Verbrennerautofahren wird ab 2027 fast unbezahlbar

Autofahrern in Deutschland drohen ab 2027 „sprunghafte Anstiege“ der Tankkosten. 38 Cent mehr könnte ein Liter Benzin ab 2027 kosten, warnt die Denkfabrik Agora Energiewende in einer aktuell veröffentlichten Studie. Das würde auch die Budgets der meisten Fuhrparks sprengen, die noch nicht auf BEV umgestiegen sind. Die Berechnungen der Agora-Experten gehen daher davon aus, das der CO₂-Preis sofort auf 200 Euro pro Tonne steigen wird - ein Vielfaches des deutschen Preises, der 2026 höchstens 65 Euro betragen soll. Die Folge: Den Berechnungen zufolge würde der Benzinpreis daher vom 31. Dezember 2026 zum 1. Januar 2027 sprunghaft steigen, um 38 Cent pro Liter.

Ab 2027, also i drei Jahren, bilden sich die Preise für den CO₂-Ausstoß des Verkehrs über den europäischen Emissionshandel (ETS II). Dieser löst die aktuell in Deutschland geltenden CO₂-Festpreise ab. Mit dem Übergang vom nationalen in den europäischen Emissionshandel (ETS II) bestimmt ab 01.01.2027 eine CO₂-Obergrenze die angebotene Zertifikatemenge für den CO₂-Ausstoß des Verkehrs. Diese CO2-Obergrenze ist an den EU-Klimazielen ausgerichtet. Eine neue Analyse von Agora Energiewende zeigt nun, dass durch den Wechsel von einem preis- zu einem mengengesteuerten Marktinstrument zusätzlicher Handlungsbedarf entsteht: Denn künftig wird der Preis für eine Tonne CO₂ im Verkehrs- und Gebäudebereich maßgeblich durch die Nachfrage nach fossilen Energieträgern in diesen Sektoren bestimmt. Je höher diese Nachfrage bis zur Einführung noch ist, desto höher fallen auch die Preise im ETS II aus. Aufgrund der Klimaschutzverfehlungen Deutschlands Verkehrsbereich, die der Projektionsbericht der Bundesregierung bis 2030 auf 200 Mio. t CO₂ beziffert, birgt die Einführung des ETS II daher das Risiko sprunghafter Preisanstiege von Treibstoff- und Heizkosten. 

Wegen Untätigkeit des Bundesverkehrsministeriums ist der Verkehr der einzige Sektor in Deutschland, in dem die CO2-Emissionen steigen, statt zu sinken. Analysen zufolge macht es vor allem der Verkehrssektor äußerst unwahrscheinlich, dass Deutschland seine Klima-Vorgaben fürs Jahr 2030 erreicht. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) tut viel zu wenig für den Klimaschutz zu tun und ignoriert simple Maßnahmen wie die Einführung eines Tempolimits. Eigentlich hätte Wissings Ministerium im Sommer einen Sofort-Plan zum Klimaschutz vorlegen müssen, doch eine Gesetzesänderung der Ampel-Regierung entband ihn gerade noch rechtzeitig von dieser Pflicht. 

Simon Müller, Direktor der Deutschlandarbeit von Agora Energiewende: „Jüngste Studien zeigen, dass ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen die Preise 2027 auf mehr als 200 Euro je Tonne CO₂ springen könnten. Das würde zum Jahresanfang 2027 Steigerungen von 38 Cent pro Liter Benzin und rund 3 Cent pro Kilowattstunde Erdgas gegenüber 2026 bedeuten. „Es braucht jetzt ein durchdachtes Konzept, das auch Maßnahmen für den sozialen Ausgleich enthält. Ansonsten landet die Last letztlich bei den Verbrauchern“, warnt Müller.

Um das Risiko sprunghaft höherer Preise abzumildern, soll die moderate Erhöhung der national geltenden CO₂-Preise früher beginnen und gleichzeitig ein Rückverteilungsmechanismus in Kraft treten. Zunächst bedeutet das eine Anhebung des CO₂-Festpreises auf 60 Euro ab 2024 – was beim derzeitigen Benzinpreis von 1,90 Euro pro Liter einem Anstieg von etwa 4 % bzw. 8,5 Cent entspricht. Allein im Jahr 2024 würden so Mehreinnahmen von rund 6,6 Mrd. Euro entstehen – pro Bundesbürger stünden damit rund 80 Euro für eine Entlastung zur Verfügung. Hiermit lässt sich sicherstellen, dass die Maßnahme sozialverträglich ist. Bis eine Rückverteilung über ein Klimageld für alle Bürger wirksam werden kann, können Entlastungen etwa über die Senkung der Stromsteuer auf das europarechtlich vorgeschriebene Minimum von 0,1 Cent je Kilowattstunde erfolgen.

„Damit die CO₂-Preise ihre volle Klimaschutzwirkung entfalten können, sollte die Bundesregierung den Verbrauchern den Umstieg auf die klimafreundliche Alternative erleichtern“, sagt Müller. Ansonsten seien die Möglichkeiten der Menschen, auf den ansteigenden CO₂-Preis zu reagieren, begrenzt. „Wir müssen bei der Ausgestaltung der Maßnahmen auf einen klugen Mix setzen, der den Klimaschutz stärkt und zugleich soziale Belastungen abfedert.“ Es erfordere zusätzliche Anstrengungen, um die Lücke zum Erreichen der Klimaziele im Verkehrsbereich zu schließen, mahnt Müller. Zum Beispiel beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Ein höherer nationaler CO₂-Preis könne zusammen mit gezielten Klimaschutzmaßnahmen früher zu Emissionsreduktionen in Deutschland führen – und damit dazu beitragen, die Zertifikatspreise ab 2027 europaweit niedriger zu halten, so Müller. Deutschland, Frankreich und Italien sind für mehr als die Hälfte der ETS II-Emissionen verantwortlich, Deutschland allein für fast ein Viertel. „Die Bundesrepublik trägt auch eine europäische Verantwortung für wirksamen und europaweit sozialen Klimaschutz“, erklärt Müller. Quelle: agora-energiewende.de / DMM