Weitere Verzögerung: B737 MAX starten wohl erst ab Frühherbst 2020

Piloten der US-Luftfahrtbehörde „Federal Aviation Administration“ (FAA) werden nicht vor Ende April 2020 mit upgedateten Boeing 737 MAX erste Testflüge unternehmen können. Erst deren erfolgreicher Abschluss ist Voraussetzung für eine erneute Zertifizierung der Jets, so das FAA gegenüber DMM. Das bedeutet, dass sich die Wiederinbetriebnahme der „Unglücksflieger“ in den Frühherbst 2020 verzögern wird.

Es wird wohl Sommerende oder Frühherbst, bis die B 737 MAX wieder fliegen darf. Foto: Mike Siegel

Zuletzt hatte es aus Boeing-Kreisen immer geheißen, Mitte des kommenden Sommers könnte das Grounding-Verbot aufgehoben werden. Daraus wird jetzt wohl nichts. Die wahrscheinliche weitere Verzögerung kommt für Boeing und die betroffenen Airlines nicht mehr ganz überraschend, zumal der Flugzeugbauer aus Seattle um das Prozedere der Wiederinbetriebnahme weiß. Dieses besagt, dass nach umfangreichen Prüfungen und Inspektionen eine Zertifizierung nur dann erteilt werden kann, wenn alles hundertprozentig fehlerfrei läuft. Erst nach dieser Feststellung beginnt das eigentliche Zulassungsverfahren, das mindestens 60 Tage plus weitere 30 Tage für die erweiterte Piloteneinweisung dauert. Das heißt, die Zulassung kann erst zum Ende des Sommers bzw. Herbstanfang 2020 erfolgen.

Vor zwei Wochen erst hatte FAA Administrator Steve Dickson vor Medien in London erklärt, dass die lang ersehnte Zulassung der 737 MAX schon in einigen Wochen möglich wäre (DMM berichtete). Nun heißt es seitens der FAA, dass vor den FAA-Testflügen Boeing eine B 737 MAX bereitstellen muss, die über 100 % funktionierende Systeme einschließlich neuer und funktionierender Software verfügen muss.

Im Cockpit muss auch eine Warnleuchte installiert sein, die jegliche echte Fehlfunktionen umgehend meldet. Bei Tests vor einigen Tagen erst hatte eine Warnleuchte des upgedateten Flugkontrollsystems einen irrtümlichen Fehler des Stabilisierungssystems beim Trim des Jets gemeldet. Mit der Fehlmeldung wurden die Piloten darauf hingewiesen, dass die von ihnen vorgegebene Lage des Flugzeugs (Nase nach oben bzw. Nase nach unten) angeblich falsch war. Tatsächlich aber war de Fluglage korrekt. Boeing begründete den Fehler mit einer Frequenzstörung, die nach einem leichten Software-Update behoben werden konnte. FAA-Ingenieure aber widerlegten diese Darstellung und fanden heraus, dass die Falschmeldung durch einen fehlerhaft arbeitenden Stabilisator verursacht worden war.         

Im Gegensatz zum ursprünglichen Flugkontrollsystem nutzt das Softwareupgrade nun beide Flugcomputer, die ihre Daten untereinander vergleichen und so den Piloten den tatsächlichen Flugzustand u.a. per Lichtsignal melden.

Boeing hatte das Unternehmen Collins Aerospace (Teil von United Technologies in West Palm Beach, Florida) damit beauftragt, die Flugkontroll-Software zu überarbeiten. Dabei stellte der Auftragsnehmer fest, dass die vorgegebenen Spezifikationen bei Weitem nicht ausreichten. Die Überarbeitung und Neuprogrammierung war mit einem immensen Zeitaufwand verbunden, so Collins Aerospace. Aber man sei auf gutem Weg, heißt es aus Boeing-Kreisen.

Wenn die FAA-Zertifizierungsflüge erfolgreich abgeschlossen worden sind, dürfen die geparkten B 737 MAX noch lange nicht wieder starten. Denn dann kommt das Joint Operations Evaluation Board (JOEB) ins Spiel, in dem Mitglieder des FAA Flight Standardization Board (FSB) und offizielle Vertreter der Luftfahrtbehörden von Kanada, Europa und Brasilien sitzen. Das Gremium legt die Standards für das Pilotentraining mit den upgedataten Maschine fest. Das FSB erstellt dann binnen zwei Wochen einen entsprechenden Report. Zusätzlich werden die FAA und das Technical Advisory Board (TAB) abschließend die endgültigen Konstruktionsdokumentation Boeings checken. Und wenn es dann absolut keine Einwände mehr gibt, dann erst will FAA-Chef Dickson die Freigabe erteilen. Übrigens auch erst dann, wenn er höchstpersönlich einen Abnahmeflug absolviert hat und er auch seiner Familie empfehlen kann, Flugreisen mit diesem Flugzeugtyp zu unternehmen, ohne sich Gedanken machen zu müssen.

Boeing ist überzeugt, dass die gesamte Prozedur noch im Sommer 2020 abgeschlossen werden kann. Fluggesellschaften, die auf ihre B 737 MAX schon seit mehr als einem Jahr warten, müssen sich selbst über den Sommer hinaus noch gedulden. Denn die müssen ihre Piloten zu entsprechenden Trainings schicken, was wiederum etwa einen Monat dauern kann. American Airlines und Southwest haben angesichts der neuerlichen Kenntnisse die B737 MAX aus ihren Flugplänen bis Ende August gestrichen. Und United Airlines sogar bis Mitte September. Quelle: FAA / Boeing / United / DMM