Seltsam belehrender Brief eines Automobilclub-Präsidenten

Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs "Mobil in Deutschland", hat offensichtlich Probleme mit einer zukunftgerichteten Mobilität. In einem offenen Brief an den Münchner Oberbürgermeister warnt er das Stadtoberhaupt Dieter Reiter eindringlich davor, „die Mobilität in München zu vernichten“. Konkret geht es Haberland darum, dass Reiter der modernen und umweltfreundlicheren Mobilität in Gestalt der Fahrrads mehr Platz eingeräumt werden soll.

Die Fahrrad-Pläne der Stadt sehen vor tausende Parkplätze ersatzlos zu streichen, ganze Autofahrspuren wegzunehmen und somit den Platz für das Auto konsequent zu mindern, um das Fahrrad vorrangig zu behandeln. Dieses Konzept fahren weltweit immer mehr Metropolen; denn auch sie ersticken im Individualverkehr, vornehmlich den Massen an Automobilen, gar nicht zu reden von den für gesundheitsgefährdenden Abgasen. Haberland, der einen Verein vertritt, der sich für die Interessen der Autofahrer und mobilen Menschen stark macht, versteigt sich sogar zur Behauptung, die bayerische Landeshauptstadt wurde mit der Ausweitung des umweltfreundlichen Fahrradverkehrs die autofeindlichste Stadt der Republik. Stau würde dauerhaft zum täglichen Begleiter aller Autofahrer in München werden.

Fakt ist: München explodiert gemessen an der Zahl der Einwohner und am Verkehrsaufkommen. Die Stadt hatte 2017 über 700.000 zugelassene Pkw. Täglich strömen mehrere hunderttausend Pkw in die Stadt, verstopfen sie bis zum Gehtnichtmehr und sorgen für chaotische Zustände. Tendenz weiterhin stark steigend. Auf den Zufahrtsrouten, den Autobahnen A8, A9, A96, A95 und Bundesstraßen geht jeden Morgen und Abend schon viele Kilometer vor der eigentlichen City so gut wie nichts mehr, die Arbeitnehmer verplempern viele Stunden sinnlos im Stau und verpesten die Luft obendrein. Grund: Noch nutzen zu wenige Menschen den an sich ordentlich ausgebauten ÖPNV mit S-, U- und Straßenbahnen sowie Bussen nicht in dem Maße, wie es sein sollte.

Legt man die Fahrleistung jedes in München zugelassenen Autos zugrunde, ergibt das eine Gesamtfahrleistung von 7 Mrd. km pro Jahr. Hinzu kommen rund 400.000 Autopendler pro Tag nach und von München. In Summe also 9 Mrd. Personenkilometer Fahrleistung im Jahr in München alleine für den Autoverkehr. Im Vergleich: Der ÖPNV lag 2017 bei 7,3 Mrd. Personenkilometern pro Jahr.

Dennoch wird in der Verkehrspolitik der Stadt bevorzugt die Förderung des Radverkehrs vorangetrieben, kritisiert Haberland. 160.000 Radfahrer, ca. 10 % der Münchner Bevölkerung, hätten etwas unterschrieben, was für die anderen 90 % der Münchner die Mobilität zerstört. Dabei macht der Verkehrsträger Fahrrad über die tatsächlich zurückgelegten Personenkilometer nur knapp 3 % am Gesamtverkehrsanteil aus. Das ist für den Verkehrsfluss 24/365, das heißt über 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr aus Sicht von Umweltgegners und Leugnern des Klimawandels irrelevant. Das Fahrrad ist ein saisonales Verkehrsmittel und spielt verkehrlich in München fast keine Rolle. Das klingt hart, ist aber Fakt nach der verqueren Les- und Denkart des Präsidenten des Automobilclubs Mobil in Deutschland.  

Wenn die Pläne so umgesetzt werden, ist das nach Meinung des die Vernichtung der Mobilität in München. Und es würden Unternehmen und Existenzen an viel befahrenen Straßen gefährdet. Laut Tomtom Trafic Index weist München einen traurigen Trend auf: Der Automobilverkehr in der Landeshauptstadt wird jedes Jahr um 1 % langsamer. München verstaut zunehmend. Abgase, Feinstaub und Lärm nehmen unaufhörlich zu und damit auch die Zeit, die man stehend mit dem Auto verbringen muss. Allem Übel zum Trotz fordert Haberland: Wer das Auto nutzen möchte oder darauf angewiesen ist, soll dies auch in Zukunft tun dürfen. Und das bitte, ohne dass Verkehrsteilnehmer gegeneinander aufgehetzt werden und man sich am Ende für die Nutzung des Automobils rechtfertigen muss. Wer so etwas anstrebt, der hat sich von einer friedlichen Gesellschaft des Miteinanders verabschiede, heißt es im Schreiben des Präsidenten weiter. Ein paar Zeilen vorher ist die Rede vom reinen Aktionismus und Wiederwahlstrategie.

Das urbane Verkehrsmittel der Zukunft ist längst da. In einem Beitrag der Süddeztschen Zeitung heißt es dazu: „Es ist nicht das Elektroauto, kein Hybrid-Fahrzeug und auch nicht der öffentliche Nahverkehr. Wir kennen es seit 200 Jahren und jeder war damit schon einmal unterwegs: das Fahrrad. Den Beweis dafür liefert jeden Tag die Rushhour in z.B. in München. Im Februar zeigte eine Studie, dass in keiner anderen Stadt Autofahrer so viel Zeit im Stau verbringen wie in der bayerischen Landeshauptstadt. 51 Stunden im Jahr. Für Münchner Autofahrer fühlt es sich nach mehr an. Hier lässt sich jeden Werktag zwischen 7.30 Uhr 9 Uhr morgens ein kurioses Schauspiel beobachten: Fahrzeugkolonnen schleichen von einer Ampel zur nächsten. Bei jeder Grünphase beschleunigen die Autofahrer und überholen dabei ein paar Radler - um dann im dichten Verkehr vor der nächsten roten Ampel aufzulaufen und im Gegenzug von diesen überholt zu werden. Wer in diesen Momenten nicht kapiert, dass er mit einem Fahrrad genauso schnell, vermutlich sogar schneller unterwegs sein könnte, dem ist wirklich nicht zu helfen.“

Das ist auch der Grund, weshalb Münchens OB umzusteuern versucht. Fahrradfahrer sollen mehr in den Fokus der Verkehrsplanung gelangen. Laut Berechnung des Bundesumweltamts spart jeder Berufspendler, der täglich 5 km zur Arbeit hin und 5 km zurück fährt, pro Jahr 350 kg CO₂-Emissionen ein, wenn er auf das Auto verzichtet. Hochgerechnet auf Deutschland könnte eine Stärkung des Radverkehrs so bis zu 8 % CO₂-Abgase einsparen.

Städte wie Kopenhagen und Amsterdam, Münster und Erlangen, zeigen, dass das funktioniert, wenn die richtigen Anreize geboten werden. Der Anteil der Radler am Verkehr beträgt in der dänischen Hauptstadt 30 %, in Amsterdam 33 %. In Berlin sind es 15 %, in München lächerliche 3 %. Genau aus diesem Grund fordern Interessenverbände wie der ADFC seit Jahren mehr Investitionen in die Fahrradinfrastruktur. Dass die automobile Mobilität (Pkw und Lkw) ganz entscheiden zu den katastrophalen Entwicklungen des Klimas beiträgt, dazu ist eine Silbe im Schreiben des Präsidenten zu lesen.  Stattdessen der Hinweis (wohl an den Adressaten OB Reiter), erst denken, dann reden und handeln und ein Konzept für alle Münchner schaffen und nicht für ein paar Schönwetter-Radfahrer. Quelle: Mobil in Deutschland / SZ / DMM