VW und Hyundai steigen in Lufttaxi-Markt ein

Es ist schon erstaunlich, dass große Autobauer ihre Liebe zur urbanen Luftmobilität entdecken. Erst enthüllte die US-amerikanische Hyundai-Tochter Supernal, ein Fluggerätehersteller, auf der Farnborough International Airshow in Großbritannien ihr erstes eVTOL Vehicle Cabin Concept. Und nun legt Volkswagen nach. Der Autokonzern bereitet sich in China nach längeren Entwicklungsarbeiten auf den Einstieg in einen künftigen Flugtaxi-Markt vor und hat dazu ein Prototypen-Modell fertiggestellt.

Das Lufttaxi von Hyundai-Supernal ist schon sehr seriennah. Zu sehen war es auf der Farnborough Luftfahrtmesse. Foto: Hyundai

Senkrecht startende Fluggeräte für die "urbane Luftmobilität" waren lange eher ein Science-Fiction-Thema. Als eVTOL werden elektrisch betriebene Kleinflugzeuge bezeichnet, die senkrecht starten und landen und als Lufttaxis eingesetzt werden können. Doch sie nehmen immer konkretere Gestalt an. In China hat Volkswagen ein Versuchsmodell entwickelt. Das als "Passagierdrohne V.MO" bezeichnete Gefährt soll einmal vier Insassen mitsamt Gepäck automatisiert bis zu 200 km weit befördern können. Es hat zehn Rotoren zur Senkrecht- und Horizontalbewegung, ist elektrisch angetrieben und etwas mehr als 11 Meter lang.

Auch Technik, die beim autonomen Fahren zum Einsatz kommen soll, werde verwendet, erklärte Volkswagen bei der Vorstellung am Mittwoch. Spitzname des Flugtaxis ist "Fliegender Tiger".

Das futuristisch anmutende Vehikel hat nach Einschätzung des scheidenden VW-China-Chefs Stephan Wöllenstein gute Marktchancen, sollte sich in den kommenden Jahren die Nachfrage nach "vertikalen Mobilitätsbedürfnissen" in den großen Ballungszentren der Volksrepublik tatsächlich so entwickeln wie erhofft. "Wir wollen dieses Konzept langfristig zur Serienreife bringen", kündigte der Manager an, der zum 01. August von Ralf Brandstätter abgelöst wird.

"V.MO" dürfte allerdings vorerst ein Nischenangebot für gut betuchte Kunden aus der chinesischen Wirtschaftselite sein. Denkbar wäre ein regelmäßiger Einsatz der Flugtaxis etwa in Form von VIP-Shuttles, so VW - sofern die Behörden alle Genehmigungen erteilen. Noch in diesem Jahr seien Testflüge geplant und im Sommer 2023 dann fortgeschrittene Tests mit einer verbesserten Drohne.

Das Projekt zur Ausweitung des Geschäfts auf "urbane Luftmobilität" läuft bei VW in China seit 2020. Es gehe um einen schnell wachsenden Markt, erklärte der Wolfsburger Autobauer, für den China die mit Abstand wichtigste Absatzregion ist. Schwerpunkte seien Kurz- und Mittelstreckentransporte durch die Luft. Diese könnten eine bedeutende Rolle für die Zukunft des Verkehrs in den staugeplagten Megastädten spielen. 

Das Projekt von Hyundai-Supernal. Der amerikanische Fluggerätehersteller Supernal hat bei der Farnborough International Airshow in England sein erstes eVTOL Vehicle Cabin Concept enthüllt. Mit dem Prototyp zeigt Supernal, wie der Mutterkonzern Hyundai Motor Group seine auf dem Automobilmarkt erworbenen Kompetenzen nutzt, um das Geschäft im Bereich Advanced Air Mobility (AAM) voranzutreiben.

Supernal hat sich für die Entwicklung seines eVTOL mit den Hyundai Designstudios zusammengetan, damit das neue Luftfahrzeug schon 2028 in den USA eingesetzt werden kann – und wenig später auch in der EU und Großbritannien. Zusätzlich arbeitet Supernal mit externen Partnern und einigen der mehr als 50 Hyundai Konzerngesellschaften zusammen. Wichtig sind hier vor allem die Branchen Automobilbau und Autoteile sowie Konstruktion, Robotik und autonomes Fahren. So schaffen die Partner eine umfassende AAM-Wertschöpfungskette.

Vorbilder aus der Natur. „Damit aus der Advanced Air Mobility eine etablierte Beförderungsmethode wird, muss jedes Detail – vom Flugerlebnis über behördliche Regulierungen bis zu Infrastrukturfragen – von Beginn an berücksichtigt und im Gleichschritt abgearbeitet werden“, sagte Jaiwon Shin, Präsident der Hyundai Motor Group und CEO von Supernal. „Mithilfe des Mobilitäts-Know-hows der Hyundai Motor Group investiert Supernal bereits weit im Vorfeld Zeit und Ressourcen. So stellen wir sicher, dass die neue Technologie in den kommenden Jahrzehnten für die industrielle Massenproduktion skaliert und ihr großartiges Potenzial ausgeschöpft werden kann.“

Das fünfsitzige Concept Vehicle von Supernal zeigt schon heute, wo die Firma von automobilen Designprozessen und Materialien profitiert, um den künftigen Passagieren das bestmögliche Produkt zu günstigen Preisen zu liefern und gleichzeitig die höchsten Sicherheitsstandards der gewerblichen Luftfahrt einzuhalten. Das Design verkörpert Biomimikri, es folgt also Vorbildern der Natur, in diesem Fall ist der Schmetterling klar zu erkennen. Gleichzeitig stehen Sicherheitsgrundsätze im Vordergrund und im Concept Vehicle zeigen sich ein am Menschen orientiertes Design sowie Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt.

Sitze mit Kokon-Atmosphäre. „Supernal arbeitet mit den besten Autodesignern der Hyundai Motor Group zusammen, damit unser eVTOL gut produzierbar wird und eine breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit findet“, fügte Shin hinzu. „Dabei nehmen wir uns die Zeit, um ein sicheres und dennoch leichtes eVTOL zu entwickeln, das unseren zukünftigen Passagieren dieselben Komfort- und Sicherheitsstandards bietet wie ihre eigenen Autos.“

Das Team von Ingenieuren und Designern hat den reduktiven Designansatz der Automobilindustrie verwendet, um die Leichtbau-Kabine des eVTOL zu schaffen, die aus Karbonfasern besteht. Ergonomisch konturierte Sitze erzeugen eine kokon-ähnliche Umgebung für die Passagiere. Ausfahrbare Sitzkonsolen ahmen die Mittelkonsolen von Autos nach und enthalten Stauraum sowie Lademöglichkeiten für mobile Geräte. Eine willkommene Hilfe beim Ein- und Aussteigen bieten sinnvoll angebrachte Griffe an den Kabinentüren und den Rückenlehnen der Sitze. Die Innenbeleuchtung – inklusive spezieller Overhead-Lichter, die von Glasdächern im Auto inspiriert sind – passt sich den verschiedenen Flugphasen an und erzielt damit einen Effekt, der einer Lichttherapie ähnelt. Die großzügige Kopffreiheit in der Kabine, ist an die Raum-Innovationen im Hyundai Automobilbau angelehnt.

Nachhaltige Fertigung mit hohem Recycling-Anteil. Da Nachhaltigkeit Priorität hat, besteht Kabine aus recycelbaren Materialien, etwa karbonfaserverstärktem Thermoplastik, haltbarem und pflanzenbasiertem Leder, wiederaufgearbeiteten Kunststofftextilien und nachhaltig abgebauten Hölzern. Für die Sitzrahmen wurden Reste aus der Produktion von Flugzeugzellen verwendet.

„Das Supernal eVTOL Vehicle Cabin Concept greift auf die Kompetenz der Hyundai Motor Group und die besonderen Fähigkeiten erfahrener Autodesigner zurück. Das hat uns ermöglicht, ein neues Air Mobility Concept zu entwickeln, das nicht nur sicher und rational ist, sondern außerdem höchst emotional“, sagte Luc Donckerwolke, Chief Creative Officer der Hyundai Motor Group.

Erst Batteriebetrieb, später Wasserstoff. Hyundai wird all seine Kompetenz im Bereich Mobilitätslösungen einsetzen, um eine Familie elektrisch angetriebener Luftfahrzeuge zu entwickeln und sich gleichzeitig um die zugehörige Wertschöpfungskette zu kümmern. Ergänzend zum batteriebetriebenen eVTOL von Supernal, das in den USA für innerstädtische Passagierflüge entwickelt wird und 2028 auf den Markt kommen soll, wird sich die in Südkorea ansässige Tochtergesellschaft der Hyundai Motor Group auf regionale Luftmobilität konzentrieren. Dazu wird ein wasserstoffbetriebenes mittelgroßes Luftfahrzeug für Passagiere und Nutzlasten entwickelt, die beispielsweise von Stadt zu Stadt befördert werden müssen. Der Start dieser Luftfahrzeuge auf dem koreanischen Markt ist für die 2030er-Jahre geplant.

Höhere Stückzahlen, sinkende Preise. Supernal und die Hyundai Tochtergesellschaft in Korea erhalten Unterstützung von den weltweit tätigen Fertigungs-Innovationsteams der Hyundai Motor Group, um einen zuverlässigen und belastbaren Fertigungsprozess für hochwertige Advanced Air Mobility zu etablieren. So werden über die kommenden Jahrzehnte elektrische Luftfahrzeuge in hoher Stückzahl entstehen – zu einem Preis, den sich mit der Zeit immer mehr Menschen leisten können.

„Die Hyundai Motor Group arbeitet daran, Synergien zwischen den hochwertigen Fertigungsmöglichkeiten der Autoindustrie und den hohen Zertifizierungsstandards der Luftfahrt zu nutzen. Damit legen wir den Grundstein für den alltäglichen Einsatz von Luftfahrzeugen für Passagiere und Fracht“, sagte Shin. Quelle: Volkswagen / Hyundai / DMM