VW und seine Händler blockieren Verkauf der neuen ID-Modelle

VW inszeniert sich als deutscher Vorreiter bei der Antriebswende – also dem Abschied von Dieseln und Benzinern zugunsten von Elektroautos: Mit der Markteinführung der ID-Modelle verspricht der weltgrößte Autobauer „E-Mobilität für alle“. Konzernchef Herbert Diess lässt keine Gelegenheit aus, die Bedeutung der Batterieautos für den Kampf gegen den Klimawandel zu betonen. Doch der Handel macht Volkswagen beim Vertrieb seiner neuen Elektroautos einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Unkenntnis der Verkäufer und vermutlich bewusste Irreführung der Kunden durch Schlechtmachen der E-Mobilität sorgen für dicke Probleme auf dem Weg Volkswagens, ID.3, ID.4 usw. könnten die Marke „empathischer, freundlicher, menschlicher“ machen.

VW bewirbt lieber seine vielen (umweltschädlichen) Verbrenner und bietet diese auch beim Leasing wesentlich günstiger an als die neuen klimafreundlicheren elektrischen ID.-Modelle. Und die Verkäufer in den VW-Handelsunternehmen scheinen wenig Ahnung zu haben. Foto: Volkswagen

Erstmals seit vier Jahren verbesserte sich 2020 das Image von VW im YouGov-Markenmonitor BrandIndex.  Doch während VW in der Kommunikation Vollgas gibt, kommt der Vertrieb der neuen E-Autos kaum ins Rollen. Nach Angaben von VW lagen bis Ende November 2020 europaweit 54.000 Bestellungen für den ID.3 vor, 28.000 Fahrzeuge wurden ausgeliefert. Bedenkt man, dass es für die Einführungsversion des ID.3 2019 bereits 33.000 (unverbindliche) Vorbestellungen gab, ist diese Zahl enttäuschend. Zum Vergleich: Tesla konnte mit der Ankündigung  seines Model 3 vom Start weg 400.000 Autos verkaufen, schnell waren es weltweit sogar 800.000.

Mit der Innovationsprämie der Bundesregierung – die im November 2020 bis zum Jahr 2025 verlängert wurde – steht insbesondere auch in Deutschland eine starke Absatzhilfe zur Verfügung. Laut KBA-Zulassungsstatistik wurden im November 2020 in Deutschland 2439 ID.3 zugelassen – weniger als Renault Zoe (4.287) und Hyundai E-Kona (2,471). Dabei wird der ID.3 erst seit September 2020 ausgeliefert, während die E-Modelle der Konkurrenz bereits seit Jahren am Markt sind. Insgesamt wurden in Deutschland seit Start der Auslieferungen erst 7.349 ID.3 zugelassen. Davon waren über 3.000 Eigenzulassungen, also Autos, die auf VW selbst oder die VW-Händler registriert wurden.

Wie kommt es zu diesem vergleichsweise schwachen Start des ID.3? Ihn einfach einem Mangel an Nachfrage zuzuschreiben, springt zu kurz. Denn VW selbst tut wenig, um den Absatz der E-Autos zu fördern. Man könnte auch sagen: Der Autobauer bremst ihn sogar, heißt es in einer Studie von Greenpeasce.

Laut Greenpeace zeigt der vorliegende Report, dass

  • VW kein Interesse an einer weiteren Beschleunigung der Antriebswende hat und den Absatz seiner Elektroautos einzig entlang der europäischen Vorgaben zum Flottenverbrauch plant.
  • es für VW-Händler und -Verkäufer keine Anreize gibt, unentschlossenen Kunden ein Elektroauto anstatt eines Verbrenners zu verkaufen.
  • andere Modelle mit von VW subventionierten, reizvollen Sonderkonditionen in den Markt gedrückt werden, während für den ID.3 keine gleichwertigen Maßnahmen existieren.

Für seine Untersuchung hat Greenpeace mit Brancheninsidern, Händlern und Verkäufern von Volkswagen gesprochen. Darüber hinaus hat Greenpeace die gewonnenen Informationen mithilfe eines „Mystery Shoppings“ verifiziert: 56 Ehrenamtliche aus lokalen Greenpeace-Gruppen haben in insgesamt 50 VW-Autohäusern Beratungsgespräche zum Kauf eines Neuwagens geführt. Dabei nutzten sie im Gespräch mit den VerkäuferInnen ein einheitliches Fahrprofil, das nach Angaben von VW für die Nutzung des ID.3 passend ist.

Die Testkäufe haben gezeigt, dass

  • der ID.3 nur in 1 von 25 Fällen von den VerkäuferInnen empfohlen wurde, wenn die Interessenten zu Beginn des Gesprächs keine Präferenz äußerten.
  • der ID.3 nur in 7 von 25 Fällen von den VerkäuferInnen empfohlen wurde, wenn die Interessenten zu Beginn des Gesprächs angaben, zwischen ID.3 und Golf 8 zu schwanken.
  • die VerkäuferIinnen nur oberflächlich zum Thema Elektromobilität geschult sind und im Durchschnitt auf jede zweite Frage (48%) der Interessenten keine Antworten geben konnten oder falsche Informationen verbreiteten.
  • in einzelnen Fällen VerkäuferInnen eindeutig von einem Kauf des ID.3 abrieten und grundsätzliche Zweifel an der Elektromobilität äußerten.

In diesem Jahr liegt der durchschnittliche Flottengrenzwert in der EU erstmals bei 95 Gramm CO2/km. Je nach Gewicht der verkauften Autos variiert der individuelle Grenzwert je Hersteller: Verkauft ein Hersteller viele schwere Autos wie SUV, liegt er höher, verkauft er vor allem Kleinwagen, liegt er niedriger. Legt man die Verkäufe bis einschließlich Oktober 2020 zugrunde, dürfte die Grenze für den VW-Konzern im Gesamtjahr 2020 bei 97 Gramm CO2/km liegen.

Der Verkauf von Elektroautos gilt als wesentlicher Hebel für die Autobauer, um ihr individuelles Flottenziel zu erreichen. Grund dafür ist, dass E-Autos mit null Gramm in die Bilanz eingehen und zudem noch doppelt gezählt werden. Diese sogenannten Supercredits dürfen den Flottenausstoß laut EU-Regelung jedoch maximal um 7,5 Gramm senken, ein Wert der nach Berechnungen des ICCT von VW bereits im Oktober erreicht wurde.7 Verfehlen die Hersteller ihren Zielwert, werden Strafzahlungen fällig: 95 Euro pro Gramm pro verkauftem Auto. In der Summe drohen den Herstellern Millionenbußen. So bedrohlich die Aussicht auf Strafzahlungen scheint, so sehr hüten sich die Hersteller davor, die für sie geltenden CO2-Flottenziele zu unterbieten. Ihr Ziel ist eine Punktlandung: möglichst genau so viele Elektroautos verkaufen, damit keine Strafen anfallen, aber auch nicht mehr.

Das hat gleich mehrere Gründe:

  1. Planung. Autohersteller sind unflexibel. Ihre Produkt- und Absatzplanung entsteht mit vielen Monaten bzw. Jahren Vorlauf. Für die Fertigung von Autos sind sie auf die pünktliche Lieferung von Teilen aus der Zuliefererindustrie angewiesen. Bei Elektroautos trifft das insbesondere auf die Batterien zu. Hersteller wie Volkswagen müssen sich daher frühzeitig auf Mengen festlegen und dabei die erwartete Nachfrage abschätzen. Dabei planen sie im Zweifel eher konservativ und orientieren sich an den geltenden gesetzlichen Vorgaben.
  2. Gewinn. Die Margen bei Elektroautos sind bislang schlechter als bei Verbrennern. Der Grund dafür sind derzeit noch höhere Produktions- und Rohstoffkosten, wie unter anderem eine aktuelle Studie der Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers darlegt. Zwar beteuert VW, mit dem ID.3 von Beginn an Gewinn zu machen. Doch ist unwahrscheinlich, dass dieser ähnlich hoch ausfällt wie bei einem vergleichbaren Verbrenner. Zum kleineren Elektroauto e-Up muss VW pro verkauftem Auto sogar bis zu 5.000 Euro zuschießen. Auch der E-Golf ist bislang ein Verlustbringer, wie Konzernchef Herbert Diess kürzlich erklärte. Dass beim ID.3 knapp kalkuliert wird, lässt sich u.a. daran erkennen, dass in vielen Tests des neuen E-Autos Verarbeitung und Materialqualität bemängelt wurden – bei einer Marke, die sonst viel Wert auf eben diese Eigenschaften legt, ein deutliches Zeichen für hohen Kostendruck. VW-Chef Herbert Diess hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass insbesondere die Kernmarke VW rentabler werden müsse. Bislang kann die Marke diesen Anspruch aber nicht erfüllen und bleibt eine der renditeschwächsten im Konzern. Der erklärte Anspruch, E-Auto-Vorreiter zu sein, lässt sich mit dem kurzfristigen Renditeziel offensichtlich nicht vereinbaren.
  3. Phase-in-Jahr 2020. Für das aktuelle, erste Jahr, in dem das 95-Gramm-Ziel für CO2-Emissionen gilt, haben die Autohersteller eine Sonderregelung ausgehandelt: In der Berechnung des Flottenverbrauchs dürfen pauschal die verbrauchsintensivsten 5 % der Neuwagen gestrichen werden („Phase-in“). Diese Sonderregelung gilt ab 2021 nicht mehr, weshalb die Zielerreichung 2021schwerer werden wird. Jeder Kauf eines Elektroautos, der in diesem Jahr nicht stattfindet und ins nächste verschoben wird, kann 2021 einen wertvollen Beitrag zur Erreichung des dann schwerer zu erreichenden 95-Gramm-Ziels leisten.
  4. Umrechnungsfaktor WLTP. 2020 ist noch aus einem anderen Grund besonders: Die Fahrzeugzulassungen dieses Jahres bilden die Grundlage für herstellerspezifische Umrechnungsfaktoren zwischen den beiden Prüfzyklen NEFZ und WLTP. Diese Faktoren sind mitentscheidend dafür, wie schwierig es für die Hersteller ist, zukünftige Flottenziele zu erreichen. 2020 wird die Erreichung der Flottenziele zum letzten Mal anhand der Verbrauchswerte aus dem alten Prüfzyklus NEFZ errechnet. Ab 2021 basieren die Flottenziele der Hersteller auf den im neuen WLTP-Zyklus gemessenen Verbrauchswerten. Da der WLTP-Zyklus anspruchsvoller ist als der Vorgänger-Zyklus NEFZ, wird das WLTP-Ziel mithilfe eines Umrechnungsfaktors ermittelt. Dabei gilt: Je größer die Differenz von NEFZ- und WLTP-Werten in 2020 ist, umso einfacher ist die Zielerreichung in der Zukunft. Weil Elektroautos sowohl im NEFZ als auch im WLTP mit null in die Bilanz eingehen, verringern sie den Umrechnungsfaktor.

Neues System, neue Probleme. Mit der Einführung des ID.3 hat VW ein neues Vertriebssystem etabliert: Die ID-Modelle werden im sogenannten Agenturmodell verkauft. Das heißt: Volkswagen ist direkter Vertragspartner der Kunden, die Händler fungieren nur noch als Agenten, die beraten, Probefahrten durchführen und die Auslieferung abwickeln. Die Händler müssen die Fahrzeuge nicht vorfinanzieren, sie tragen weniger Risiken. Damit verbunden ist allerdings eine deutliche Reduzierung der Händlermarge: Während die Grundmarge bei Verbrenner-Modellen nach Informationen aus Händlerkreisen 14 % beträgt, sind es bei den ID-Modellen lediglich 6 % Provision. Das bedeutet u.a., dass die Händler auf ID-Modelle keinen Rabatt mehr geben können, wollen sie mit dem Verkauf der Autos Geld verdienen. Zugleich besteht beim Verkauf von Verbrennern weiter Verhandlungsspielraum. Ein Ungleichgewicht, das unentschlossene Interessenten zum „Schnäppchen“ Verbrenner treibt, wie Händler und Verkäufer bestätigen. VW selbst deutet das in seiner Kommunikation hingegen positiv um: „Der Verkaufsprozess“ werde bei den ID-Modellen „durch den Entfall der Preisverhandlung vereinfacht“.

Den ID.3 gibt es aufgrund des neuen Vertriebssystems außerdem nur mit Lieferzeit, da die Händler nicht auf Vorrat bestellen können. Kurzentschlossene Käufer gucken beim ID.3 also in die Röhre, während sie bei den Verbrennern weiter aus vorkonfigurierten Fahrzeugen auswählen können, die beim Händler im Lager stehen.
Fehlende Boni für E-Auto-Verkäufe. Neben der Grundmarge sind die Händler für ihren Betriebserfolg vor allem auf das Servicegeschäft sowie auf Bonuszahlungen aus Wolfsburg angewiesen. Boni gibt es etwa für die Erreichung bestimmter Mengenziele, für den Verkauf bestimmter Ausstattungen oder die Abnahme von Vorführwagen. Nach Informationen aus Händlerkreisen gibt es jedoch weder eine zu erfüllende E-Auto-Quote noch einen Bonus, der speziell auf den Verkauf von E-Autos oder auch nur den Verkauf von Autos mit niedrigem CO2-Ausstoß abzielt. Volkswagen verweist in einer Antwort auf eine Greenpeace-Anfrage vom 16. Dezember 2020 auf eine „gesicherte und angemessene Provision für unsere Handelspartner“. Provision und Boni würden zudem auch dann gezahlt, wenn das Fahrzeug online gekauft wurde.

Geringere Provision für VerkäuferIinnen. Für die meisten VerkäuferIinnen ist die Bruttoertragsprovision der wichtigste Bestandteil ihrer Vergütung.  Dabei erhält der/die Verkäufer*in einen Anteil der Differenz zwischen Verkaufserlös und Anschaffungskosten. Er hat somit einen Anreiz, dem/der Käufer möglichst wenige Zugeständnisse zu machen. Schätzungen von Händlern gehen davon aus, dass rund ¾ aller VW-Betriebe mit Bruttoertragsprovisionen arbeiten. VerkäuferIinnen, deren Vergütung vor allem auf der Bruttoertragsprovision basiert, werden durch das neue VW-Vertriebsmodell benachteiligt: Während sie bei Verbrennern mit Verhandlungsgeschick eine hohe Vergütung erreichen können, entfällt diese Möglichkeit bei den ID-Modellen – es fehlt die Aussicht auf einen besonders guten Abschluss. Volkswagen erklärt dazu: „Grundsätzlich überlassen wir die Gestaltung der Verkäuferprovisionssysteme unseren Handelspartnern und da sie eigenständige Unternehmer sind, können wir hierauf auch keinen Einfluss nehmen.“ Es gebe allerdings auch Verkäufer-Prämien von VW. Bei diesem Programm werde der ID.3 „überproportional gefördert“.

Höhere Verkäufe möglich. VW besitzt eine Reihe von Instrumenten, um den Verkauf einzelner Modelle zu befördern: Werbekostenzuschüsse, Boni für den Verkauf einer bestimmten Anzahl von Fahrzeugen eines Modells, Anpassung der Leasingfaktoren. Doch trotz verhaltener Vertriebserfolge in Deutschland hat der Hersteller beim ID.3 davon bislang kaum Gebrauch gemacht. Stattdessen förderte VW vom 22. Juni bis zum 30. September 2020 den Abverkauf seiner konventionellen Modelle mit der Initiative „Deutschland startet durch“, bei der private Kunden beim Neuwagenkauf von VW und Händler 16 % Mehrwertsteuer geschenkt bekamen. Ausgenommen von der Aktion waren nur der e-up und der ID.3. Außerdem legte VW zum Bestellstart der Plug-in-Hybrid-Varianten des Golf (GTE und eHybrid) im Sommer 2020 eine Sonderleasing-Aktion auf, die die Lieferzeiten für die Hybrid-Varianten nach oben schnellen ließ. Leasing-Angebote starteten bereits bei unter 100 Euro im Monat. Tausende Leasingnehmer, die eines der zahlreichen Schnäppchen-Angebote annahmen, sind für den Leasingzeitraum als ID.3-Kunden verloren. Zwar gibt es seit Mitte November 2020 auch eine Sonderleasing-Aktion für den ID.3, die von VW gestützten Konditionen ermöglichen aber keine vergleichbaren Angebote: Sie starten weiterhin jenseits von 200 Euro im Monat. Doppelt so hohe Leasingraten – trotz ähnlicher Preise der beiden Modelle.

Schlechte Schulungen. Das wichtigste Instrument für eine Beschleunigung der ID-Verkäufe käme VW nicht teuer: Eine umfangreiche und motivierende Schulung der Vertriebspartner, damit diese in Kundengesprächen überzeugend und glaubwürdig zur Elektromobilität beraten können. Händler und Verkäufer bestätigen im Gespräch, dass bisherige Schulungen oberflächlich waren und zu wenig auf die Vorteile von Elektromobilität gegenüber Verbrennern und Plug-in-Hybriden sowie auf kritische Kundenfragen eingingen. Wie sehr überzeugte Händler und Verkäufer  Einfluss auf den Verkaufserfolg von Elektroautos haben, lässt sich auch daran erkennen, dass einzelne Autohäuser einen viel größeren Elektro-Anteil an ihren Verkäufen haben als der Durchschnitt. So waren knapp die Hälfte (47 %) der ausgelieferten Autos eines Tarmstedter VW-Händlers in den ersten drei Quartalen des Jahres nach eigenen Angaben Elektroautos. Volkswagen erklärt zu den Schulungen: „Wir haben seit 2018 mit einem sehr umfangreichen Maßnahmenpaket und einem siebenstelligen Betrag in die Schulung investiert.“ Die Vorbereitung auf die E-Mobilität sei die „intensivste Marktvorbereitung“ gewesen, die man bisher vorgenommen habe. Es sei aber klar, dass der Handel „einen Spagat zu meistern“ habe, da er gleichzeitig Verbrenner, Plug-in-Hybride und Elektroautos vertreibe.

Mystery Shopping. Fehlende finanzielle Stimuli, oberflächliche Schulungen, dazu die Aussicht auf ein schlechteres Servicegeschäft mit wartungsarmen E-Autos: VW-Händlern und -Verkäufern in Deutschland fehlen Anreize, möglichst viele ID.3 oder ID.4 zu verkaufen. Das zeigen auch 50 Testgespräche im Rahmen von Neuwagen-Kaufberatungen, die Greenpeace-Ehrenamtliche im November 2020 bei 50 verschiedenen VW-Händlern bundesweit in 38 Städten durchgeführt haben. Die Hälfte der TestkäuferIinnen kam mit einer offenen Frage nach einer Modell-Empfehlung in eines der 865 VW-Autohäuser, die den ID.3 im Auftrag von VW anbieten. Die andere Hälfte der TestkäuferInnen erklärte, zwischen Golf und ID.3 zu schwanken. In allen Beratungsgesprächen stellten die TestkäuferIinnen außerdem fünf Fragen zur Elektromobilität und baten die Verkäufer*innen, Vorteile von E-Autos zu benennen.

Empfehlungen. In den insgesamt 50 Beratungsgesprächen haben VW-VerkäuferIinnen den TestkäuferIinnen nur 8 Mal den ID.3 empfohlen, dagegen 27 Mal ein Modell mit Verbrennungsmotor (Benzin, Diesel, Plug-in-Hybrid). In einem Gespräch wurde ein anderes Elektroauto empfohlen, 14 Mal gab es keine explizite Empfehlung der VerkäuferIinnen.
Besonders deutlich zeigte sich die Fixierung auf Verbrenner, wenn die TestkäuferIinnen zu Beginn des Gesprächs das Thema Elektromobilität nicht erwähnten. In 17 von 25 Fällen empfahlen die VW-VerkäuferIinnen daraufhin einen Verbrenner. Nur einmal wurde dagegen ein ID.3 empfohlen.

Gaben die TestkäuferIinnen an, sich entweder den Kauf eines Golf oder eines ID.3 vorstellen zu können, empfahlen immerhin 7 VerkäuferIinnen den ID.3, 10 votierten für den Golf. Einzelne VerkäuferIinnen rieten in den Beratungsgesprächen eindeutig vom Kauf eines ID.3 ab. Ein Verkäufer erklärte, dass er den ID.3 nur bis zu einer Jahresfahrleistung von 15.000 km „mit gutem Gewissen“ empfehlen könne. Ein anderer Verkäufer erklärte gegenüber der Testkäuferin, er halte den Verkauf von E-Autos für verfrüht. Erst in fünf Jahren sei die Infrastruktur gut genug ausgebaut. Außerdem brauche man beim ID.3 sehr viel Vertrauen in die Elektronik. Ein weiterer Verkäufer zählte gleich eine ganze Reihe von Nachteilen des ID.3 auf: Gewicht, Preis, Details, Ressourcenaufwand. Zudem erklärte er, dass bei der Rohstoffgewinnung möglicherweise „Kinderarbeit im Spiel“ sei.

In allen Beratungsgesprächen stellten die Testkäufer*innen fünf Fragen zur Elektromobilität. Mit ihnen wurde Basiswissen abgefragt, auf gängige Vorurteile gegenüber E-Mobilität eingegangen sowie die Glaubwürdigkeit von Werbeversprechen hinterfragt. Dabei konnten die VW-VerkäuferIinnen fast die Hälfte der gestellten Fragen (48 %) nicht oder nicht richtig beantworten. Trotz der aktuellen Diskussion um die Ladeinfrastruktur konnte etwa nur jede*r zehnte Verkäufer*in in etwa sagen, wie viele öffentlich zugängliche Ladestationen es in Deutschland gibt. Nur die Hälfte der VW-VerkäuferIinnen konnte mit Sicherheit sagen, ob man mit dem ID.3 100 km weit fahren kann, wenn man ihn 12 Stunden lang an der Haushaltssteckdose auflädt

Große Wissenslücken gab es auch beim Thema Klimaneutralität. Obwohl VW den ID.3 sehr offensiv als „bilanziell klimaneutral“ bei der Auslieferung bewirbt, konnte mehr als die Hälfte der VW-Verkäufer*innen nicht erklären, was das eigentlich bedeutet. Die Hürde war hier bewusst niedrig gelegt – die Erwähnung von regenerativ erzeugtem Strom in der Produktion und Kompensation verbleibender CO2-Emissionen genügte für eine richtige Antwort. Dabei ist das Thema deutlich komplexer und sehr umstritten: Ein Greenpeace-Report hat erst kürzlich aufgedeckt, dass beim ID.3 rund 90 % der Produktions-Emissionen kompensiert werden, dazu mithilfe eines Waldschutzprojektes, dessen zusätzlicher Nutzen für das Klima sehr zweifelhaft ist.

In einem letzten Schritt fragten die TestkäuferIinnen, welche Vorteile ein E-Auto gegenüber Benziner und Plug-in-Hybrid habe. Insgesamt nannten die 50 VerkäuferIinnen hier 104 Vorteile – rund zwei pro Verkaufsgespräch. Am häufigsten genannt wurde „Fahrspaß“ (15 Nennungen), gefolgt von „umweltfreundlich“ (11 Nennungen) und die „Förderung durch Prämie“ (9). Es folgten weitere ökonomische Argumente mit „Laden günstiger als Tanken“ und „wartungsarm“ (je 7 Nennungen). „Geräuschloses Fahren“ (6 Nennungen) und „Lokal emissionsfrei“ (5 Nennungen) wurden vergleichsweise selten genannt. Quelle: Greenpeace (Benjamin Gehrs) / DMM