Wer ein Verbrennerauto auf einem E-Parkplatz vor Ladesäulen parkt, muss zahlen

Ein Autofahrer hatte seinen Audi Q7 am 25. Mai 2018 auf einer ausschließlich für Elektrofahrzeuge vorgesehenen und eineindeutig beschilderten Stellfläche abgestellt. Als er zurückkehrte, war sein Fahrzeug nicht mehr da. Es war abgeschleppt worden. Noch am gleichen Abend holte der Falschparker sein SUV beim Abschleppunternehmen ab, wobei er die fälligen Abschleppkosten nicht vor Ort entrichtete. Im Gegenteil: Er klagte gegen den Kostenbescheid der Stadtverwaltung, verlor letztlich mit Pauken und Trompeten.

Bediensteten der Stadtverwaltung war das verboten geparkte teure SUV aufgefallen. In diesem Bereich sind zwei Parkplätze mit den Verkehrszeichen 314 (Parken) mit einem weißen Richtungspfeil nach rechts bzw. links ausgeschildert. Unmittelbar unter den Verkehrszeichen 314 angebracht ist jeweils ein weißes Zusatzzeichen, auf dem das Sinnbild eines Fahrzeugs mit einem Elektrostecker abgebildet ist. Am zur Fahrbahn gelegenen Gehwegrand befindet sich etwa in der Mitte der beiden gesondert gekennzeichneten Parkflächen eine Ladestation für Elektrofahrzeuge. Ausweislich der Feststellungen im Abschleppbericht lag in dem Fahrzeug des Klägers keine Rufnummer aus, weshalb die Außendienstmitarbeiter ein Abschleppunternehmen beauftragten, das das Fahrzeug  abschleppte. Der Kläger holte sein Fahrzeug noch am Abend des gleichen Tags vom Hof des Abschleppunternehmens ab, wobei er die fälligen Abschleppkosten nicht vor Ort entrichtete.

Am 05. Juni 2018 hörte die Beklagte (Stadtverwaltung) den Kläger zur beabsichtigten Kosteninanspruchnahme an. Eine Reaktion darauf erfolgte nicht. Mit Leistungsbescheid vom 18. Juli 2018 setzte die Beklagte die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten in Höhe von insgesamt 337 Euro (222 Euro Rechnung des Abschleppunternehmens zuzüglich einer Verwaltungsgebühr i.H.v. 115 Euro fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Das Fahrzeug sei auf einem Parkplatz abgestellt gewesen, der durch entsprechende Verkehrszeichen ausschließlich elektrisch betriebenen Fahrzeugen vorbehalten sei. Für die Inanspruchnahme und zur Erkennbarkeit dieser Bevorrechtigung sei für Fahrzeuge der zusätzliche Kennbuchstabe „E“ auf dem Kennzeichen erforderlich. Über ein solches verfüge das klägerische Fahrzeug nicht. Infolge der dadurch ausgelösten Funktionsbeeinträchtigung habe das verkehrsordnungswidrig abgestellte Fahrzeug abgeschleppt werden dürfen, da ein Verfügungsberechtigter in der Nähe des Fahrzeugs nicht erreichbar gewesen sei.
Gegen den Bescheid hat der Kläger am 02. August 2018 Klage erhoben. Zur Begründung macht er mit umfänglichen Erwägungen geltend, dass der Kostenbescheid rechtswidrig sei. Der bloße Parkverstoß rechtfertige keine Abschleppmaßnahme. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung habe nicht vorgelegen. Die Abschleppmaßnahme sei insbesondere unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagte habe nicht einmal versucht, den Fahrer des Fahrzeugs ausfindig zu machen und lediglich 14 Minuten bis zur Beauftragung des Abschleppunternehmens zugewartet. Es sei davon auszugehen, dass er das Fehlen des Fahrzeugs gegen 19:00 Uhr bis 19:15 Uhr bemerkt habe, also ca. 25 Minuten nach Beendigung des Abschleppvorgangs. Bei verhältnismäßiger Wartezeit wäre die Abschleppmaßnahme nicht erforderlich gewesen. Diese sei insbesondere auch unangemessen. Die Beklagte verkenne, dass die einschlägigen Verkehrszeichen das Parken und/oder Laden von Elektrofahrzeugen erlaube. Die streitgegenständlichen Parkplätze dienten folglich auch dem schlichten Parken derartiger Fahrzeuge. Hinzu komme, dass hinter seinem abgeschleppten SUV eine weitere Park- bzw. Ladefläche für Elektrofahrzeuge frei gewesen sei. Damit habe weder eine konkrete Behinderung noch eine Funktionsbeeinträchtigung vorgelegen. Auch befänden sich in unmittelbarer Nähe zu der Ladestation zahlreiche weitere Ladestationen im Innenstadtbereich, sodass die Nutzer von Elektrofahrzeugen auch andere Lademöglichkeiten hätten nutzen können. Die Abschleppmaßnahme sei mithin keinesfalls unaufschiebbar gewesen. Die rein formalistische Betrachtungsweise, dass der abgeschleppte SUV über kein „E“-Kennzeichen verfüge, lasse die notwendigen Einzelwürdigung vermissen und werde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie dem Eingriff in sein Eigentum nicht gerecht. Die Situation sei mit Parkverstößen vor Feuerwehreinfahrten oder auf Behindertenparkplätzen in keiner Weise vergleichbar. Auch habe er mangels entsprechender Hinweise nicht mit einer Abschleppmaßnahme rechnen müssen.
Der Kläger beantragte, den Leistungsbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt vom 18. Juli 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem streitbefangenen Bescheid. Ergänzend wies sie darauf hin, dass der parkvorberechtigte Benutzerkreis darauf vertrauen können müsse, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt und jederzeit zur Verfügung stehe. Das werde nur gewährleistet, wenn die für elektrische Fahrzeuge ausgewiesenen Parkplätze jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten würden. Eine Funktionsbeeinträchtigung liege deshalb auch dann vor, wenn von mehreren ausgewiesenen Sonderparkzonen lediglich einer durch ein nicht bevorrechtigtes Fahrzeug genutzt werde. Die Funktion der Sonderparkplätze für Elektrofahrzeuge beziehe sich nicht ausschließlich auf die Möglichkeit, dort Strom zu laden.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : Das Gericht entschied gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung   VwGO   durch den Einzelrichter. Die Anfechtungsklage wurde  als unbegründet zurückgewiesen. Der Leistungsbescheid vom 18. Juli 2018 war rechtmäßig und verletzte den klagenden Falschparker nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Der Kläger ist zurecht zu den Abschleppkosten (Gebühren und Auslagen) nach § 77 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen VwVG NRW in Verbindung mit §§ 15 Abs. 1 Nr. 7, 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 7, 8 der Verordnung zur Ausführung des VwVG NRW - VO VwVG - herangezogen worden.  Ergänzend wurde angemerkt: Durch das Elektromobilitätsgesetz vom 05. Juni 2015 (BGBl. I S. 898) – EmoG - hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, Elektromobilität auf vielfältige Weise zu fördern.  Insbesondere ist in § 3 Abs. 4  Nr. 1. EmoG die mögliche Bevorrechtigung von Elektrofahrzeugen auch für das (bloße) Parken auf öffentlichen Straßen oder Wegen normiert worden, ohne dass mit dem Parkvorgang zwingend eine gleichzeitige Ladetätigkeit einhergehen müsste. Die gesetzliche Ermächtigung (vgl.  § 3 Abs. 5 EmobG) ist  durch die 50. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher  Vorschriften vom 15. September 2015 (BGBl. I. S. 1573) u.a. in Art. 2 Ziff. 2 und 6 durch Einfügung des § 45 Abs. 1g und Anfügung der Nummer 3. a) in Spalte 3 der laufenden Nummer 7 zur Anlage 3 dahingehend umgesetzt worden, dass „Durch Zusatzzeichen die Parkerlaubnis zugunsten elektrisch betriebener Fahrzeuge beschränkt sein (kann)“.

Auf einem nach dieser Maßgabe im hier fraglichen Bereich der „L.—straße“ in E. eingerichteten Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge war das klägerische Fahrzeug abgestellt, obwohl es kein elektrisch betriebenes Fahrzeug in diesem Sinne ist Die damit einhergehende Verkehrsordnungswidrigkeit stellte der Kläger auch nicht in Abrede. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist regelmäßig ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge geboten, wenn sie andere Verkehrsteilnehmer behindern. Eine derartige Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn Verkehrsflächen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. So lag es auch hier. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde durch das unberechtigte Parken und die damit bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Gestalt einer Verletzung der Rechtsordnung die mit der Ausweisung des Sonderparkplatzes verbundene Funktion, das – bloße - Parken von allein berechtigten Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, beeinträchtigt. Die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche rechtfertigte die Abschleppmaßnahme. Der parkvorberechtigte Personenkreis soll darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum diesem jederzeit zur Verfügung steht. Ein Abschleppvorgang ist deshalb auch ohne konkrete Beeinträchtigung des bevorrechtigten Personenkreises grundsätzlich nicht unangemessen. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass in aller Regel zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlass einer Abschleppanordnung weder absehbar ist, wann das nächste parkberechtigte (Elektro-) Fahrzeug dort eintreffen wird, noch eingeschätzt werden kann, wann der Verantwortliche das dort unberechtigt abgestellte Fahrzeug selbst wegfahren wird. Ebenfalls ist die Abschleppmaßnahme nicht deshalb unverhältnismäßig, weil das Vorhandensein eines Sonderparkplatzes für Elektrofahrzeuge den diesbezüglichen Fahrern keine Gewähr dafür bietet, diesen Platz auch immer nutzen bzw. einen freien vorfinden zu können.

Unerheblich ist hiernach, dass zum Zeitpunkt der Fertigung der Ablichtungen der Örtlichkeit im Rahmen der Dokumentation des Abschleppberichts auf der unmittelbar angrenzenden Parkfläche ein zweiter Sonderparklatz für Elektrofahrzeuge frei gewesen sein mag und sich nach dem unwidersprochen gebliebenen klägerischen Vorbringen im nahen örtlichen Bereich weitere Sonderparkplätze bzw. Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge befinden mögen.

Auch die Ausführungen zu einer vermeintlich ungenügenden Wartezeit verfangen nicht. Das gilt umso mehr, als zufolge der insoweit ohnehin vage gebliebenen Ausführungen des Klägers der Fahrzeugführer etwa gegen 19.00 Uhr bis 19:15 Uhr das Fehlen das Fahrzeugs bemerkt habe, mit anderen Worten erst zu diesem Zeitpunkt am Abstellort in der L.--straße erschienen sein dürfte. Selbst bei Einhaltung einer Wartezeit von 30 Minuten wäre der Einleitung des Abschleppvorgangs folglich nicht vermieden worden. Bereits hinsichtlich einer derartigen Wartezeit hat aber bereits das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass eine solch lange Wartezeit eine effektive und zugleich wirtschaftliche Überwachung des ruhenden Verkehrs durch die Bediensteten der Ordnungsbehörde erheblich beeinträchtigen würde. 

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bzw. der Fahrzeugführer vor Einleitung der Abschleppmaßnahme hätte ermittelt und ohne weitere Verzögerung dazu bewegt werden können, das Fahrzeug aus dem Bereich des Parkverbots zu entfernen, waren nicht ersichtlich. Aus dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Abschleppbericht wurde zudem deutlich, dass die verantwortlichen Außendienstmitarbeiter – ohne Erfolg - zumindest überprüft haben, ob eine (Mobil-)Telefonnummer des Fahrzeugführers auffindbar gewesen wäre.

Soweit der Kläger sinngemäß eingewendet hat, Elektrofahrzeuge und die für diese eingerichteten Sonderparkplätze seien weniger schutzwürdig bzw. die mit dem Aufsuchen eines anderweitigen Parkplatzes verbundenen Beeinträchtigungen seien für den betroffenen Personenkreis weniger gravierend als bspw. in Fällen des verkehrsordnungswidrigen Parkens auf Sonderparklätzen für Schwerbehinderte und er deshalb allenfalls ein Verwarnungsgeld als verhältnismäßig ansehe, nicht aber die mit einem Abschleppvorgang einhergehenden weiteren Belastungen, setzt er in unzulässiger Weise seine eigene Bewertung an die Stelle des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat durch die Regelungen im Elektromobilitätsgesetz deutlich gemacht, dass er der Bevorrechtigung von Elektrofahrzeugen im Allgemeinen und u.a. dem bevorzugten Parken auf öffentlichen Straßen und Wegen im Besonderen eine hohe Bedeutung beimisst. Eine gegenteilige Bewertung steht dem Verkehrsteilnehmer nicht zu.  Dies gilt umso mehr als die Auffassung des Klägers die Gefahr begründet, dass Verkehrsteilnehmer unter Inkaufnahme eines Verwarnungs- bzw. Bußgeldes, aber in Erwartung eines jedenfalls vorübergehenden "Abschleppschutzes",  entsprechende Verkehrsverstöße begehen. Einer solchen negativen Vorbildwirkung wird durch ein zeitnahes Abschleppen entgegengewirkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich betont, dass derartige  Gedanken der Generalprävention jedenfalls ergänzend in die Gesamtabwägung einfließen dürfen.

Auch führen die nicht unerheblichen Kosten und sonstigen Erschwernisse nicht zur Unverhältnismäßigkeit der streitigen Kostenforderung. Denn diesen Belangen des Betroffenen kommt in aller Regel, und so auch vorliegend, kein höheres Gewicht zu als dem vom Normgeber anerkannten öffentlichen Interesse, die Förderung von Elektrofahrzeugen durch vielfältige gesetzliche Maßnahmen, u.a. durch die Schaffung von besonderen Parkmöglichkeiten zu fördern. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Fahrer des verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs die Ursache für die ihn bzw. den Fahrzeughalter treffenden nachteiligen Folgen selbst gesetzt hat.
Letztlich bewegt sich auch die Höhe der Kostenforderung der Beklagten im regelmäßig durch die Kammer in vergleichbaren Fallgestaltungen gebilligten Rahmen. Dahingehende Einwände hat der Kläger auch nicht substantiiert. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17. Kammer, Urteil vom 23.01.2020, Az: 17 K 4015/18 / DMM