Weniger geschäftliche Fernreisen

Die Nachfrage nach Fernreisen hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren deutlich erholt, liegt aber weiterhin unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Das gilt insbesondere für Dienstreisen. Das Niveau des Jahres 2019 wird voraussichtlich auch 2023 nicht erreicht, besagt die Studie „Destination unknown: The future of long-distance travel“ der Münchner Unternehmensberatung Roland Berger.

Einerseits reisen – vor allem durch Nachholeffekte – wieder deutlich mehr Menschen, gleichzeitig steigt im Vergleich zu 2021 die Zahl der Befragten, die angeben, dass sie künftig weniger reisen wollen. Als Grund werden neben der verstärkten Nutzung von Online-Kommunikation immer öfter auch ökologische Bedenken genannt. Die immer verheerenderen Auswirkungen des Klimawandels, hervorgerufen auch durch das viele Fliegen, lassen Menschen mehr Gedanken m die Zukunft machen. Für die Studie führten die Experten Marktanalysen sowie eine Umfrage unter rund 7.000 Personen in sieben Ländern durch.

„Die Aufhebung der Covid-bedingten Reisebeschränkungen hat dem Flug- und Bahnverkehr in den vergangenen 18 Monaten weltweit einen starken Schub verliehen“, sagt Jan-Philipp Hasenberg, Partner bei Roland Berger. „Trotzdem liegt die Nachfrage in den wichtigsten Märkten immer noch unter dem Niveau von vor der Pandemie. Zudem setzen weitere Faktoren wie die steigenden Energie- und Kraftstoffpreise oder der Fachkräftemangel die Anbieter unter Druck, ihre Betriebsabläufe effizienter zu gestalten.“

Verglichen mit Ergebnissen der Vorgängerstudie von 2021 sowie einem Prä-Covid-Index von 2019 zeigen sich deutliche Veränderungen im Reiseverhalten für Langstrecken. So stieg etwa in den USA die Nachfrage nach Flügen im ersten Halbjahr 2022 auf 87 % des Vor-Covid-Niveaus. Das sind 18 Prozentpunkte mehr als 2021.
Auch in Europa erholte sich der Luftverkehr, trotz Ukrainekrieg und wirtschaftlicher Herausforderungen infolge der Energiekrise und massiv gestiegenen Inflation. Im ersten Halbjahr 2022 lag die Nachfrage bereits wieder bei 60 bis 80 % des Niveaus vor der Pandemie; 2021 waren es noch 20 bis 40 %. 

Ähnlich sieht es beim europäischen Bahnverkehr aus: Er erholte sich auf etwa 75 % des Niveaus vor Covid. In China hingegen sank die Nachfrage nach Flugreisen aufgrund der Covid-Restriktionen im ersten Halbjahr 2022 auf nur 32 % des Vor-Pandemie-Niveaus, während sie 2021 noch bei 74 % lag. Auch die Nachfrage nach Bahnreisen ging von 2021 auf 2022 um 37 % zurück.

Zurückhaltung bei Fernreisen. Die Gesamtnachfrage nach Fernreisen wird voraussichtlich auch 2024 unter dem Vor-Covid-Niveau bleiben. Das schließen die Studienautoren aus ihrer weltweiten Befragung. In allen Schwerpunktmärkten planen die Befragten deutlich weniger Reisen als vor der Pandemie.
So sank 2022 die Zahl der erwarteten Geschäftsreisen gegenüber 2019 um 28 % und lag damit sogar nochmals fünf Prozentpunkte niedriger als bei der Umfrage 2021. Bei geplanten Privatreisen lag der Rückgang bei 19 % (2021: 18 %). Besonders stark zeigt sich die Zurückhaltung bei weiten Strecken: Die Zahl der geplanten interkontinentalen Geschäftsreisen sank auf 42 % des Vor-Covid-Niveaus; 22 Prozentpunkte weniger als 2021.

Hauptgrund für das geänderte Mobilitätsverhalten ist die vermehrte Nutzung von Online-Kommunikation, sowohl bei Geschäftsreisen (von 61 % der Befragten genannt) als auch bei Privatreisen (40 %). Dahinter folgen bei Geschäftsreisen geänderte Reiserichtlinien (43 %), neue gesetzliche Vorschriften (38 %) und mit zunehmender Tendenz ökologische Gründe (37 %; +8 gegenüber 2021). Bei Privatreisen liegen auf dem zweiten Rang gesetzliche Vorschriften, finanzielle sowie ebenfalls ökologische Gründe mit jeweils 36 %.

„Wie wichtig den Befragten der Faktor Umwelt- und Klimaschutz ist, belegen zwei Kernergebnisse unserer Umfrage: Zum einen plant eine Mehrheit, Flugreisen zugunsten von Bahn- oder Autoreisen einzuschränken. Zum anderen sind mit 90 % fast alle Befragten bereit, 20 % mehr für Flugtickets zu zahlen, wenn damit die Klimaauswirkungen von Flügen reduziert werden können“, betont Hasenberg. „Dementsprechend ist es für viele Anbieter derzeit das Top-Thema, ihre Angebotspalette um ‘Grüne Produkte’ mit entsprechend angepassten Preisen zu erweitern.“ Quelle: Roland Berger / DMM