Wankt das fragwürdige Vorkasse-Modell der Airlines?

Nach zwei Jahren Pandemie sind Flugreisen fast wieder so uneingeschränkt möglich wie vor der Corona-Pandemie. Die zwei schlechten Nachrichten: 1. Die Flugtickets kosten im Vergleich zum Sommer 2019 etwa 44 % mehr, so das Vergleichsportals Check24. 2. Die Airlines bestehen weiterhin auf Vorkasse. Neben dem VDR und Verbraucherschützern, die seit längerem die Abschaffung der Vorkasse bei Flügen fordern, stellt nun auch das Bundesministerium für Verbraucherschutz die Regel infrage, bei der Buchung gleich den gesamten Preis zu kassieren, oft wochen- oder gar monatelang vor der Flugreise.

Dass Flüge in der Regel vorab bezahlt werden müssten, könne für Kunden ein erhebliches finanzielles Risiko bedeuten, sagt VZBV-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth. Während der Corona-Krise hätten die Fluggesellschaften enorm an Vertrauen eingebüßt, weil sie "die berechtigten Rückzahlungen an Kunden gesetzeswidrig verweigert und verzögert" hätten.

Das bisherige von Rechtsprechung und Politik akzeptierte Geschäftsmodell von Fluglinien und Reiseveranstaltern, bereits im Voraus noch nicht erbrachte Leistungen abzurechnen, wurde bislang eher unter dem Aspekt des Insolvenzrisikos und des Verbraucherschutzes betrachtet. Schon seit Jahren ist das sogenannte „Pay-as-you-check-in“-Verfahren, wonach Reisende den Flugpreis erst zum Zeitpunkt des Check-In bezahlen müssen und nicht wie bislang üblich bereits vollständig zum Zeitpunkt der Buchung, eine Kernforderung des VDR. 

Während der Corona-Krise zeigte sich, dass das Geschäftsgebaren der Fluggesellschaften aber auch der Reiseveranstalter, ihr Business dauerhaft mit dem  „Kredit“ der Kunden zu betreiben, kritisch zu hinterfragen ist. Kommt es nämlich zu einer wirtschaftlichen Krise und einer größeren Anzahl an Annullierungen, sind die Fluggesellschaften und Reiseveranstalter schlichtweg nicht in der Lage, die längst vereinnahmten und den Kunden zustehenden Gelder zurück zu erstatten. Das „Kundenkreditmodell“ wirkt dann als Brandbeschleuniger und ist damit ein systemimmanenter Fehler. Die Corona-Krise offenbarte die Chance, ein neues Modell aufzusetzen, das ausgewogen die Risiken verteilt und zudem die bisherige Praxis, die Geschäftsreisende und private Verbraucher gleichermaßen benachteiligt, zu beenden. Dass sich der Kunde auf seine Erstattungsansprüche bei Flugausfällen nicht verlassen kann, zeigt die jüngste Praxis der Airlines während der Corona-Krise: Der standardisierte  Erstattungsprozess für stornierte Flüge wurde  schlicht aus den gängigen Systemen entfernt – die Beträge wurden über viele Monate nicht ausbezahlt und die Unternehmen vertröstet.

„Pay-as-You-check-in“ ist die Option, den Flugpreis erst zum Zeitpunkt des Check-In zu bezahlen, also bei Leistungserbringung. Über gängige Kreditkarten-Bezahllösungen kann die Zahlung gewährleistet werden – so im Hotelbereich seit Jahren erfolgreich praktiziert. Im Fall von Flugannullierungen entfällt der Prozess für die Rückerstattung des Flugpreises und damit Aufwand auf allen Seiten. Das Modell bietet zudem Rechtssicherheit, da keine Ansprüche im Nachgang durchgesetzt oder erfüllt werden müssen. Der Staat müsste nicht einspringen, um den Rückerstattungsverpflichtungen insolventer Fluggesellschaften nachzukommen, und es würde auch keine zusätzliche Insolvenzabsicherung benötigt.  

Wenn die Airlines ihrer gesetzlichen Pflicht zur Rückerstattung innerhalb von sieben Tagen nicht proaktiv nachkämen, müsse die jetzige Praxis auf den Prüfstand gestellt werden, zitiert die Welt am Sonntag eine Sprecherin des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Normalerweise müssten Verbraucher eine Leistung erst bezahlen, wenn sie auch erbracht wurde. Bei Flügen hätten jedoch sie den Ärger, sich um die Rückerstattung kümmern zu müssen, wenn der Flug ausfällt. Deshalb es sei zentral, dass die Unternehmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Rückerstattung binnen sieben Tagen unaufgefordert nachkämen.

Eigentlich wollte die Lufthansa auf VDR-Initiative das System „Pay-as-you-fly“ anpassen. In der Diskussion über eine Alternative zum üblichen Vorkasse-Modell bei Flugbuchungen hat Lufthansa als erste Airline überhaupt auf die Forderungen des Verbands Deutsches Reisemanagement e. V. (VDR) reagiert und dem Verbandspräsidium sowie dem Fachausschuss Flug konkrete Pläne für eine Umgestaltung ihres Tarifgefüges vorgestellt. Das angepasste Tarifmodell sieht vor, dass der Bezahlvorgang bei innereuropäischen Flügen erst zum Zeitpunkt des Abflugs angestoßen wird. Außerdem sollen den Kunden nur tatsächlich genutzte Flüge belastet werden. Somit müssten Unternehmen im Falle eines Flugausfalls keine Erstattungsanträge mehr einreichen, wodurch administrative Kosten eingespart werden können. Zudem soll keine Verrechnung von Umbuchungs- und Stornierungsgebühren erfolgen. Indes spüren die Unternehmen von dieser Regelung nichts, ergab eine Kurzumfrage von DMM. Quelle: Check24.de / Bundesministerium für Verbraucherschutz / VDR / DMM