Reiseveranstalter klagen über „Greta-Effekt“

Die 16-jährige Greta Thunberg hat den Anfang gemacht. Weltweit folgen der jungen Schwedin Hunderttausende Schüler und Studenten und demonstrieren gegen die Haltung der Politik in Sachen Klima. Nach den Klimaprotesten (unterstützt inzwischen auch von mehr als 12.000 Wissenschaftlern), die an Freitagen und teils auch an Samstagen Hunderttausende auf die Straßen locken, haben die großen Reiseveranstalter Sorge, dass sich die Proteste negativ auf das Geschäft auswirken. Denn der Buchungsstau kommt für die Branche zu einem ungünstigen Zeitpunkt, weil die großen Player stark unter Druck sind.

Große Anbieter wie TUI oder DER Touristik klagen über weniger Buchungen für das wichtige Sommergeschäft. Sie beobachten momentan einen Buchungsstau, den sie sich nicht ganz erklären können, sagt z.B. Dieter Zümpel, Chef von DER Touristik Suisse. Bei TUI klingt es ähnlich. Momentan hinken die Umsätze dem Vorjahr zwischen 7 und 10 % hinterher. Die Branche rätselt drüber, ob nebst dem heißen Sommer 2018 auch die Klimadebatte eine Rolle spielt. Immer öfter ist deshalb vom „Greta-Effekt“ zu hören: So manchem Reisebüro scheint klar, dass auch die Klimastreiks von immer mehr jungen Menschen die Buchungslust bremsen.

Indes zeigt die Touristikbranche kaum Engagement gegen den Klimawandel; Jahr für Jahr wird mehr geflogen denn je. Immer mehr Menschen machen sich ein-, zwei-, dreimal oder noch öfter auf Achse, oft genug auf Fernreisen. Und so steht die Tourismusbranche einerseits vor den Herausforderungen des Klimawandels, andererseits trägt sie selbst massiv zu den Treibhausgasemissionen bei. Die Branche trägt weltweit für etwa 6 % der Treibhausgase Verantwortung.

Das Problem, vor dem sich die Branche fürchtet: Wer seinen ungestörten Urlaub nicht mehr gewährleistet sehe, wird sich unter Umständen auch dafür entscheiden, weniger zu reisen oder gar zu Hause zu bleiben - mit allen wirtschaftlichen Folgen. In einer Studie dazu heißt es: "Die unmissverständliche Botschaft (...) ist, dass die Bedeutung des Klimawandels für den Tourismus nicht etwa in weiter oder kaum erreichbarer Zukunft liegt.“

Langsam dämmert vielleicht auch den Reiseveranstaltern, dass ansteigende Meeresspiegel auch Tourismusregionen wie die Malediven, Venedig oder New York-Manhattan bedrohen. Wärmeres Wasser bringt Quallen- und Algenplagen an Mittelmeer-Stränden mit sich, kürzere Winter bedeuten Schneemangel in den Alpen. Der Klimawandel hat Folgen für die Umwelt. Und diese werden auch das Reiseverhalten von Touristen weltweit verändern - mit einschneidenden Auswirkungen auch auf Tourismusorte.

Inzwischen springen mehr als 12.000 Wissenschaftler den demonstrierenden Schülern in einer gemeinsamen Stellungnahme bei. In einem Beitrag des Deutschlandfunks heißt es: „Karen Wiltshire vom Alfred-Wegner-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung weist z.B. darauf hin, dass in den nächsten 50 bis 100 Jahren  über 70 % der Menschen an einer Küste leben werden, weil es im Landesinneren einfach zu warm werden wird. Die Megacitys dieser Welt sind bereits Küstenstädte. Aber auch die Küsten seien durch den Klimawandel gefährdet, obwohl sie für die Ernährung oder die Schifffahrt dringend gebraucht würden. „Aber wie sollen wir denn an den Küsten noch leben, wenn der Meeresspiegel weiterhin um 1 bis 3,7 mm etwa in der Nordsee pro Jahr steigt? Der Meeresspiegel ist seit 1990 im weltweiten Durchschnitt um knapp 20 cm  gestiegen. Ohne Deiche müssten die Menschen jetzt schon weichen.“ 4 % der Deutschen und 40 % der Niederländer wären ohne Deiche bereits jetzt vom Meeresspiegelanstieg direkt betroffen. Niemand könne also behaupten, dass die Erderwärmung keine Auswirkungen habe, betont der Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckard von Hirschhausen. Die Erde habe quasi Fieber, und das könne man gut mit dem menschlichen Körper vergleichen. „Viele denken, ein Grad, zwei Grad, drei Grad, was macht da denn den Unterschied? Als Arzt kann ich Ihnen sagen, es macht einen großen Unterschied, ob Sie 41 Grad Fieber haben oder 43 Grad. Das eine ist mit dem Leben vereinbar, das andere nicht.“ Und was eben nicht mit dem Leben zu vereinbaren sei, werde die Menschheit schnell merken… Menschliches Leben ist aber auch bedroht durch Wassermangel, durch Nahrungsmangel, auf gut Deutsch: Menschen werden verhungern, und es wird Bürgerkriege geben genau um diese knappen Ressourcen. Direkte Hitzetote spielen im Moment weltweit schon eine Rolle. In Deutschland haben wir spätestens seit dem letzten heißen Sommer kapiert, das betrifft nicht nur Eisbären, es geht nicht nur um Bangladesch, es geht auch um uns hier.“

Auf 1,5° C will das Pariser Klimaschutzabkommen die Zunahme der Erderwärmung begrenzen. Das müsse unbedingt eingehalten werden. Die Netto-Treibhausgas-Emissionen müssten dazu spätestens zwischen 2040 und 2050 auf Null reduziert werden. Und wegen der globalen Klimagerechtigkeit solle das in Deutschland und Europa spätestens 2040 erreicht sein, fordert Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung sind dafür nicht ausreichend. Deutschland müsse seine Bemühungen um den Klimaschutz mindestens um den Faktor fünf steigern, und das sei möglich, wenn es politisch gewollt wird, sagt Eckart von Hirschhausen.“

In der Schweiz werden erste Maßnahmen ergriffen: Dort soll es für Schulen und Behörden inzwischen Flugverbote für Strecken unter 1.200 km geben. Quelle: travelnews.ch / Deutschlandfunk / Schweizer Sonntagszeitung / DMM