Bei Flugannullierungen und großen Verspätungen bekommen Passagiere nach europäischem Recht eine Entschädigung. Das ist so in der EU-Fluggastrechteverordnung geregelt. Das können bis zu 600 Euro sein, je nach Flugstrecke. Unter Umständen gehen Fluggäste aber leer aus: dann nämlich, wenn sie sich entscheiden, nun doch nicht den geplanten Flug zu nehmen.
Über zwei Fälle hatte das höchste Gericht der EU zu entscheiden. In einem Fall hatte ein Business Traveller 2018 den Flug mit Laudamotion von Düsseldorf nach Palma de Mallorca erst gar nicht angetreten, weil schon klar war, die Maschine würde viel zu spät landen, und er würde seinen Geschäftstermin am Zielort verpassen.
In dem anderen Fall hatte der Reisende, der 2019 ebenfalls mit Laudamotion von Düsseldorf nach Palma de Mallorca fliegen wollte, sich angesichts der möglichen Verspätung selbstständig einen Ersatzflug besorgt und kam tatsächlich nicht ganz so spät an.
Für beide klagte der Rechtsdienstleister flightright bei den deutschen Gerichten, und der Bundesgerichtshof legte die Sache zur Klärung dem EuGH in Luxemburg vor. Der in beiden Fällen nun in dritter Instanz zuständige Bundesgerichtshof (BGH) legte beide Fälle zur Vorabentscheidung dem EuGH vor.
Hintergrund: Nach der Fluggastrechte-VO (Art. 7) bekommen Passagiere von erheblich verspäteten Flügen eine pauschale Entschädigungszahlung. Die Höhe richtet sich nach der Länge des Flugs und der Verspätung. Sie beträgt jedoch mindestens 250 Euro (wie in diesem Fall). Zweck der Regelung ist es, Passagiere verspäteter Flüge solchen Passagieren gleichzustellen, deren Flüge ganz ausfallen. Denn ein mehrstündiger Zeitverlust ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH mit dem Ärgernis eines ausgefallenen Fluges vergleichbar.
Eine solche Gleichstellung erfolgt nach Auffassung des EuGH aber nicht, wenn der Fluggast schon gar nicht erst zum Flughafen gekommen ist. Denn dann habe der Passagier seine Zeit anders nutzen können. Außerdem werde auch ein verspäteter Flug durchgeführt, sodass die Fluggäste trotz allem verpflichtet seien, die Abfertigung am Flughafen durchführen zu lassen. Tut ein Passagier das nicht, habe er auch keinen Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechte-VO.
Das Gleiche gelte, wenn ein Passagier dank eines selbst gebuchten Ersatzfluges mit weniger als drei Stunden Verspätung am Zielort ankommt. Auch dann erleide er – und zwar trotz der Verspätung des ursprünglich gebuchten Fluges – keinen irreversiblen Zeitverlust. Die Fluggastrechte-VO solle Passagieren helfen, die Ärgernisse und große Unannehmlichkeiten erleiden, so der EuGH. Die Unannehmlichkeit, selbst einen Ersatzflug zu buchen, sei jedoch nicht groß genug, um eine Entschädigung zu bekommen.
Der BGH muss die Fälle nun nach den Maßstäben aus diesen EuGH-Urteilen entscheiden. Den Passagieren bleibt davon unabhängig aber noch die Möglichkeit, im zivilrechtlichen Verfahren Schadensersatz geltend zu machen. EuGH, (Urteil vom 25. Januar 2024, Az: C-474/22 u.a.) / DMM