Ohne Triebwerke fliegt sich's schlecht...

Immer mehr Fluggesellschaften weltweit sind sauer auf den Triebwerkshersteller Pratt and Whitney (P&W), ein US-amerikanisches Unternehmen der Luft- und Raumfahrttechnik mit Sitz in East Hartford. P&W ist heute eine Division von Raytheon Technologies. Das Problem: die PW1000G-Triebwerksfamile. Die ist bei zahlreichen A320 Neo, der A220 und auch bei Embraers E2-Serie verbaut. Kernproblem sind fehlende Ersatzteile und zu wenig Werkstattslots. Folge: Airlines, die diese Flugmuster mit P&W-Antrieben in der Flotte haben, müssen die Maschinen stilllegen.

Swiss A220 mit P&W-Triebwerken. Neben Flugzeugen der Lufthansa-Gruppe müssen viele A320 Neo, A220 und Embraer E2 am Boden bleiben, weil die P&W-Triebwerke Probleme bereiten und Ersatz nicht verfügbar ist. Foto: Swiss

Ohne Triebwerke kann kein Flugzeug abheben. Und wenn mit den Motoren etwas nicht stimmt, führt das ganz schnell zu großen Problemen bei den Airlines. Aktuell sorgen „Verwerfungen“ beim US-Hersteller Pratt & Whitney weltweit für richtig Ärger. Betroffen ist u.a. die Lufthansa Gruppe. „Was den Treibstoffverbrauch angeht, sind die Triebwerke der neuesten Generation sogar etwas besser als die offizielle Spezifikation“, sagt Detlef Kayser. Doch bei der technischen Zuverlässigkeit sehe es schlechter aus, so Kayser, Vorstandsmitglied und Flottenchef der Lufthansa-Gruppe. Betroffen sind z.B. die Airbus A220 von Swiss, aber auch Flugzeuge von Lufthansa.

Die Schweizer Airline verfügt über 30 A220 – neun davon sind A220-100, 21 A220-300. Von diesen Jets stehen acht derzeit am Boden. Es ist nicht das erste Mal, dass die Swiss Ärger mit den A220-Triebwerken hat. Im Herbst 2019 etwa berief die Airline nach mehreren Vorfällen ein Notfallkomitee ein und schickte alle A220 zur Inspektion. Erste Triebwerk-Probleme gab es bereits im Jahr 2014. Und drei A320 Neo von Lufthansa sind in Berlin geparkt. Die D-AINL steht seit dem 14. Februar in Berlin, die D-AINM bereits seit dem 18. Januar, und die D-AINP schon seit dem 12. Januar. Alle Flugzeuge sind gerade mal vier Jahre jung. 

Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass Turkish Airlines vier Airbus A320 Neo aufgrund von Problemen mit P&W-Triebwerken derzeit nicht einsetzen kann. Die Fluggesellschaft bemühe sich um geleaste Ersatztriebwerke, aber das sei schwierig. „Lange Durchlaufzeiten bei Werkstattbesuchen und ein Mangel an einsatzfähigen Triebwerken verschlimmern das Problem“, so Turkish-Airlines-Chef Bilal Ekşi kürzlich auf einer Konferenz in Indien. Diese Ansicht bestätigen aktuelle viele Airlinechefs. 

Bereits Anfang 2023 musste KLM acht ihrer 14 Embraer E2-Jets am Boden lassen, da Inspektionen an den PW1900-Triebwerken nötig waren. Probleme hatten und haben auch Air Tanzania, Air Sénégal und Egypt Air. So nutzt derzeit Air New Zealand zwei brandneue Airbus A320 Neo als Triebwerkspender. Die Gründe in allen Fällen: mangelnde Reparaturslots bei P&W und fehlende Ersatzmotoren aufgrund der angespannten Situation bei den Lieferanten des Herstellers.

Noch härter trifft es Air Baltic. Die lettische Fluggesellschaft betreibt eine reine Airbus A220-Flotte. Von den 40 Maschinen befinden sich elf gerade in der Wartung oder warten auf die Wartung. In einer Mitteilung wirft Geschäftsführer Martin Gauss dem ES-Motorenproduzent vor, sein gegebenes Versprechen bezüglich einer schnelleren Wartung nicht eingehalten zu haben. Daher sieht sich Air Baltic gezwungen, die Ausfälle mit temporärem und kostenintensivem Wet-Lease auszugleichen. Noch bis Ende Mai 2023 sollen zwei A320 von Danish Air Transport und Cyprus Airways, ein A319 von Carpatair sowie eine Bombardier CRJ-900 von Xfly für Ersatz sorgen. Die Maschinen kommen auf Air-Baltic-Routen zum Einsatz.

Go First ist schon mal pleite. Auch in Indien ist man nicht gut auf P&W zu sprechen. Wegen fehlender Triebwerke können mehr als 50 Maschinen der Fluggesellschaften Indigo und Go First nicht abheben. Bei Indigo sollen rund 30 Flugzeuge betroffen sein. Da die Airline über 300 Flugzeuge verfügt, können die Ausfälle aufgefangen werden.

Schwieriger war die Situation für die Billigfluggesellschaft Go First. Aufgrund der Triebwerksprobleme konnten zuletzt 24 der 55 Maschinen nicht starten. Jetzt musste die drittgrößte Airline des Subkontinents Insolvenz anmelden und macht dafür „fehlerhafte“ Triebwerke von P&W  verantwortlich. Laut dem Portal Business Standard erwägt das Management, rechtliche Schritte gegen P&W einzuleiten und das Unternehmen auf Schadensersatz zu verklagen. Das Unternehmen schuldet seinen Gläubigern 65,21 Mrd. Rupien (rund 720 Mio. Euro) und hat nun "alle finanziellen Mittel aufgebraucht", wie es in seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim National Company Law Tribunal (NCLT) heißt. Go First hatte im April 4.118 Flüge gestrichen, von denen 77.500 Passagiere betroffen waren, und warnte vor weiteren Stornierungen. Damit ist es ja nun vorbei.

Pratt & Whitney arbeitet an Lösungen. Anfang Februar sagte eine Pratt & Whitney-Sprecher zu Aviation Daily: „Wir arbeiten eng mit unseren Kunden an Lösungen zur Minimierung von Betriebsunterbrechungen. Und wir arbeiten auch mit unseren Lieferanten an Minderungsstrategien, erweitern die Ersatzteilshop-Kapazität und setzen Upgrades fort, um die Motorbetriebszeit zu verlängern.“ Doch ist das alles schwieriger als gedacht. Denn zum Teil fehlen Ersatzteile, teils auch Chips für die Steuerung der Triebwerke, aber auch Schmiedeteile. Immer wieder müssen aufgrund des Mangels an Reservetriebwerken daher Flugzeuge am Bodenbleiben. Quelle: Bloomberg, Lufthansa / Swiss, P&W / DMM