Schattenseiten des Kreuzfahrttourismus

Der Kreuzfahrttourismus boomt. Immer mehr Menschen leisten sich Reisen mit den Ozeanriesen für vergleichsweise wenig Geld. Woran die wenigsten dabei denken: Bei den Billigtarifen muss jemand die Zeche zahlen: Das sind die Schwächsten, die niederen Angestellten, die häufig aus Dritte-Welt-Ländern rekrutiert werden und auf den Schiffen monatelang „Sklavenarbeit“ verrichten müssen, unter Bedingungen, die nach deutschem Arbeitsrecht verboten wären. Und es gibt noch viele andere Missstände.

In einem Spiegel-Interview macht der Nautiker mit Kapitänspatent und Journalist Wolfgang Gregor (65) auf die Missstände der Branche aufmerksam. Und er hält Kreuzfahrten gesellschaftlich für nicht mehr vertretbar Dabei spricht er nicht nur die Umstände an, wonach Teile der Besatzung weniger als einen US-Dollar pro Stunde verdienen würden. Es geht auch um das Thema Sicherheit an Bord und die Besteuerung des Betriebs von Ozeanriesen.

Weniger Sicherheit. So besteht die Gefahr, dass Kreuzfahrtschiffe künftig ohne Rettungsboote auslaufen werden. Stattdessen sollen kleine aufblasbare Inseln, die nach Meinung des Experten die Sicherheit von Passagieren und Besatzungen eher gefährden denn verbessern, an Bord genommen werden. U.a. soll die Meyer-Werft bereits Kreuzfahrtschiffe ohne Rettungsboote planen. Vorteil für den Besteller: Je weniger Rettungsboote ein Schiff mitführt, desto mehr teure Balkonkabinen können verkauft werden.

Kriminaldelikte, die auch an Bord eines Schiffs vorkommen können, sind ein weiteres Problem: Denn das Sicherheitspersonal hat keine hoheitlichen Befugnisse und würde im Zweifelsfall immer zugunsten des Arbeitgebers entscheiden und handeln. Das bedeutet Vermeidung von negativer Presse zum Schutz des Images der Reederei. Letzteres spielt nach Ansichts Gregor auch eine Rolle bei Meldungen wie „Mann über Bord“, was i.d.R. von den Reedereien als Suizid ausgelegt wird. Das ist laut Gregor die einfachste Lösung, um das Verschwinden eines Menschen zu erklären, ohne dass von Behörden oder Medien später unangenehme Nachfragen kommen.

Steuern zahlen, was ist das? Dass die Kreuzfahrtindustrie nicht regulierbar ist hängt u.a. damit zusammen, dass die Reedereien ihre Schiffe häufig in Ländern wie den Bahamas, Panama oder Malta registrieren. Und wie andere global agierende Unternehmen nutzen die Kreuzfahrtkonzerne die Möglichkeiten zu Steuervermeidung. Städte mit Kreuzfahrtterminals haben i.d.R. von den Erträgen, die die dort festmachenden Schiffe erwirtschaften, wenig. Auch der deutsche Staat fordert wie bei den globalen Internetgiganten keine Steuern ein, wo Umsatz und Gewinn anfallen. Was zu tun wäre: so zitiert der Spiegel Wolfgang Gregor: Abgaben und Gebühren müssten in deutschen Häfen drastisch erhöht werden. Stattdessen überschlägt sich Berlin mit Subventionen, ohne einen fairen Anteil vom Kuchen zu bekommen. Auch in Sachen Umwelt- und Klimaschutz müsste die Politik den Reedereien verpflichtende Vorgaben machen: Dazu gehören auch die Nutzung von Landstrom oder neue Antriebstechnologien. Indes wird der Wille hin zu verantwortungsvollen Veränderungen aus den Konzernetagen nicht kommen.

Das ganze Interview: https://www.spiegel.de/reise/europa/kreuzfahrten-experte-wolfgang-gregor-uebt-kritik-an-reedereien-a-1281400.html / Quelle: Spiegel / DMM