Test des automatischen Zugbetriebs in Deutschland

Als Geschäftsreisender in einem Zug ohne Lokführer – diese Vorstellung liegt gar nicht so fern. In U-Bahnen gibt es so etwas schon, z.B. in Nürnberg, wo man mit der U3 vom Hauptbahnhof zum Flughafen zu 100 % automatisiert unterwegs ist. Nun sollen als Weltneuheit in Deutschland zwei automatisierte elektrische Triebzüge von Alstom versuchsweise den Bahnbetrieb aufnehmen.

In Niedersachsen erfolgt der Testeinsatz zweier Triebzüge, die vollautomatisch, also ohne Triebfahrzeugführer, unterwegs sein sollen. Foto: Alstom

Das Bundeswirtschaftsministerium hat Alstom im Zusammenhang mit einem geplanten Testprojekt zur Implementierung des automatischen Zugbetriebs (ATO) im täglichen Fahrgastbetrieb von Regionalzügen mit dem „Innovationspreis Reallabore“ ausgezeichnet. Das Forschungsprojekt startet im Jahr 2021 in Zusammenarbeit mit dem Regionalverband Großraum Braunschweig, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). 

Nach Evaluierung der ausgewählten Streckenabschnitte und der für den automatisierten Betrieb erforderlichen Ausrüstung werden die Tests mit der Metronom Eisenbahngesellschaft, einem niedersächsischen Bahnbetreiber, und zwei Coradia Continental-Regionalzügen der Regionalbahnfahrzeuge Großraum Braunschweig GmbH durchgeführt. Alstom ist seit langem weltweit führend bei ATO für U-Bahnsysteme, aber dieser Test wird eine Weltneuheit für regionale Personenzüge sein.

In Zukunft werden automatisierte Züge den regionalen Bahnbetrieb optimieren, den Energieverbrauch senken und den Fahrkomfort erhöhen. Damit wird das hochautomatisierte Fahren einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten und zur Entwicklung eines modernen, attraktiven Bahnsystems beitragen.

„Nach der Entwicklung und erfolgreichen Testphase des weltweit ersten Wasserstoffzuges Coradia iLint ist Alstom mit dem Piloten für Regionalzüge im automatisierten Betrieb erneut der innovative Vorreiter im Schienenverkehr“, sagt Dr. Jörg Nikutta, Sprecher der Geschäftsführung von Alstom in Deutschland und Österreich. 

Für dieses Projekt werden zwei Züge auf Basis der erfolgreichen Coradia Continental-Plattform von Alstom im Betrieb der Metronom Eisenbahngesellschaft mbH mit einem European Train Control System (ETCS) ausgestattet und erhalten eine zusätzliche Ausrüstung für den automatischen Zugbetrieb (ATO). Diese technische Ausrüstung ermöglicht es dem modernen elektrischen Triebzug automatisch zu fahren und verschiedene Automatisierungsgrade (GoA) zu testen: GoA3 im regulären Fahrgastbetrieb und GoA4 beim Rangieren. GoA3 beschreibt eine völlig autonome Zugfahrt, jedoch mit einem Begleiter, der im Notfall in den Betrieb eingreifen kann. GoA4 bezeichnet einen unbeaufsichtigten Betrieb ohne Personal an Bord, aber mit der Möglichkeit einer Fernsteuerung. 

„ATO, also Automatic Train Operation, ist eine der spannendsten Herausforderungen im Eisenbahnwesen. Wir haben damit die Möglichkeit, die Betriebsführung der Zukunft zu gestalten und signifikant zu verändern. Aber bis dies der Fall ist, ist noch viel Forschungsarbeit notwendig und ich freue mich sehr, hier mit Alstom zusammenarbeiten zu können“, sagt Prof. Birgit Milius, Leiterin des Fachgebiets Bahnbetrieb und Infrastruktur der TU Berlin. Sie wird im beantragten Projekt unterschiedliche Aspekte unter anderem zu der Einbindung des Menschen in das technische System untersuchen. 

Die Erkenntnisse aus diesem wichtigen Projekt werden entscheidend dazu beitragen, den Rechts- und Vorschriftenrahmen weiterzuentwickeln, der den automatischen Zugbetrieb beaufsichtigen soll. Das Land Niedersachsen nimmt hier eine Führungsrolle ein und setzt darauf, dass automatische Regionalzüge mit GoA3-Ausstattung bald Serienreife erlangen. Bei der Durchführung des Reallabors kann Alstom auf ein umfassendes Know-how im Bereich automatisierter Metros und verschiedener ATO-Projekte zurückgreifen: Das Unternehmen leitet das europäische ATO-Projekte in Shift2Rail und ist am automatisierten Güterzug der SNCF beteiligt. 

Über das Programm „Innovationspreis Reallabore“. Alstom erhielt den Preis in der Kategorie „Ausblick“ für seine Idee eines Reallabors für einen hochautomatisierten Zugbetrieb. Reallabore werden für Deutschland als Mittel zur Innovation immer wichtiger. Als Testumgebungen für Innovation und Regulierung dienen sie dazu, Erfahrungen mit digitalen Innovationen unter realen Bedingungen zu sammeln. Neue Technologien und Geschäftsmodelle, die nur teilweise mit dem bestehenden Rechts- und Regulierungsrahmen kompatibel sind, sollen für einen definierten Zeitraum in Versuchsumgebungen getestet werden. Quelle: Alstom / DMM