NRW: Abellio fliegt vermutlich raus

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und der Nahverkehr Rheinland (NVR), zusammen Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr in NRW, halten es nach jüngsten Gesprächen mit der Abellio Rail GmbH für erforderlich, die bislang bei dem Eisenbahnverkehrsunternehmen in NRW beauftragten Verkehre mit Wirkung ab 01. Februar 2022 zunächst für maximal zwei Jahre neu, sprich an ein anderes Bahnunternehmen zu vergeben.

Um Abellio sieht es in NRW schlecht aus. Die Verkehrsverbünde wolllen mit einem neuen Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammenarbeiten. Foto: Abellio

Nach Auffassung der Verhandlungsführer von VRR, NWL und NVR haben die Abellio-Vertreter, insbesondere der Gesellschafter des Unternehmens, das für eine Fortsetzung der Verträge erforderliche Maß an Kompromissbereitschaft vermissen lassen. Noch bis zum Freitag dieser Woche besteht die Möglichkeit zu einer Einigung. Wer die betreffenden Linien für den Fall, dass dies nicht gelingt, künftig bedienen könnte, ermitteln die Aufgabenträger derzeit in einer sogenannten Ex-Ante-Ausschreibung zur Direktvergabe. Die entsprechenden Vorbereitungen sind bereits in die Wege geleitet worden, indikative Angebote von anderen EVU sind schon eingegangen. Oberste Priorität bei der kurzfristigen Neuvergabe hat die Absicherung von Zuverlässigkeit und Qualität auf den derzeit von Abellio betriebenen Linien.

VRR-Vorstandssprecher Ronald Lünser: Wir können wir nicht erkennen, dass Abellio und deren Mutterkonzern Nederlandse Spoorwegen (NS) bereit sind, ihren Teil zu einer konstruktiven Lösung im Sinne aller beizutragen. Es ist schon gar nicht hilfreich, wenn der beauftragte Sachwalter der Abellio Rail GmbH in der Öffentlichkeit herausstellt, das Unternehmen würde einen ‚dreistelligen Millionenbetrag‘ zur Fortführung der Verträge beisteuern, wenn doch alle an den Gesprächen Beteiligten wissen, dass der Betrag in der angestrebten Gesamtlösung tatsächlich erheblich geringer ausfallen würde.“ Abellio befindet sich derzeit in einem regulären Schutzschirmhauptverfahren in Eigenverwaltung zur Sanierung.

Sollten Abellio und Nederlandse Spoorswegen bei ihrer bisherigen Verhandlungslinie bleiben, werden die Aufgabenträger die Direktvergabe der betreffenden Verkehrsleistungen an einen oder mehrere Wettbewerber ab 01. Februar des kommenden Jahres umsetzen. Bis dahin ist die Abellio Rail GmbH aufgrund einer Ende September mit VRR, NWL und NVR abgeschlossenen Fortführungsvereinbarung verpflichtet, die Verkehre im bisherigen Umfang zu leisten.

Der VRR-Vorstandssprecher betont in diesem Zusammenhang, dass die Aufgabenträger sich auch ihrer Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abellio Rail GmbH bewusst seien. „Uns ist es wichtig, dass die engagierten Kolleginnen und Kollegen, die unverschuldet in diese Situation geraten sind, Aussicht auf eine Zukunft bei anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen haben. Sie sollen alle berufliche Chancen bekommen, an guten Fachleuten besteht hoher Bedarf.“

Die Aufgabenträger hatten allen derzeit mit dem SPNV in Nordrhein-Westfalen beauftragten Eisenbahnverkehrsunternehmen Gesprächsbereitschaft signalisiert, um je nach Verkehrsvertrag Anpassungen insbesondere in den Bereichen Personalkosten, Baustellenmanagement und Pönalen vorzunehmen. Auf diese Weise sollen Vertragspartner zukünftig nachhaltig entlastet werden. „Mit diesem Gestaltungsspielraum im Rahmen des Projekts „Verkehrsvertrag 2.0“ haben wir ein deutliches Signal für Wirtschaftlichkeit und Qualität gesetzt“, sagt Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL. „Wir haben aus den Erfahrungen der Vergangenheit konkrete Schlüsse gezogen und die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb im SPNV neu definiert. Damit stellen wir ein hochwertiges Angebot für unsere Fahrgäste sicher und beleben gleichzeitig den Wettbewerb neu. Dieses Angebot ist in jüngster Vergangenheit beispielsweise von Unternehmensführung und Gesellschafter der Keolis Deutschland GmbH konstruktiv und zielführend aufgenommen worden.“ Anfang Oktober hatten NWL und VRR vermeldet, dass auf Basis dieser Vertragsanpassungen mit Keolis Deutschland, bekannt unter dem Markennamen eurobahn, eine gesonderte Regelung zur Fortführung der Zusammenarbeit gefunden worden ist.

„Wir haben die Möglichkeit einer Direktvergabe der Abellio-Leistungen von Beginn an in Erwägung gezogen und auch gegenüber dem EVU offen kommuniziert“, so Heiko Sedlaczek, Geschäftsführer des NVR. „Den Fokus darauf werden wir nun noch verstärken, um Zuverlässigkeit und Qualität im nordrhein-westfälischen SPNV auch weiterhin zu gewährleisten und einen wahrscheinlichen Übergang der Verkehre zum 01. Februar 2022 auf die neuen EVU möglichst wenig Einschränkungen bewerkstelligen zu können. Die Sicherung der Verkehre ist auch im Sinne des Verkehrsministeriums als Finanzgeber des SPNV.“

Die bereits vollzogene Ex-Ante-Ausschreibung ist eine beabsichtigte beschränkte Ausschreibung. Ausgeschrieben waren sämtliche Linien, für deren Betrieb bislang die Abellio Rail GmbH in NRW und angrenzenden Räumen beauftragt ist, einschließlich der Verbindungen von landesweiter Bedeutung wie etwa der Linien RE 1 (RRX) von Aachen bis Hamm und RE 11 (RRX) von Düsseldorf bis Kassel.

Die ausgeschriebene Gesamtleistung beträgt 21 Mio. Zugkilometer jährlich, die ab 01. Februar 2022 von den an dieser Ausschreibung teilnehmenden EVU zu erbringen wären. Die zwischenzeitlich eingegangenen indikativen Angebote sollen in den kommenden Wochen geprüft sowie in Gesprächen mit den Anbietern möglichst zügig eine entsprechende Beauftragung vorbereitet werden. Die Ex-Ante-Ausschreibung erfolgte im Wege von Notmaßnahmen gemäß Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Im Anschluss an diese Aufträge sollen die Verkehrsleistungen im Rahmen eines wettbewerblichen Verfahrens abermals neu vergeben werden. Bei der Linie RE 11 (RRX) ist an diesen Ausschreibungen neben VRR, NWL und NVR auch der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) beteiligt. Quelle: VRR / NWL / NVR / DMM