Siemens plant Nachfolger der legendären Do X

So etwas gab es schon mal in Deutschland vor über 90 Jahren, die Russen haben es auch und nun meldet der Technologiekonzern Siemens, zusammen mit der texanischen Entwicklungsplattform REGENT (Plano, Texas) an der Entwicklung eines Flugboots zu arbeiten. Das Bodeneffektgerät, wie es Siemens nennt, hört auf die Bezeichnung "Seaglider Viceroy". Das Flugboot soll ein 300 km/h schnelles Küstenfahrzeug mit Elektroantrieb werden, das zwölf Passagiere dicht über Wasseroberflächem lokal emissionsfrei transportieren kann. Das E-Flugschiff könnte vielleicht ein interessantes Transportmittel auch für Geschäftsreisende werden, z.B. entlang der US-Ost- oder Westküste.

Der Siemens Seaglider basiert auf dem Vorbild Do X, ein Flugboot, das vor 90 Jahren eine Revolution der Mobilität versprach. Ob der Nachfolger erfolgreich werden wird, steht in den Sternen. Rendering: Siemens

Die Ähnlichkeiten der Siemens-Idee mit dem Seaglider Viceroy und der legendären Do X aus dem Jahr 1929 sind klar erkennbar. Nur war die Do X um ein Vielfaches größer und konnte auch über die Weltmeere gleiten. Foto: Wikimedia

Die Idee basiert vermutlich auf dem einstigen Verkehrsflugschiff Do X, das nach dem Ersten Weltkrieg von den deutschen Dornier-Werken konstruiert und 1929 gebaut wurde. Es wurde von der AG für Dornier-Flugzeuge, einer von der Weimarer Republik/Deutsches Reich gegründeten Kapitalgesellschaft, finanziert. Zu seiner Zeit war es das bei weitem größte Luft-Wasser-Fahrzeug der Welt. Der Einsatz wurde aufgrund noch vorhandener diverser sicherheitsrelevanter Probleme und wegen noch ungenügender Wirtschaftlichkeit, aber auch wegen mangelnder militärischer Eignung von den Nationalsozialisten 1933 eingestellt. Es wurden noch zwei Flugzeuge für den Export nach Italien gebaut. Das geplante Nachfolgebaumuster Dornier Do 20 wurde wegen des Beginns des Zweiten Weltkrieges nicht verwirklicht. Mehr zur Historie des Vorbilds weiter unten. 

Gleiten wie auf einem Luftkissen. Der lokal emissionsfreie Seaglider Viceroy ("Vize-König") soll einen elektrischen Batterieantrieb haben, der acht Elektromotoren mit Propellern speist. Das Hochgeschwindigkeitsluftschiff soll sich im sogenannten Bodeneffekt, einem Luftkissen, das sich bei schneller Fahrt etwa bis zur Höhe der halben Spannweite bildet, ausschließlich weniger Meter über der Wasseroberfläche bewegen.

Anders als ein Flugzeug kann ein Bodeneffektgerät auch nicht frei fliegen, sondern ist von einer nahen Bodenfläche abhängig, die aber auch aus flachem Eis, Schnee oder glattem Sand oder etwa einem Salzsee bestehen kann. Teilweise können Bodeneffektgeräte mit Anlauf über einzelne Hindernisse hinweg "springen".

Vorteil der Bodeneffektgeräte ist ihr wesentlich niedrigerer Energiebedarf, als ihn ein vergleichbar großes Flugzeug hätte. Rechtlich sind Bodeneffektgeräte "Wasserfahrzeuge", was Zulassung und Betrieb wesentlich vereinfacht und verbilligt.

Schneller Transport entlang von Küsten. Siemens will mit dem Seaglider Viceroy den Zeit- und Kostenaufwand für die Beförderung von Menschen und Gütern zwischen Küstenstädten drastisch reduzieren. Das Fahrzeug kann sich auf drei Arten bewegen: Langsam schwimmend im Hafen, mit etwa 75 km/h, noch mit Wasserkontakt in der Hafenausfahrt und mit bis zu 300 km/h "fliegend", jedenfalls ohne Wasserberührung, im Bodeneffekt.

Siemens will die hohe Geschwindigkeit und den Komfort eines Flugzeugs mit den niedrigen Betriebskosten eines Elektrofahrzeugs kombinieren. Der Seaglider unterscheide sich von bisherigen Bodeneffektgeräten durch seine anderen Tragflächen, den Elektroantrieb mit verteilter Leistung und die elektronische Steuerung, wie sie auch in der Luft- und Raumfahrt genutzt werde.

Diese Elemente ermöglichten einen sicheren Hafenbetrieb, eine höhere Wellentoleranz und ein komfortables Passagiererlebnis. Bis zu zwölf Passagiere passen in die Kabine. Mit heutigen Batterien schafft der Seaglider Viceroy Reichweiten bis zu 330 km. Die nächste Batteriegeneration soll dann bereits 1.000 km Reichweite ermöglichen. 

Historie des Vorbilds Do X. Am 12. Juli 1929 fand in Altenrhein am Bodensee der Erstflug des Flugschiffes statt. Zuerst nur als Rollübung zum Testen des Manövrierverhaltens geplant, kam es zu den ersten Metern freien Fluges, nachdem Chefeinflieger Richard Wagner – wohl aus Neugier – beim Gleiten unter Vollgas ein wenig zu stark am Steuer gezogen hatte. Doch die Fachwelt blieb skeptisch. Claude Dornier entschloss sich daher zu einem spektakulären Demonstrationsflug. Am 21. Oktober 1929 unternahm die Do X mit zehn Besatzungsmitgliedern und 159 Passagieren (Werksangehörige und deren Familien) einen Rundflug von 53 Minuten Dauer über den Bodensee, obwohl die Maschine noch keine Zulassung für den Passagierflug hatte. Die Zahl der Passagiere stellte einen Rekord dar, der erst 20 Jahre später mit dem Erscheinen der Lockheed Constellation gebrochen wurde (168 Passagiere und 11 Besatzungsmitglieder).

Erst im Oktober 1930 wurde das Flugzeug von der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt abgenommen und bekam das Luftfahrzeugkennzeichen D-1929. 

Motorenwahl. Das stärkste zu jener Zeit verfügbare Triebwerk aus deutscher Produktion war der Siemens Jupiter, ein Lizenzbau des britischen Bristol Jupiter mit 385 kW(525 PS). Den Anforderungen des Dauerbetriebes in der Do X genügten die Motoren nicht. Die luftgekühlten Triebwerke neigten bei längerer Laufzeit zu Leistungsverlusten. Höhere Dauerdrehzahlen als Ausgleich waren wegen drohender Überhitzung nicht möglich. Das Problem konnte erst durch einen Tausch der Triebwerke gegen die amerikanischen Curtiss-Conqueror-Motoren mit Wasserkühlung und 470 kW (640 PS) Leistung endgültig gelöst werden. 
Um die Do X erfolgreich zu vermarkten, entschloss sich Dornier zu einem weltumspannenden Repräsentationsflug, bei dem er der Weltöffentlichkeit den Komfort und die Sicherheit seiner Maschine unter Beweis stellen wollte. Die luxuriöse Innenausstattung des Flugschiffes dokumentieren heute Schwarz-Weiß-Fotos und die farbigen Illustrationen des Marinemalers Claus Bergen. 

Der Start des Repräsentationsfluges war am 05. November 1930. Als erstes Ziel der Reise wurde Amsterdam ausgewählt, es folgten England, Frankreich und Portugal. Weiter ging die Reise nach Gran Canaria (31. Januar 1931), entlang der westafrikanischen Küste bis nach Portugiesisch-Guinea, um den Atlantik dort an seiner schmalsten Stelle zu überqueren, dann nach Rio de Janeiro (20. Juni 1931), darauf der südamerikanischen Küste folgend in die Karibik und schließlich am 22. August 1931 bei Miami in die USA. Am 27. August 1931 erreichte das Flugschiff New York City, wo es mit großem Jubel empfangen wurde und die Besatzung eine Audienz im Weißen Haus beim Präsidenten Herbert Hoover erhielt. Nach der Überwinterung der Maschine auf dem Glenn Curtiss Airfield bis zum April 1932 wurde ihr ein ähnlicher Empfang anschließend am 24. Mai 1932 in Berlin zuteil, wo sie auf dem Müggelsee landete und nahe dem Ausflugslokal Rübezahl ankerte.

Während des anschließenden Deutschlandfluges, der ab dem 23. Juni 1932 in Stettin begann, besichtigten über eine Million Menschen die für ihren „zweijährigen Weltflug“ berühmte Do X. Seinen Abschluss fand der fünfmonatige Deutschlandflug am 2. November 1932 auf dem Zürichsee. Am 14. November 1932 kehrte die Maschine zu ihrer „Geburtsstätte“ in Altenrhein zurück.
Die Do X (D-1929) wurde 1933 in Travemünde demontiert, nach Berlin verschifft und dort schließlich in der Deutschen Luftfahrtsammlung Berlin auf dem ULAP-Gelände am Lehrter Bahnhof, einem Vorläufer des Deutschen Technikmuseums Berlin, ausgestellt. Bei einem Bombenangriff im November 1943 wurde sie im Zweiten Weltkrieg beschädigt, unmittelbar nach dem Krieg dann durch Metallhändler und Sammler weitgehend zerstört. Heute sind im Deutschen Technikmuseum Berlin nur noch einige wenige Metallstücke zu sehen. Quelle: Siemens / wikipedia / DMM