Tödliches Unfallrisiko Baum

Überhöhte Geschwindigkeit, zu geringer Abstand, Fehler beim Abbiegen, Wenden etc. sowie Missachtung der Vorfahrt gelten als häufige Ursachen für Tote im Straßenverkehr. Kaum einer ist sich der Gefahr bewusst, die in Form von Hindernissen neben der Fahrbahn lauert. So schätzen Unfallforscher etwa das Risiko, bei einem sog. Baumunfall tödlich zu verunglücken, als ausgesprochen hoch ein. Kein Wunder, denn wenn ein Fahrzeug gegen einen Baum kracht, hat das in der Regel schwerste Folgen – vielfach bis hin zum Tod von Personen.

Zwar ging die Zahl der seit 1995 auf Landstraßen bei Baumunfällen Getöteten sehr deutlich um 78 % zurück, trotzdem kam nach Angaben der Unfallforschung der Versicherer (UDV) 2019 fast jeder vierte bei einem Unfall auf Landstraßen Getötete durch einen Baumunfall ums Leben. Baumunfälle waren damit auch in den vergangenen Jahren wieder die häufigste Einzelursache von tödlichen Verkehrsunfällen in Deutschland. Nach Angaben des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) kamen 2020 in Deutschland 2.719 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Davon verunglückten 466 bei einem Baumunfall.

Das Ausmaß der Gefährdung für Fahrzeuginsassen bei Unfällen mit Bäumen machen Crashtests der DEKRA-Unfallforschung deutlich. Sie zeigen, dass beim Aufprall eines Autos auf einen Baum weder die Seitenairbags noch die Fahrzeugstruktur wesentlich dazu beitragen können, die besondere Schwere solcher Unfälle abzumildern. Dies bestätigten unter anderem auch Versuche der UDV. Bei diesen Tests wurde deutlich, dass bereits ein seitlicher Aufprall eines Autos an einen Baum mit 55 km/h bei den Fahrzeuginsassen zu schwersten bis tödlichen Verletzungen führt. Bei einem Aufprall mit 90 km/h haben Auto und Passagiere gar keine Chance, weil das Fahrzeug vom Baum regelrecht zerfetzt wird. Eine solche Kollision kann normalerweise kein Fahrzeuginsasse überleben.

Warum das so ist, erklärt die Physik: Bei einem Baumunfall wird die gesamte Aufprallenergie auf eine geringe Fläche konzentriert. Hierbei brechen selbst relativ kleine Bäume häufig nicht ab, wie der DVR erläutert, vielmehr schneiden sie sich geradezu in das Fahrzeug ein. Da können auch die für die Insassensicherheit vorgesehenen Fahrzeugstrukturen nur eingeschränkt wirken. Unterm Strich hält die DEKRA fest, dass bei einem Baumunfall die Grenzen der passiven Sicherheit weit überschritten werden und daher weitere Verbesserungen bei Systemen der aktiven Sicherheit notwendig sind. Außerdem halten es die Verkehrssicherheitsexperten der einschlägigen Organisationen wie auch der Versicherungen für nötig, die Prinzipien einer fehlerverzeihenden Straße konsequenter umzusetzen, um solchen Baumunfällen entgegenzuwirken.

Wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Baumunfällen sollten nach Einschätzung der UDV bei den Bereichen Fahrverhalten, Fahrzeugtechnik und Infrastruktur gleichermaßen ansetzen. Dazu empfiehlt die Unfallforschung der Versicherer konkret eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (auf Landstraßen) – in Kombination mit einer gezielten Geschwindigkeitsüberwachung an Stellen, wo sich Baumunfälle häufen. Für Alleen sollte demnach maximal Tempo 80 gelten. Darüber hinaus würden aus Sicht der Fachleute Überholverbote auf unfallträchtigen Streckenabschnitten ebenfalls maßgeblich zur Verbesserung der Sicherheit beitragen.

Ganz wichtig erscheint den Unfallforschern ferner, Baumunfall-Schwerpunkte mit Schutzplanken zu versehen. Diese sollen dazu dienen, die Aufprallenergie wirksam zu dämpfen. Nach Einschätzung der UDV ist die Anbringung von Schutzplanken in 80 bis 90 % aller kritischen Fälle möglich. Bei einer solchen Schutzbeplankung sind allerdings auch die besonderen Sicherheitsbedürfnisse von Motorradfahrern zu beachten, für die Hindernisse neben der Fahrbahn mangels Knautschzone und stabiler Fahrgastzelle ein besonders hohes Risiko darstellen, für die aber auch Leitplanken ohne Unterfahrschutz zu einer tödlichen Gefahr werden können.

Ferner plädieren die Unfallforscher dafür, beim Neubau von Straßen seitlich Sicherheitszonen anzulegen, wie dies in einigen Ländern Skandinaviens praktiziert wird. Außerdem sollten demnach keine Bäume mehr nachgepflanzt oder neu angepflanzt werden ohne Schutzplanken. Bei Bäumen, die in Unfall-Hotspots stehen, ist zudem über deren Entfernen nachzudenken.

Automobilseitig sehen die Sicherheitsexperten noch Potenzial zur Vermeidung von Baumunfällen durch sicherheitserhöhende Fahrassistenzsysteme. Denn laut Unfallforschung sind 73 % der Baumkollisionen Folgen von sogenannten Fahrunfällen, bei denen die Person am Steuer wegen überhöhter Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit oder aufgrund eines Fahrfehlers die Kontrolle über das Fahrzeug verliert. Dem können Fahrerassistenzsysteme entgegenwirken. Am sinnvollsten erscheint den Sicherheitsforschern eine sinnvolle Kombination aller bekannten und wirksamen Maßnahmen, um schwere Baumunfälle zu vermeiden. Quelle: Goslar Institut / DMM