SBB meldet Erholung - aber negatives Gesamtergebnis 2022

2022 reisten wieder deutlich mehr Personen in den Zügen der SBB, der Stand vor Corona 2019 wurde jedoch noch nicht erreicht. Das Plus an Kunden brachten mehr Erträge, besonders im Fernverkehr. Doch das Jahresergebnis blieb mit minus -245 Mo. CHF 250,39 Mio. Euro) erneut negativ: Grund dafür sind der Verlust bei Infrastruktur Energie und eine Wertberichtigung bei der SBB Cargo AG.

Die Verschuldung nahm weiter zu, die finanzielle Situation bleibt angespannt. Bis 2030 setzt die SBB deshalb Kosten- und Effizienzmaßnahmen von rund 6 Mrd. Schweizer Franken (6,13 Mrd. Euro) um. Dank des großen Einsatzes der Mitarbeitenden war die Kundenzufriedenheit gut, ebenso die Pünktlichkeit, beide mit regionalen Unterschieden. Mittel- und langfristig wird die Bahn wachsen, dank Klimavorteil, Bevölkerungsentwicklung und attraktiven Angeboten.

Im Jubiläumsjahr „175 Jahre Schweizer Bahnen“ kehrten die Kunden nach einem coronabedingt schwierigen ersten Quartal zurück. Täglich waren 1,16 Mio. Passagiere unterwegs: 30,8 % mehr als 2021, aber immer noch 12,5 % weniger als vor der Pandemie 2019. Während unter der Woche nach wie vor ein Homeoffice-Effekt spürbar war, reisten am Wochenende wieder mehr Menschen mit der Bahn. Rekorde gab es bei der Anzahl verkaufter Halbtax-Abonnemente und Interrail-Pässe sowie bei den Fahrrad-Reisenden. Auch der Eventverkehr im Inland hat deutlich zugenommen. Die Schweiz ist nach wie vor Europameisterin im Bahnfahren. 

Der Fernverkehr erzielte 2022 einen Verlust von -47,2 Mio. Franken (Vorjahr: -478,5 Mio. Franken). Zwar erholten sich die Personenverkehrserträge nach einem coronabedingt schwierigen ersten Quartal 2022 spürbar und nahmen um +36,2 % auf 2,494 Mrd. Franken zu. Gleichzeitig stiegen aber die Kosten, u.a. für die Instandhaltung von Fahrzeugen, um den Mehrbedarf an Zugpersonal zu decken sowie um höhere Abschreibungen auf neuem Rollmaterial vorzunehmen.

Das Ergebnis des Regionalverkehrs verbesserte sich auf 10,6 Mio. Franken (2021: -21,3 Mio. Franken), auch wenn keine zusätzlichen Mittel aus dem per Ende 2021 ausgelaufenen Covid-Unterstützungspaket mehr zur Verfügung standen.

Die Zahl der Generalabonnemente (GA) - vergleichbar mit der BahnCard der DB - stieg im Jahresverlauf stetig an. Per Ende Jahr besaßen 430.768 Personen ein GA (+6,0 % gegenüber Vorjahr, jedoch immer noch -13,8 % gegenüber 2019). Die Anzahl an Halbtaxabonnementen stieg mit 2.968.615 Abonnementen auf einen neuen Höchststand (+4,9 % gegenüber Vorjahr, +9,0% gegenüber 2019).

Infrastruktur Netz erzielte 2022 ein negatives Jahresergebnis von -24,2 Mio. Franken (2021: 24,7 Mio. Franken). Belastend wirkten dabei die teuerungsbedingt höheren Aufwendungen für den Unterhalt, die Kosten für den Haushaltstrom aufgrund gestiegener Energiemarktpreise sowie der Eurowechselkurs. Das Jahresergebnis von Infrastruktur Energie brach gegenüber dem Vorjahr um -200 Mio. Franken auf -165 Mio. Franken ein: Gründe waren die Minderproduktion aufgrund der Trockenheit im Sommer, gestiegene Energiemarktpreise sowie Vorsorgemaßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei einer allfälligen Energiemangellage.

Ohne Verlust bei Infrastruktur Energie (-165 Mio. CHF = 168,63 Mio. Euro) und der Wertberichtigung auf den Anlagen der SBB Cargo AG (-83 Mio. CHF) hätte die SBB eine schwarze Null erreicht. Die Wertberichtigung war aufgrund der gedämpften wirtschaftlichen Aussichten sowie der unsicheren künftigen finanziellen Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs notwendig. Der Krieg in der Ukraine führte zu negativen Auswirkungen auf Lieferketten. Dazu kamen gestiegene Energiekosten und inflationsbedingt höhere Preise und Zinsen. Die SBB musste mehr Strom am Markt kaufen, da es im Sommer sehr wenig geregnet hat. Dies, um ihre Stauseen angesichts einer möglichen Energiemangellage im Frühjahr 2023 zu schonen.

Auf Kurs. Eine finanziell gesunde SBB benötigt einen Gewinn von mehreren hundert Mio. Franken – nur so können die Schulden abgebaut werden. Letztere sind 2022 um 2,5 % auf über 11 Mrd. Franken gestiegen (+27,7 % gegenüber 2019). Für 2023 wirkt die gesetzlich bedingte Erhöhung des Bahnstrompreises durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) teilweise entlastend. Das mit dem Bund überarbeitete Stabilisierungspaket ermöglicht es der SBB, ihre Finanzierung bis 2030 nachhaltig zu sichern und Schulden abzubauen. In den nächsten Jahren werden die Digitalisierungsprogramme dazu beitragen, die Produktivität und Effizienz weiter zu steigern.

Pünktlich und zuverlässig. Der Betrieb lief 2022 stabil, die SBB konnte die Zuverlässigkeit der Flotte dank Investitionen weiter steigern. Dies und die integrierte Planung von Baustellen und Bahnbetrieb haben zur insgesamt guten Pünktlichkeit beigetragen. Wie Ende Januar kommuniziert, sind die teilweise tiefen Werte im Tessin und der Westschweiz sowie im internationalen Personenverkehr nicht zufriedenstellend. 
Das Schweizer Schienennetz ist und bleibt eine Baustelle. Für weiterhin pünktliche Züge braucht es mehr Fahrzeitreserven im Fahrplan ab 2025, speziell in der Westschweiz. In Absprache mit dem BAV und den Kantonen erarbeitet die SBB hier Lösungen. Nur teilweise auf Kurs ist der Umbau des Bahnhofes Lausanne. 

Anspruchsvoll ist auch die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes. Die SBB wird das Ziel aufgrund hoher Anforderungen und aufwändiger Arbeiten nicht erreichen, bis Ende 2023 alle Bahnhöfe barrierefrei umzubauen. Ab 2024 können drei Viertel aller Reisenden barrierefrei reisen; wo dies nicht möglich ist, wird die SBB Ersatzlösungen zur Verfügung stellen.

Zufriedene Kunden und Mitarbeitende. Zwar sind die Zufriedenheitswerte der Reisenden infolge der volleren Züge leicht gesunken. Sie sind aber mit 80,5 von 100 Punkten immer noch auf einem guten Niveau. Einen wesentlichen Beitrag für die hohen Werte leisten die Mitarbeitenden. Auch diese sind mehrheitlich zufrieden: Die Ergebnisse der Personalumfrage waren erfreulich. Die hohen Werte der Vorjahre wurden bestätigt oder sind gestiegen. So lag die Personalmotivation wiederum bei 78 von 100 Punkten. Die Rekrutierung und Ausbildung neuer Mitarbeitender genießt weiterhin hohe Priorität, auch angesichts des Fachkräftemangels. Entspannt hat sich die Situation beim Lokpersonal, nur noch in Genf gab es 2022 teilweise Engpässe.

Bahnfahren ist klimafreundlich und hat Zukunft. Die SBB halbiert bis 2030 ihre CO2-Emissionen. Als klimafreundlichstes Massentransportmittel trägt die SBB maßgeblich zum Erreichen der Klimaziele des Bundes bei. Auf Basis der Strategie 2030 entwickelt die SBB ihr Angebot und ihre Services weiter: Sie plant mehr Direktverbindungen in die Schweizer Tourismusregionen und schafft mehr Fahrradplätze. Wo möglich und abhängig vom neuen CO2-Gesetz bietet sie mehr Tages- und Nachtzüge im internationalen Verkehr an. Die SBB entwickelt mit der öV-Branche das Jugendsortiment sowie neue Aboformen weiter und verbessert das internationale Ticketing.

Mit Blick auf den Zeithorizont ab 2050 will die SBB das Bahnsystem weiterentwickeln und stärker auf die Raumplanung und andere Verkehrsträger abstimmen. Dies, damit auf dem bestehenden Netz mehr Züge fahren können. So bleibt die Bahn attraktiv und verbindet als Rückgrat der Mobilität auch in Zukunft Menschen und Orte, Städte, Agglomerationen und ländliche Regionen. Quelle: SBB / DMM