VDA redet sich die IAA schön

VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die IAA Mobility 2021 ist ein weltweites Signal des Aufbruchs“. Das mag aus Sicht des Veranstalters so sein, schade nur, dass viele Medienvertreter gar nicht erst nach München gereist sind, was eine Kurzumfrage von DMM bestätigte.

ZIC-Chef Gernot Zielonka im Gespräch mit Stefan John, Leiter Vertriebssteuerung, Vertrieb an Großkunden, Markt Deutschland. Foto: Helmut Weipert Jun.

Wir haben uns selbst einen selbst einen Eindruck vor Ort verschafft. Und der fällt nicht gerade überschwenglich aus. Natürlich fällt ganz bitter auf, dass beinahe die Hälfte der Autohersteller bzw. -importeure durch Abwesenheit glänzt. Und ganz allgemein sind die Ausstellungsflächen der Autobauer, die präsent sind, im Vergleich zu früheren IAA-Messen schon merklich geschrumpft. Auch beim Ausstellerpersonal fällt auf, dass nur wenige Ansprechpartner zugegen waren, jedenfalls bei den Pressetagen. Irgendwie kam uns die nee IAA vor wie ein Update der einstigen Leipziger AMI. Viele Hallen, viel Platz, nicht viel los. Ganz schlimm sah es vor allem in der Radfahr-Abteilung von Halle B6 aus. Dort herrschte so etwas wie Totentanz. Verwundert nicht, waren doch die meisten Zweiradhersteller wenige Tage zuvor erst auf der Eurobike in Friedrichshafen.

Von Großveranstaltung zu sprechen, wie es die VDA-Chefin tat, klingt gut, die Realität aber sah anders aus, jedenfalls an den beiden ersten Tagen. Ein mehr oder weniger mäßig besetztes Parkhaus West, nahezu gähnend leere Außenflächen bei den Parkplätzen und auch im Eingangsbereich mehr Personal und Aufpasser (Polizei) als Besucher, das Flair erschien und schon etwas eigenartig. Noch am besten sah es in den Hallen der Autohersteller aus, auch wenn dort nicht gerade dichtes Gedränge herrschte. Vor allem bei BMW/MINI war richtig viel los, naja, die Bayern hatten ja auch ein Heimspiel. Deutschlands Nr. 1 aber, der VW-Konzern, übte sich mit seinen Marken in großer Bescheidenheit. Die nicht gerade unbedeutenden Töchter Skoda und Seat suchte man leider vergeblich. Skoda hatte am Karlsplatz zu einer gesonderten Veranstaltung und Fahrpräsentation geladen, die nicht nur wir wegen der stundenlangen Autobahnblockaden von Klimaaktivisten am Dienstag nicht besuchen konnten.     

Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie dem Oberbürgermeister von München, Dieter Reiter, hatten VDA-Präsidentin Hildegard Müller und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Messe München Klaus Dittrich am Dienstagnachmittag die IAA MOBILITY in München eröffnet. Unter dem Motto ‚What will move us next‘ findet die IAA MOBILITY vom 07. bis 12. September statt. Sie ist die erste internationale Großveranstaltung in Deutschland nach den Lockdown-Beschränkungen und steht im Zeichen der Transformation hin zur Klimaneutralität. Die VDA-Präsidentin: „Mit der IAA MOBILITY zeigen wir, was morgen sein wird, welche Mobilität die Menschen in der Stadt und auf dem Land in Zukunft nutzen können. Deshalb steht die IAA MOBILITY 2021 unter dem Motto: ‚What will move us next‘. „Für diese Form des Messeerlebnisses wird die Messe München mit der IAA MOBILITY hier in Deutschland zum Pionier“, sagt Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München.

Mehr als 1.000 Aussteller und Redner präsentieren Innovationen und Konzepte. Insgesamt sind über 700 Aussteller vertreten, auf der Messe oder verstreut im Stadtgebiet, darunter Automarken, Fahrradmarken, wichtige Player der Tech-Branche sowie alle wichtigen Unternehmen der Zulieferindustrie. Im Rahmen der IAA MOBILITY werden mehr als 100 Weltpremieren vorgestellt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Digitalisierung. Man kann nur hoffen, dass die nächste IAA 2023 mehr Beachtung findet und, dass nicht eintrifft, was viele Journalisten uns gegenüber äußerten, das diese IAA Mobility die letzte ihrer Art gewesen sein soll.

Nachstehend ein Kommentar von Frank Wald: Von fremden Federn und langen Gesichtern.

Immer peinlich, wenn raus kommt, dass man das, was man vorgibt zu sein, in Wahrheit gar nicht ist – exemplarisch zu sehen in jüngster Zeit an einigen unserer vermeintlich promovierten oder profilierten Politikerinnen und Politikern. Auch beim Besuch der diesjährigen IAA Mobility in München bleibt der Eindruck zurück, das man sich hier mit fremden Federn schmückt. Denn im Gegensatz zur Messe-Bezeichnung – und vor allem im Vergleich zu den vergangenen Ausrichtungen in Frankfurt – wird diese Internationale Automobil Ausstellung weder ihrer Bezeichnung noch ihrem Anspruch gerecht.

International ist sie schon mal nicht oder nur bedingt, weil die meisten ausländischen Autohersteller gar nicht da sind. Die Japaner fehlen komplett, ebenso wie die US-Amerikaner (den Randstreifen-Stand der Ford-Werke aus Köln in Halle B1 mal ausgenommen) und Volvo. Auch die vollständige Abwesenheit des neu geformten Stellantis-Konzerns reißt mit seinen Marken Peugeot, Opel, Fiat, Citroen, DS, Alfa Romeo, Jeep, Ferrari, Maserati große Lücken. Aus OEM-Sicht lässt sich also maximal von einer deutschen Messe mit je einem koreanischen, französischen und chinesischem Hersteller sprechen. Wobei auch aus dem VW-Konzern allein die Marke VW auf dem Messegelände präsent ist, Audi, Porsche und Cupra sind über das Stadtzentrum verteilt, Skoda, Seat, Bentley oder Lamborghini gar nicht vor Ort. Entsprechend wenige Autos sind überhaupt zu sehen. Bei den verbliebenen Herstellen drängen sich teilweise nur drei, vier Modelle auf den Ständen rum. Und wenn, dann nur politisch korrekt in der einen oder anderen elektrifizierten Form.

Die Serien- und Volumenmodelle aber, die tatsächlich demnächst auf die Straße kommen und für die Mehrheit potenzieller Kunden interessant sein dürfte, fehlen oder passen nicht in das Ausstellungskonzept der Messe-Macher. Und was den Ausstellungsgedanken betrifft, so trägt das Konzept der kleinen Präsentationsflächen, flankiert mit einer Vielzahl von großen und kleinen Parzellen für Zulieferer, Spezialisten und Start-ups, die teilweise nur ein einzelnes Produkt, Anwendung oder App zu zeigen haben, auch nicht zur Freude bei.

Was dabei für den einen oder anderen Journalisten vielleicht noch interessant sein mag, dürfte an den kommenden Publikumstagen für herbe Enttäuschungen sorgen. Man stelle sich nur mal die autoaffinen Besucher vergangener IAA vor, die aus der Uckermark, Lüneburger Heide, dem Ems- oder Sauerland den langen Weg in die Weißwurstmetropole auf sich nehmen, 20 Euro fürs Tagesticket bezahlen und dann nur eine politisch korrekte Auswahl an Autos zu sehen bekommen. Oder erfahren, dass sie in die staugeplagte Münchner Innenstadt müssen, um überhaupt einen Porsche, Audi oder Cupra zu sehen. Von den vielen Traumautos und spektakulären Studien, die man zwar niemals fahren, aber wenigstens mal aus nächster Nähe bestaunen möchte, gar nicht zu reden. Die Enttäuschung ist da vorprogrammiert.

Auch wenn nachzuvollziehen ist, das VDA und Messe den über die Jahrzehnte gewachsenen und klangvollen Markennamen IAA mit nach München genommen haben. Die ebenso über die Zeit entstandenen konkreten Erwartungen, die mit diesem Kürzel verbunden sind, werden in der derzeitigen Ausrichtung weder erfüllt noch befriedigt. Der fancy Zusatz „Mobility“ reicht da einfach nicht aus. Konsequenterweise hätte man für den neuen Ansatz auch einen neuen Namen kreieren müssen, der die Neuausrichtung klar macht: „Automotive-Summit“, „Mobility and More“ oder ähnliches. Dann wären die Besucherzahlen zwar vermutlich endgültig eingebrochen, aber man bräuchte auch keine langen Gesichter fürchten. Quelle: aum/fw / DMM / VDA / Messe München