Neue Talgo ICE L ersetzen IC 1

Die Fernverkehrsflotte der Deutschen Bahn (DB) wächst kontinuierlich: in Auslieferung befinden sich ICE4 und ICE3 neo und in gut zwei Jahren erscheint der ICE L des spanischen Herstellers Talgo Patentes. Letzterer wird ab Oktober 2024 als jüngstes Mitglied die ICE-Familie verstärken, freilich nicht als Triebzug, sondern als Wendezuggarnitur mit Lok und Steuerwagen an den beiden Enden.

In voraussichtlich zwei Jahren sollen die ersten ICE L, lokbespannte Talgo-Züge, auf der Relation Berlin-Hannover-Osnabrück-Amsterdam fahren. Skizze: DB / Talgo

Die lokbespannten Einheiten sind für das Befahren der Altbaustrecken gedacht, können aber ebenso Schnellfahrtrassen befahren. In einer hart umkämpften internationalen Ausschreibung, die im März 2019 entschieden wurde, war Talgo schließlich der Sieger. Der Rahmenvertrag im Wert von 2,3 Mrd. Euro umfasst die Lieferung von bis zu 100 Zugverbänden. Zunächst aber bleibt es beim Abruf von 23 Garnituren im Wert von 550 Mio. Euro. Laut Bahn sollen die ICE L die alte einstöckigen Intercity-1-Züge ersetzen.

Einfachster Einstieg. Bei dem ICE L hat sich die DB bewusst für eine bewährte Fahrzeugplattform entschieden, um eine höhere Zuverlässigkeit durch die Nutzung erprobter Komponenten zu erreichen. Das „L“ steht für „Low Floor“, dem englischen Begriff für „Niederflur“. Durch seinen stufenlosen Zugang an den Standardbahnsteigen im Fernverkehr (76 cm Höhe) erleichtert der ICE L jedem Fahrgast an allen Türen den Ein- und Ausstieg – ob mit Mobilitätseinschränkung, großem Koffer, Kinderwagen, Fahrrad oder Rollator. Zudem können Reisende im Rollstuhl erstmals ohne fremde Hilfe in einen ICE ein- und aussteigen. Damit setzt der ICE L neue Maßstäbe. Bei den ICE L handelt es sich um Wendezüge (ähnlich den ÖBB Railjets) bestehend aus einer Hightech-E-Lok, 16 Mittelwagen und einem Steuerwagen, der sich am anderen Ende des Zugverbands befindet. 

Mit einer Kapazität von 562 Fahrgästen in zwei Klassen, 85 in der ersten und 477 in der zweiten Klasse, will die DB mit dem ICE L die stark nachgefragte Verbindung Berlin - Amsterdam abdecken: ein Dienst alle zwei Stunden. Ihre Leichtbautechnologie und Multisystemfähigkeit wird Zeit sparen und die derzeitige Fahrzeit um rund 30 Minuten verkürzen. Damit dauert die Reise mit Talgo zwischen der deutschen Hauptstadt und dem Herzen der Niederlande nur noch 5.50 Stunden.

Technik des ICE L. Der ICE L vereint neue Technik, mehr Platz und hohen Komfort in sich: Der Zug besteht aus einer neu entwickelten Mehrsystemlok der künftigen Baureihe 105 und 17 Reisezugwagen inklusive Steuerwagen. Sie bieten insgesamt 562 Sitzplätze, davon 85 Sitzplätze der 1. Klasse und 477 Sitzplätze der 2. Klasse. Der ICE L wird mit einem neu entwickelten Sitztyp in den Fahrgastbetrieb gehen. Für mehr Sitzkomfort wurden drei Sitze von verschiedenen Herstellern vorab mit 800 ProbandInnen intensiv erprobt. Der dabei am besten beurteilte Sitz wurde im Anschluss grundlegend weiterentwickelt im Hinblick auf Ergonomie, Komfort, Kinematik, und Design. Dabei wurden die einzelnen Entwicklungsstufen von Ergonomie-ExpertInnen begleitet und durch kontinuierliche Probandentests ergänzt.

Die Technologie des Losradfahrwerks von Talgo ermöglicht es, Züge auf Bahnsteighöhe mit durchgängiger Niederflurigkeit im gesamten Zugverband zu konstruieren, was einen unabhängigen Zugang für Menschen mit funktionaler Vielfalt ermöglicht. Der Talgo ECx ist ein Zug ohne Stufen: Alle Einstiegsbereiche, alle Gänge, praktisch alle Sitze befinden sich auf dem gleichen Niveau wie der Bahnsteig.

Die größere Breite der Talgo-Wagen im Vergleich zu denen der Konkurrenz, ein weitere einzigartige technologische Eigenschaft, ermöglicht einen größeren Innenraum für die Fahrgäste. Bei der Ausstattung hat die DB Talgo gebeten, die neuen ECx-Züge mit Leistungen und Qualitäten auf dem Niveau ihres ICE-Spitzenprodukts auszustatten.

Flexibel einsetzbar. Die Züge können mit einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h fahren. Alle Talgo-Einheiten sind flexibel einsetzbar. Die Reisezugwagen können neben der Talgo-Lok auch mit anderen Loktypen gekuppelt werden. Mit Mehrsystemlok von Talgo oder auch Siemens ist der Einsatz des ICE L auch im grenzüberschreitenden Verkehr möglich. So kann der ICE L nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch problemlos durch die Niederlande nach Amsterdam fahren. Die ICE L werden schrittweise ab Oktober 2024 auf der zweistündlichen Verbindung Berlin-Amsterdam in Betrieb gehen. Ab Juni 2025 werden dann alle Verbindungen auf dieser Linie mit dem ICE L gefahren. Daneben werden die ICE L auch auf den Verbindungen von Köln bzw. Frankfurt/M. nach Sylt und von Köln über Ulm und Lindau nach Oberstdorf verkehren. Hier ist ein Einsatz im Jahr 2026 geplant. 

Sinnfreie Bestellung von Talgo-E-Loks. Nicht verwendbar ist die spanische Mehrsystem-E-Lok auf fahrdrahtlosen Abschnitten; denn im Fall Westerland ist die Marschbahn ab Itzehoe nicht elektrifiziert. Gleiches gilt für eine Teilstrecke im Süden der Republik etwa ab Lindau über Immenstadt nach Oberstdorf. Auf diesen Abschnitten will die Bahn zu Zweikraftlos greifen, z.B. den Siemens Dual Power-Vectrons, die E-Lok und Diesellok zugleich sind. Dann aber fragt sich, welchen Sinn die teure Bestellung von neuen reinen E-Loks bei Talgo macht, zumal die DB ja auch auf die modernen Siemens-Vectrons zurückgreifen könnte, wie es z.B. die dänische Staatsbahn DSB machen will. Deren vergleichbare Talgo-Fernzuggarnituren sollen u.a. nach Hamburg führen und werden ausschließlich mit Siemens Mehrsystem-Vectrons bespannt. 

ICE-Komfort. Komfort hat für die DB oberste Priorität. Daher wurde ein komplett neues Innenraumdesign für die ICE entwickelt. Im ICE L ist es ab 2024 ab dem ersten Zug erlebbar. Mit den neuen Materialien und Farben, wie etwa den Sitzbezügen aus hochwertigem Flachgewebe (Stoff ohne Flor) und 85 % Wollanteil bietet die DB eine hohe haptische Qualität der Sitzflächen, sowohl in der 1. als auch in der 2. Klasse. Ein großzügiger Holzeinsatz etwa an den Tischen und den Wandverkleidungen, die tageszeitabhängige Innenraumbeleuchtung und die neu-entwickelten Sitze machen den ICE L noch wohnlicher und komfortabler.

In dieser angenehmen Wohnzimmeratmosphäre steht den Kunden auch ein Restaurantwagen mit Sitzgruppen und Stehbereich zur Verfügung. Außerdem verfügt der ICE L über einen besonders großzügigen Kleinkind- und Familienbereich mit altersgerechten Wandmotiven und vier Kinderwagenstellplätzen. In jedem Wagen gibt es zudem Gepäckregale sowie acht Fahrradstellplätze pro Zug. Informationsmonitore in den Einstiegs- und Sitzbereichen bieten Reisendeninformation mit Echtzeitdaten. Egal, ob Arbeiten im Zug oder gemütliche Fahrt in die Ferien: Die mobilfunkdurchlässigen Scheiben und das leistungsfähigere WLAN sorgen für stabilen Empfang beim Telefonieren und Surfen.

Im Zug selbst befinden sich für RollstuhlfahrerInnen drei Plätze inklusive elektrisch-höhenverstellbarer Tische. Weitere ICE-Komfortmerkmale sind ein Leitsystem mit taktilen Piktogrammen und Brailleschrift für Seheingeschränkte und eine bessere Orientierung im gesamten Zug. Der ICE L ist damit ein bedeutender Meilenstein in Richtung noch mehr Barrierefreiheit bei der DB.

Effizienter und langlebiger für mehr Nachhaltigkeit. Bei der DB wird Nachhaltigkeit bis ins Detail gelebt: Ein Beispiel ist das zeitlose Design bei der Innenraumgestaltung des ICE L. Kombiniert mit modernen Materialien schafft die DB so einen langlebigen Innenraum. Das kommt der Nachhaltigkeit des Zuges insgesamt zugute. Noch energieeffizienter ist der ICE L dank Wagenkästen in Leichtbauweise und der aerodynamisch optimierten Fahrzeugaußenform. Zusätzliches Gewicht und damit Energie wird durch die verbauten Einzelrad-Fahrwerke gespart. Wer nicht nur umweltbewusst reisen, sondern auch großen Wert auf eine ressourcenschonende Technik und Ausstattung legt, ist bei der DB gut aufgehoben. So wird Bahnfahren zu aktivem Klimaschutz. Quelle: Talgo / DB