Rasanter Anstieg der Beschwerden von Flug- und Bahnkunden

Von Januar bis März 2020 sank die Zahl der Schlichtungsanträge gegenüber dem Vorjahr um mehr als 30 %, so die söp, eine von der Bundesregierung nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle. Nicht zu erwarten war hingegen „Covid-19“, das Virus, das seit März auch auf die söp großen Einfluss ausübt (u.a. durch die zu schaffende Notwendigkeit, dem gesamten söp-Team die Arbeit im Home Office zu ermöglichen oder die pausenlos eingehenden telefonischen Anfragen von Verbrauchern, was sie denn jetzt tun sollten).

Corona ist zudem für einen erheblichen Fallanstieg im 1. Halbjahr 2020 verantwortlich: Angesichts der durch die Pandemie bedingten Flugannullierungen und den somit von den Airlines an die Kunden rückzuerstattenden Kosten des Flugtickets, hatte die Bundesregierung als Beitrag zur Liquiditätssicherung der Flugunternehmen statt einer Geldzahlung eine Gutscheinlösung präferiert. Dieser Plan scheiterte jedoch: Am 18. März verlautbarte die EU-Kommission, dass die Fluggastrechte-Verordnung unverändert anzuwenden sei und Verbraucher daher weiterhin für die Erstattung ihrer Ticketkosten zwischen einer Geldzahlung und einem Gutschein wählen können. In Folge der - lange unklaren „politisch-rechtlichen“ Lage, ob eine Gutscheinlösung anstelle einer Geldzahlung möglich ist, der Vielzahl zu erstattender Tickets sowie der zeitgleich in Kurzarbeit befindlichen bzw. im Home-Office arbeitenden Mitarbeiter der Fluggesellschaften (was eine schnelle Bearbeitung der Kundenwünsche/-beschwerden zusätzlich erschwert) ergaben und ergeben sich zwischen Verbraucher und Fluggesellschaften viele Streitigkeiten: Etwa wenn den Flugpassagiere ausschließlich ein Gutschein angeboten wird oder die Erstattung der Ticketkosten zwar in Aussicht gestellt, die Überweisung des Geldbetrages aber erst für einen wesentlich späteren Zeitpunkt angekündigt wird. Zudem stehen Rechtsstreitigkeiten im Raum, ob aufgrund der Pandemie tatsächlich alle Flugannullierungen als außergewöhnlicher Umstand zu werten sind, so dass keine Aus-gleichszahlung zu leisten ist.

Auch viele Bahnkunden sind verärgert. Nach anfänglich weitreichender Kulanz von Seiten der Deutschen Bahn befristete diese ab 04. Mai 2020 die Gültigkeit von Gutscheinen als Erstattung für nicht nutzbare Sparpreis- und Super Sparpreis-Tickets auf den 31. Oktober 2020. Die gebuchte Relation kann dabei aber nicht verändert werden, so dass bei Wegfall des eigentlichen Reisezwecks für den Verbraucher eine Verschiebung der Reise auf einen späteren Termin keinen Sinn macht. Konsequenz der Streitigkeiten: Vom 01. Januar bis 30. Juni 2020 gehen bei der söp 14.647 Schlichtungsanträge ein, was einem Anstieg um 23 % gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres mit insgesamt 11.899 Schlichtungsanträgen entspricht.

Besonders deutlich werden die Folgen der Corona-Pandemie für die Verkehrsunternehmen und ihren Kunden im Vergleich der wöchentlich bei der söp eingehenden Schlichtungsanträge:  Im „Flug-Chaos-Sommer 2018“ gab es lediglich einmal ein Fallaufkommen (knapp) über 1.000.  In Folge von Corona war dies im 1. Halbjahr bereits dreimal der Fall und es zeichnet sich ab, dass auch noch die folgenden Wochen einen  Eingang über 1.000 Schlichtungsanträge aufweisen.

Fallentwicklung nach Verkehrsart: Der Bereich Flug hat mit rd. 81 % weiterhin den höchsten Anteil am gesamten Schlichtungsaufkommen. Im Vergleich des ersten Halbjahres 2020 mit dem des Vorjahres, steigt 2020 die Zahl der Schlichtungsanträge von Flugreisenden um 20 %. Relativ noch stärker ist der Anstieg im Bereich Bahn: Hier liegt Zahl der Schlichtungsanträge im ersten Halbjahr 2020 mit 2.308 weit über dem Falleingang des vergleichbaren Zeitraums 2019 (+61 %).  Beim Fernbus sinkt im ersten Halbjahr 2020 der Falleingang um 37 % auf nunmehr 175 Schlichtungsanträge. Zurückzuführen dürfte der Rückgang auf „Corona“ sein, denn in Folge der Pandemie wurde das Fernbusangebot für mehrere Wochen stark eingeschränkt bzw. komplett eingestellt.  

Ebenfalls hat sich im ersten Halbjahr 2020 die Zahl der Schlichtungsanträge von ÖPNV-Nutzern reduziert. Statt 205 Fälle wie im Vergleichszeitraum 2019 wurden im ersten Halbjahr 2020 lediglich 145 Schlichtungsanträge gestellt (- 29 %). Auch hier dürften die Corona-Pandemie und der in Folge drastische Einbruch bei den beförderten Personen ursächlich sein. Quelle söp / DMM