Nach der Europa-Wahl kommt das böse Erwachen

Die kommende EU-Wahl wird so spannend wie nie zuvor. Aller Voraussicht nach werden extreme und EU-kritische Kräfte starke Gewinne verzeichnen. Brexit, Euro, Migration, Steueroasen, Arbeitslosigkeit – viele Bundesbürger haben die Nase von CDU/CSU und SPD voll. Die Quittung gibt es nach der Wahl, sagen die beiden Ökonomen Marc Friedrich und Matthias Weik in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenmagazin „Focus“. Wir haben den Beitrag weitgehend übernommen, zumal er auch aus unserer Sicht den Nagel auf den Kopf trifft, was die Situation Deutschlands und seiner Bürger vor der EU-Wahl betrifft.

"Mit Bangen erwarten die „großen Volksparteien“ CDU/CSU und SPD das Ergebnis der EU-Parlamentswahl am nächsten Sonntag, 26. Mai 2019. Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob es eine Klatsche von den Wählern gibt, sondern, wie heftig diese ausfallen wird. Experten erwarten die rote Karte von den Wählern; denn die Bürger Deutschlands und Europas fühlen sich schon lange nicht mehr von den Politikern in Brüssel verstanden. Der Brexit war ein drastischer Warnschuss, Er ist der Anfang vom Ende der EU in ihrer jetzigen Form.

Laufend wird uns von der Politik eingebläut, dass Deutschland ein reiches Land ist. Tatsächlich gibt es hier zu Lande viele Reiche und Superreiche, im Durchschnitt aber ist der Deutsche wesentlich ärmer als viele seiner europäischen Nachbarn. Nur die Bevölkerung der ehemaligen Ostblockländer ist übler dran. Ersichtlich wird das, wenn man die Medianwerte des Vermögens und nicht den statistischen Durchschnitt betrachtet, so die beiden Autoren. Laut dem renommierten Global Wealth Report des Credit Suisse Research Institutes, heben beim reinen Durchschnitt die vielen Reichen und Superreichen in Deutschland den Wert im Vergleich nach oben. Der Medianwert zeigt die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung. In Deutschland liegt der Medianwert des geldwerten Vermögens für Erwachsene bei 47.000 Dollar, in Griechenland bei 55.000 Dollar, in Frankreich bei 120.000 Dollar und Italien sogar bei 125.000 Dollar. In den USA liegt das Durchschnittsvermögen bei 388.600 Dollar, der Medianwert liegt bei nur 55.900 Dollar.

In der EU gibt es die gleiche Gurkenlänge, die gleichen Glühlampen, das gleiche Geld – zumindest in der Eurozone – aber nicht dieselben Steuersätze! Warum musste 2017 eine deutsche Familie mit zwei Kindern und einem Verdiener im Schnitt 21,7 % Steuern bezahlen und eine irische Familie nur 1,2 %, eine polnische sogar -4,8 %? Wie viel würde Deutschland eigentlich als größter Nettozahler an die EU überweisen, wenn wir in Deutschland irische Steuersätze hätten? Warum fließt deutsches Steuerzahlergeld nach Polen, Griechenland, Portugal oder Italien, wo die Bürger in diesen Ländern doch viel weniger Steuern bezahlen müssen? Warum fließt das Geld nicht erst, wenn jeder EU-Bürger den gleichen Steuersatz bezahlt?

Die deutschen Politiker fordern von den Bürgern immer Solidarität für Europa. Solange aber keine einheitlichen Steuersätze in ganz Europa herrschen und manche Bürger Europas viel weniger Steuern bezahlen und trotzdem alle Vorzüge der EU genießen, ist diese Forderung äußerst heuchlerisch. Warum fordert kein Politiker in Deutschland irische Steuersätze? Warum will Emmanuel Macron in Frankreich die Einkommensteuer deutlich senken und Angela Merkel in Deutschland nicht? Schon jetzt haben Deutschland und Belgien die höchste Abgaben- und Steuerlast weltweit!

Von Berlin wird immer großspurig verkündet, dass Fachkräfte und Experten nach Deutschland kommen sollen. Die Frage stellt sich jedoch: Warum sollten sie das tun? Wenn junge hochqualifizierte Fachkräfte ihre Familie, ihre Freunde und Heimat verlassen, dann machen sie dies zumeist aus einem Grund: Um mehr Geld zu verdienen – und zwar netto. Und diesbezüglich ist Deutschland vollkommen uninteressant für High Potentials. Solange fleißige Experten in Deutschland gnadenlos abkassiert werden, darf man sich nicht wundern, wenn eben diese nicht kommen und immer mehr hochqualifizierte und hochmotivierte junge Menschen in Deutschland die Koffer packen. Solange Deutschland die jetzige Steuerpolitik weiter beibehält und die Fleißigen gnadenlos zur Kasse bittet, werden immer mehr helle Köpfe Deutschland verlassen – und unser Land bestimmt nicht die Fachkräfte anziehen, die es benötigt. In puncto IT hat Deutschland das Rennen längst verloren.

Auch ist dem Bürger nicht mehr zu vermitteln, dass Großkonzerne in Steueroasen mitten in der EU (Irland, Niederlande und Luxemburg) kaum Steuern bezahlen, während der Mittelstand gnadenlos abkassiert wird. Christ- und Sozialdemokraten haben einen echten Untersuchungsausschuss zu LuxLeaks verhindert. Wundern sich CDU/ CSU und SPD tatsächlich, wenn die Bürger und ehrliche Steuerzahler die Nase gestrichen voll haben? Warum liegt der gesetzliche Steuersatz für Unternehmen in Deutschland bei 30 %, tatsächlich zahlten die Konzerne nur 20 %? In Luxemburg sogar nur 2 statt 29 %. 

Thema Euro: Die meisten Deutschen profitieren nicht vom Euro. Er ist lediglich ein Subventionsprogramm für die exportorientierte Industrie in Deutschland. Folglich profitieren insbesondere die Aktionäre und (weniger) die Mitarbeiter dieser Branchen. Der Anteil nicht-deutscher Eigentümer an den Dax-Konzernen liegt bei über 50 %. Folglich fließt ein Großteil der Dividenden außer Landes. Der schwache Euro und das wegen der Rettungspolitik der EZB tiefe Zinsniveau haben den Wettbewerbsdruck für die deutsche Wirtschaft erheblich gesenkt und in Folge dessen sind die Produktivitätszuwächse in Deutschland deutlich zurückgegangen. Es wurde weniger in Deutschland investiert. Es gab weniger technischen Fortschritt und zusätzlich ist Deutschland fast nur in weniger produktiven Bereichen gewachsen. Kontinuierlich erodiert so unsere Wettbewerbsfähigkeit. Dies wird in Zukunft zu einem Rückgang des Wachstums in Deutschland führen.

Obendrein stellt sich die Frage, ob Deutschland tatsächlich etwas von den Handelsüberschüssen hat, die es mit den anderen Ländern des Euroraumes erzielt. Diese Überschüsse bedeuten, dass Deutschland immer höhere Forderungen gegen Länder aufbaut, die oftmals bis zur Halskrause verschuldet sind. Die zins- und tilgungsfreien Target2-Kredite der Bundesbank sind mittlerweile bis auf knapp 1 Billion (1.000 Mrd.) Euro angeschwollen. Die Chance, dass Deutschland einen großen Teil des Geldes nie wieder sieht, ist ganz groß.

Der Euro und die Eurozone befinden sich immer noch auf der Intensivstation, am Leben gehalten mit Billionen an frisch gedruckten Euros. Die vollkommen irrsinnige Politik der Europäischen Notenbank hält einerseits faktisch bankrotte Staaten und Zombieunternehmen wie italienische Banken am Leben und sorgt andererseits für eine gigantische Immobilienblase in Deutschland. Sie hat mit dafür gesorgt, dass Wohnen zum Luxusgut geworden ist und die Armut rasant steigt. Obendrein werden die deutscher Sparer dank der historisch einmaligen Nullzinsphase enteignet.

Nach der Wahl wird Angela Merkel voraussichtlich das Zepter der Macht an Annegret Kramp-Karrenbauer übergeben und bei der SPD wird nach einem unterirdischen Wahlergebnis Andrea Nahles nicht mehr haltbar sein. In ganz Europa werden extreme und EU-kritische Kräfte starke Gewinne verzeichnen. Dieser Trend wird auch insgesamt anhalten, solange die Politik sich nicht grundlegend ändert. Den etablierten Parteien läuft das Wahlvolk immer mehr davon – und verstärkt auch die Wirtschaft. Es werden immer mehr EU-Gegner in das EU-Parlament einziehen und dementsprechend das Machtgefüge erheblich verschieben.

Die Menschen wollen endlich Klarheit, keine Beruhigungspillen und Sonntagsreden. Unsere Demokratie befindet sich in einem bedrohlichen Zustand." Quelle:  https://www.focus.de/finanzen/boerse/experten/gastbeitrag-von-marc-friedrich-und-matthias-weik-das-maerchen-vom-reichen-land-nach-der-eu-wahl-kommt-bei-uns-das-grosse-beben_id_10683838.html Focus online