer Bedingung verpflichten lies: Reisen zu Sportevents unternimmt er nicht im Flugzeug, sondern nur in der Bahn. Der Sender gestattete ihm dies. In der Konsequenz fährt er nun Zug durch Europa, denn einige Austragungsorte liegen in Schweden, Norwegen, Italien und Slowenien.

Zwar hat die Klimakompensation alleine keine negative Auswirkungen auf die Airlines. Trotzdem ist man in der Branche beunruhigt. „Wenn häufiges Fliegen wirklich zum Imageproblem wird, hätte das massive direkte und indirekte Auswirkungen auf die Airlinebranche“, sagt der Schweizer Peter Baumgartner, Ex-Chef von Etihad Airways und heute strategischer Berater bei ihrer Muttergesellschaft. Es sei deshalb an der Luftfahrtbranche, überzeugende Antworten zu finden.

So macht sich langsam auch in der Branche selber ein Umdenken breit: „Ich finde es eigenartig, dass Kerosin nicht besteuert wird, und würde eine Diskussion darüber begrüßen“, äußerte Dieter Zümpel, Chef von DER Touristik Suisse, am Donnerstag, 14. März 2019, auf  einem Podium vor Schweizer Reisejournalisten. Und Heike Birlenbach, bei der Lufthansa-Gruppe für den Vertrieb zuständig, sagte: „Wir merken, dass es ein gesteigertes Interesse der Kunden am Thema Klimaschutz gibt. Darauf wollen wir uns als Airlinegruppe besser einstellen.“  Das betreffe nicht nur Privatkunden. Die Lufthansa befinde sich auch mit Firmenkunden in Gesprächen. Denn diese äußerten verstärkt den Wunsch, die CO2-Kompensation vertraglich festzuhalten. Noch befinde man sich aber in einem frühen Stadium der Gespräche. Quelle: Travelnews.ch / DMM