Sicher fliegen mit nur noch einem Piloten im Cockpit

Hand aufs Herz: Hätten Sie auf Ihrem Geschäftsreiseflug nicht ein etwas mulmiges Gefühl, wenn Sie wüssten, dass vorne im Cockpit nur noch ein einziger Pilot sitzt, weil der Co aus Kostengründen eingespart worden ist? Das könnte zumindest in der Passagierluftfahrt in absehbarer Zeit wahr und eine Sicherheitsbedrohung werden.

Noch sitzen in allen Verkehrsflugzeugen zwei Piloten im Cockpit. Doch immer mehr Airlines und auch die Flugzeugbauer wollen die Cockpitbesatzungen auf 1 Person reduzieren. Foto: Airbus

Der rechte Sitz bleibt leer: Wenn es nach der europäischen Luftfahrtbehörde EASA geht, soll dieses Szenario in Zukunft möglich sein. Die EASA prüft, ob künftig ein Pilot im Cockpit genug sein könnte. Das Arbeitspapier umfasst gerade einmal zwei Seiten, doch sein Inhalt ist hochbrisant: Die Unterzeichner, neben der EASA auch die EU-Staaten und Eurocontrol, fordern von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, dass die Voraussetzungen geschaffen werden "für eine sichere und weltweit harmonisierte Einführung des kommerziellen Luftverkehrs (CAT) mit großen Flugzeugen mit optimierter Besatzung/einem Piloten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines gleichwertigen oder höheren Sicherheitsniveaus im Vergleich zum derzeitigen Betrieb". 

Der technologische Fortschritt hat die Luftfahrt in den vergangenen Jahrzehnten immer sicherer gemacht. Obwohl die Anzahl der kommerziellen Flüge seit den 1960er-Jahren auf das Vierzigfache gestiegen ist, sank die Zahl der tödlichen Unfälle massiv – von über 8 auf zuletzt 0,2 Unfälle pro 1 Mio. Flüge, wie Zahlen von Airbus und der Weltluftfahrtorganisation IATA zeigen.

Airbus, Boeing & Co. sowie die Fluggesellschaften wollen diese technologische Entwicklung weiter vorantreiben. 2021 z.B. sagte Airbus-Chef Guillaume Faury, wir glauben, dass mehr Automatisierung mehr Sicherheit bringt. Von einer künftigen Ein-Mann/Frau-Besatzung oder gleich vollständig automatisierten Passagierflügen ohne Piloten halten die Pilotenverbände in der ganzen Welt überhaupt nichts. Sie bilden eine Koalition gegen "Reduced Crew Operations". Aus Europa ist der Dachverband European Cockpit Association (ECA) dabei, in dem die Vereinigung Cockpit (VC) eine maßgebliche Rolle spielt. Die Koalition setzt sich gegen Pläne von Fluggesellschaften und Herstellern ein, die aus Kostengründen Piloten im Cockpit einsparen wollen. 

Die VC setzt sich aus Sicherheitsgründen seit Jahren für die Beibehaltung einer Mindest-Cockpitbesatzung von zwei Personen ein und schließt sich der von IFALPA, ECA und ALPA gegründeten Koalition an. VC-Präsident Stefan Herth: "Wir Pilotinnen und Piloten kämpfen dafür, dass das Fliegen sicher bleibt! Beim ECA Presidents' Meeting am 23. und 24. März haben wir "Reduced Crew Operations" für unsere Verbände gemeinsam zu einem Top-Thema erklärt. Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass immer mindestens zwei gut ausgebildete und erfahrene Piloten im Cockpit ihren Dienst tun. Nur so können wir das extrem hohe Level an Flugsicherheit aufrecht erhalten. Für uns gilt immer "Safety First"! Kommerzielle Interessen müssen bei Sicherheitsfragen hintenanstehen. Deshalb schließen wir uns unseren Dachverbänden vollumfänglich an!"

Wie DMM mehrfach berichtete, betreiben einige Airlines und Flugzeughersteller mittlerweile eine aggressiv geführte Lobbykampagne, die auf Regulierungsbehörden in der ganzen Welt abzielt. Die Europäische Luftfahrtbehörde EASA hat sich bereits offen gegenüber Vorschlägen zur Reduzierung von Cockpit-Besatzungen gezeigt.  

Trotz technologischer Entwicklungen im Bereich der Automatisierung bleiben aus Sicht der weltweiten Pilotenverbände zwei Piloten im Cockpit die wichtigsten Sicherheitsmerkmale beim Fliegen. Flugzeuge, deren einzelnen Systeme, die Vorschriften und Standards, die für den Flug gelten und die Verfahren, die die Piloten befolgen sind für ein mindestens zwei Personen umfassendes Team im Cockpit konzipiert. Abweichungen von dieser Logik führen zwangsläufig zu einem Verlust von Sicherheitspuffern. Piloten eliminieren Systemausfallszenarien und fungieren als kritischer Ersatz für ausgefallene Systeme an Bord, überbrücken technologische Lücken und passen sich in Echtzeit und in der realen Umgebung an unvorhergesehene Situationen und Notfälle an. Technologie, egal wie hoch entwickelt, ist kein Ersatz für Piloten im Cockpit. Quelle: VC / EASA / DMM