OLG Stuttgart macht Daimler Druck

Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche hat dem Konzern einen Bärendienst erwiesen mit mutmaßlich bösen finanziellen Folgen. In seine Ära fällt wie im Fall Winterkorn und Volkswagen das Daimler Dieselgate. Ganz aktuell hat ein Richter am Oberlandesgericht Stuttgart in einem Verfahren gegen Daimler gefordert, der Hersteller muss detailliert darlegen, wie die Abgasregulierung funktioniert. Damit wird die Beweislast umgekehrt.

Nicht hintergangene Diesel-Besitzer müssen die Manipulation an ihren Fahrzeugen beweisen, so der Jurist, sondern Mercedes muss beweisen, dass alles „sauber ist. Damit dürften Besitzer von manipulierten Mercedes-Fahrzeugen eher Erfolg bei ihren Schadenersatzforderungen haben als es bisher der Fall war. Laut Richterspruch muss Mercedes offenlegen, wann die Abgasreinigung verringert oder abgeschaltet wird. Übrigens hat auch ein Richter am Landgericht Ingolstadt in einem ähnlichen Verfahren gegen Audi dieselbe Rechtsauffassung vertreten.

Kürzlich erst hatte das Landgericht Stuttgart im Fall eines Mercedes E250 CDI angeordnet, Daimler möge detailliert erklären, warum, bei welchen Temperaturen und wie die Abgasregulierung zurückgefahren oder abgeschaltet werde und wie sich das auf Stickoxidemissionen auswirke. Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG am 17.01.2019 in gleich drei wegweisenden Entscheidungen (23 O 172/18, 23 O 178/18 und 23 O 180/18) zum Schadenersatz verurteilt. Nach Ansicht des Landgerichts ist – auch unabhängig von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt – eine Abschalteinrichtung unzulässig, wenn die Abgasrückführung und /oder die Abgasreinigung durch Harnstoff bei niedrigen Temperaturen von ca. unter 7° Celsius erheblich (über 45 %) reduziert wird (sog. „Thermofenster“). Zwar habe Daimler eingewandt, dass die Abschalteinrichtung ab einer bestimmten – in Deutschland nicht unüblichen Außentemperatur – zum Motorschutz notwendig sei, um Schäden durch Ablagerungen (sog. „Versottung“) zu vermeiden. Die Daimler AG habe aber die Gründe für eine Abschalteinrichtung zum Motorschutz nicht hinreichend erklären können. Da aus Sicht des Landgerichts nicht ersichtlich ist, dass es Gründe – außer Kostengründe – dafür gebe, das Problem der Versottung mit anderen technischen Lösungen zu beheben, war die Verurteilung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung die logische Konsequenz.
Wenn also eine Software eine Außentemperatur erkennt, die bei normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten ist, und die Abgasrückführung trotzdem erheblich reduziert wird, liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung mit entsprechender Schadenersatzpflicht des Herstellers vor.

Das Gericht wertet die oben beschriebenen sogenannten “Thermofenster” zu Recht als illegale Abschalteinrichtung. Es kann nicht sein, dass die Abgasrückführung und/oder die Abgasreinigung durch Harnstoff (wie Adblue) nur dann vollständig funktioniert, wenn das Fahrzeug in einem Labor unter „paradiesischen“ Umweltbedingungen von 23 °C getestet wird. Führt man sich vor Augen, dass in Deutschland die durchschnittliche Außentemperatur bei 8,5 °C liegt, dürften alle Mercedes-Modelle deutlich schmutziger sein als auf dem Papier angegeben. Dies mit Kostengründen zu rechtfertigen, kann nicht richtig sein, so Rechtsanwälte, die mit Dieselgate befasst sind. Sie halten die  Argumentation mit Blick auf die erheblichen Preise für die Fahrzeuge und dem berechtigten Qualitätsanspruch des Autobauers für angreifbar. In den Fällen, in denen das Kraftfahrbundesamt den Rückruf angeordnet hat, dürfte im Übrigen schon die Beschreibung der illegalen Abschalteinrichtung für eine Verurteilung reichen. Auch in den übrigen Fällen sollten betroffene Fahrzeugbesitzer ihre Ansprüche durch einen im Abgasskandal spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen. Quelle: OLG und LG Stuttgart / DMM