Wer hat recht, die DUH oder Daimler?

Vor dem Landgericht Stuttgart kommt es am 20. Dezember 2016 zu Verhandlung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen Daimler. Die DUH hatte den schwäbischen Autobauer wegen irreführender Werbung mit niedrigen Abgaswerten verklagt. Die DUH wirft dem Autobauer vor, gegen den auch US-Behörden ermitteln, Verbraucher mit Werbung über saubere Dieselmotoren der C-Klasse in die Irre geführt zu haben.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte Anfang Februar Messungen aus den Niederlanden veröffentlicht, die eine bis zu 28-fache NOx-Grenzwertüberschreitung bei Straßenmessungen belegen. Die Käufer von Mercedes BlueTec-Modellen wurden und werden jedoch nicht über diesen erheblichen Mangel informiert, der Umwelt und Gesundheit schadet. Im Gegenteil, so die DUH weiter: Daimler täuscht die Verbraucher in Modellkatalogen und auf der Konzern-Homepage mit falschen Aussagen zu angeblich minimalen NOx-Emissionen des Diesel-Modells Mercedes-Benz C 220 BlueTEC CDi (Euro 6). Deshalb reichte die DUH vor dem Stuttgarter Landgericht Klage gegen die Daimler AG ein, um die Fortsetzung der Verbrauchertäuschung für alle von den Abgasmanipulationen betroffenen Fahrzeugen gerichtlich untersagen zu lassen.

Nach Ansicht der DUH verstoßen u.a. folgende falsche Werbeversprechen der Daimler AG gegen das Verbot irreführender Werbung (§ 5 UWG):

  • „So wie die BlueTEC Dieselmotoren mit besonders geringem Schadstoffausstoß. Eine komplexe Katalysatortechnologie reduziert die Stickoxide deutlich, das Fahren wird im besten Wortsinn zur reinsten Freude.“  
  • „Und bei den Modellen mit Dieselmotoren konnten die Stickoxid-Emissionen durch das hochmoderne Abgasbehandlungskonzept BlueTEC um bis zu 90 % auf ein Minimum reduziert werden.“
  • „BlueTEC reduziert die Emissionswerte unserer hochmodernen Dieselmotoren auf ein Minimum und senkt zugleich den Verbrauch. […] Es umfasst verschiedene, aufeinander abgestimmte technische Maßnahmen zur innermotorischen Minimierung der Rohemissionen und zur effektiven Nachbehandlung des Abgases. Dabei werden alle relevanten Emissionsbestandteile auf ein Minimum reduziert.“

Am 17. Februar 2016 forderte die DUH den Stuttgarter Autokonzern als klagebefugter Umwelt- und Verbraucherschutzverband auf, falsche Werbeaussagen ab sofort zu unterlassen. In einem Schreiben vom 24. Februar 2016 teilte die Daimler AG der DUH mit, man „sehe keinen Anlass, die von Ihnen geforderte Unterlassungserklärung abzugeben“ und führte aus, dass die von der DUH zitierte TNO-Studie „eine Verringerung der Stickoxid-Emissionen um bis zu 90 %“ zeige.

Tatsächlich zeigte TNO, dass die Mercedes C-Klasse BlueTec 220 CDi bei Straßenmessung mit Außentemperaturen von 7-10 ° C die geltenden Grenzwerte um das bis zu 28-fache überschritt und gerade bei für Städte typischen Geschwindigkeiten (0 - 45 km/h) mehr als 10-fach über den Grenzwerten lag. Die von Daimler erwähnte 90 %ige Abgasreinigung wurde von TNO nur im Prüflabor und bei keinem einzigen der Straßentests nachgewiesen, so die Umweltilfe.

Nach der Typgenehmigungsvorschrift der EU muss die Emissionsminderungsanlage jedoch „in normal use“, das heißt bei allen normalen Temperaturen und gerade auch auf der Straße funktionieren. Temperaturen von + 7 bis 10 °C sind zwischen September und April mehr als normal. Ein ebenfalls von TNO auf der Straße gemessener BMW 530d hielt bei den für Innenstädte typischen Geschwindigkeiten die Euro 6 NOx-Grenzwerte ein.

Die Qualitätsversprechen Daimlers stehen laut DUH im klaren Widerspruch zu den von TNO gemessenen Überschreitungen der Grenzwerte für Stickoxide. Tatsächlich erreichte der getestete Mercedes nicht einmal die NOx-Grenzwerte für Euro 2 Diesel-Pkw.

„Es gibt keinen technischen Grund, warum es nicht möglich sein soll, bei allen normalen Außentemperaturen die giftigen Dieselabgase entsprechend der Grenzwerte zu reduzieren. Ich werfe Daimler-Chef Dieter Zetsche persönlich vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge in vielen tausend Fällen vor. Wenn moderne Euro 6 BlueTec Diesel-Pkw gerade bei in Städten typische niedrigen Geschwindigkeiten zehn Mal mehr Stickoxide emittieren als erlaubt ist es keine Überraschung, wenn die Mercedes-Metropole Stuttgart gleichzeitig die schmutzigste Stadt Deutschlands ist, was die NOx-Belastung der Atemluft angeht“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Die DUH weiter: „Mercedes-Käufer sollten gegenüber Daimler-Chef Dieter Zetsche auf das gegebene Qualitätsversprechen ‚Das Beste oder nichts‘ bestehen. Falls der Hersteller eine Reparatur verweigert, können die Kunden verlangen, dass der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird."

Auch in anderen Ländern ermitteln die nationalen Behörden inzwischen gegen Daimler wegen stark erhöhter Schadstoffemissionen. In Frankreich fiel die Mercedes S-Klasse (S-350 Diesel) bei der von der Umweltministerin Segolene Royal durchgeführten amtlichen Tests zudem mit über 40 %igen Abweichungen bei den CO2-Werten auf. In den USA ermittelt die Washingtoner Umweltbehörde EPA wegen einer 65-fachen NOx-Grenzwertüberschreitung. Diese entspricht aufgrund der doppelt so strengen US-Grenzwerte den von der DUH veröffentlichten Überschreitungen, die in den Niederlanden durch TNO gemessen wurden.

Das in Deutschland für den Entzug der Typzulassung zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) schwieg sehr lange. Auf den von der DUH im Januar 2016 gestellten Antrag auf Entzug der Typzulassung für den Mercedes C-Klasse 220 CDi reagierte das KBA erst nicht, dann hieß es, der Wagen sei nicht zu beanstanden.

Hintergrund: Die Daimler AG hatte als Reaktion auf den am 03. Februar 2016 durch die DUH erhobenen Vorwurf der Verwendung von Abschalteinrichtungen eine solche eingeräumt, mit der die Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems bei Außentemperaturen unter + 10 °C ‚zum Schutz des Motors‘ verringert wird. Nach einer schriftlichen Bestätigung zum Bericht 2015/R10702 des niederländischen Prüfinstituts TNO lagen die bei dem geprüften Mercedes-Benz C 220 BlueTEC gemessenen NOx-Emissionen bei Außentemperaturen zwischen 7 und 10 °C mit 817 mg NOx/km um das mehr als Zehnfache über dem geltenden Grenzwert bei für den Stadtverkehr typischen Geschwindigkeiten von 0 – 45 km/h. Gegenüber den Messwerten auf dem Rollenprüfstand war die Abweichung auf der Straße sogar um den Faktor 20 höher. Da die Daimler AG im Zusammenhang mit den oben zitierten Werbeversprechen nicht auf diese Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems hinweist, obwohl in Deutschland in über 50 % der Zeit Temperaturen von unter 10 °C herrschen, sind diese Aussagen irreführend, so die DUH. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Az.: 34 O 21/16 KFH verhandelt. Quelle: DUH / LG Stuttgart / DMM