Tourismuspolitsche Forderungen des BVMW

Nach fast eineinhalb Jahren Corona-Pandemie steht die Tourismus- und Veranstaltungsbranche im Fokus wie nie zuvor. Sieben Monate Lockdown, geschlossene Gastronomie und Beherbergungsstätten sowie massive Einschränkungen im nationalen, europäischen und internationalen Reiseverkehr haben Politik und Gesellschaft die Bedeutung der Branche verdeutlicht. Dennoch mussten viele Mittelständler der Branche um die versprochene finanzielle Unterstützung kämpfen, standen am Existenzminimum und haben über Monate keine Perspektive erhalten, klagt der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW).

Die Corona-Pandemie zeigt ein weiteres Mal die Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Bedeutung der Tourismusbranche und der vergleichsweisen geringen Beachtung seitens der Bundespolitik.

Das Jahr 2021 ist nicht nur ein Pandemie-Jahr, sondern insbesondere auch Jahr der Bundestagswahl. Mit Blick auf die zurückliegenden Entwicklungen muss die Tourismusbranche im diesjährigen Wahlkampf sowie im Kontext der Regierungsbildung eine besondere Rolle einnehmen. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD (2017-2021) wurde die Stärkung Deutschlands als Tourismusstandort wie bereits in den vorherigen Koalitionsverträgen (2005-2009, 2009-2013 und 2013-2017) festgeschrieben.

Obwohl der touristische Gesamtkonsum in Deutschland sich im Jahr 2015 auf 287,2 Mrd. Euro belief (der Konsum von deutschen Touristen im Ausland ist hier noch nicht miteinberechnet) und die Tourismuswirtschaft über vier Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung beiträgt, fand der Tourismussektor gerade in der Bundespolitik auch in dieser Legislaturperiode wenig Aufmerksamkeit. In anderen Staaten wie beispielsweise Österreich oder Italien existieren bereits eigene Tourismusministerien, die dem Thema somit die angemessene politische Bedeutung verleihen. Dies hätte auch in der aktuellen Pandemie geholfen, den langfristigen Schaden der Branche deutlich geringer zu halten und zahlreiche mittelständische Unternehmen zu retten.

Ausgehend von dieser Situation ist es begrüßenswert, dass die Bundesregierung im Juli 2021 endlich einen Aktionsplan zur nationalen Tourismusstrategie vorgestellt hat. Seit dem Beschluss einer nationalen Tourismusstrategie im Jahr 2019, haben Unternehmen und Verbände auf konkrete Maßnahmen gewartet.
Der BVMW begrüßt einige Punkte, wie die personelle Aufstockung im BMWi sowie vereinfachte Förderverfahren, jedoch sind die komplett veränderten Bedingungen in der Branche durch die Pandemie nicht berücksichtigt worden. Daher muss der Aktionsplan dringend angepasst und überarbeitet werden. Im Zeichen der Corona-Pandemie und im Blick auf die zukünftigen Herausforderungen der Branche im Zuge der Digitalisierung, des Fachkräftemangels sowie auch des Klimawandels, braucht es in der nächsten Legislaturperiode konkrete Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandorts Deutschland stärken. Die Stärkung Deutschlands als touristische Destination hängt maßgeblich mit der Stärkung mittelständischer Unternehmen aus der Tourismusbranche zusammen. Von den deutschlandweit 3,6 Mio. Unternehmen sind 99,6 % mittelständisch.

Außerdem stellt der Mittelstand 83 % aller Ausbildungsplätze und 60 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze zur Verfügung und trägt 56 % zur Bruttowertschöpfung bei.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft stellt zehn tourismuspolitische Forderungen zu Bundestagswahl auf und plädiert dafür, diese in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufzunehmen. Hierbei müssen die Herausforderungen mittelständischer Betriebe der Tourismuswirtschaft mit höchster Priorität angegangen werden. Dazu zählen eine faire steuerliche Entlastung, eine Bekämpfung des Fachkräftemangels, mehr Tourismusförderung, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, eine allgemeine Attraktivitätssteigerung der Branche, die Förderung von klimaneutralen Reisen, eine nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur, eine vorausschauende, langfristige und einheitliche Planung, weitere Hilfen für die Branche und nicht zuletzt, eine Attraktivitätssteigerung Deutschlands als Reiseziel. Bei diesen Forderungen muss zudem das Prinzip des nachhaltigen Tourismus immer mitgedacht werden.

Zur Überwindung der negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie fordert der BVMW einen Aufbaufond für die Tourismusbranche bis 2023. Um den Tourismus in Deutschland jedoch langfristig zu stärken, benötigt es zusätzliche Maßnahmen, wie vermehrte Direktinvestitionen und staatliche Förderung. Seit 2005 summieren sich die Fördermittel des Bundes für die Tourismuswirtschaft direkt und indirekt auf 34,6 Mio. Euro.3 Angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Branche ist diese Zahl (durchschnittlich gerade einmal 2,3 Mio. Euro im Jahr viel zu niedrig. Der Mittelstand fordert allgemein mehr Förderung für den Tourismus in Deutschland. Eine schnelle Möglichkeit ist, dass zu jedem Euro Tourismusabgabe, Bund und Länder zusammen einen Euro beisteuern. Dadurch ließe sich unkompliziert ein größeres Volumen an Fördergeldern generieren, die auch direkt an die Kommunen verteilt werden können. Quelle: BVMW / DMM