Wer zahlt Milliarden Mehrkosten für Stuttgart 21?

Mauscheln Stadt und Land mit der DB, um die Gerichtsentscheidung, wer die offenen Milliardenrechnungen bei Stuttgart 21 zahlen soll, möglichst lange hinauszuzögern? Diesen Verdacht äußert das Aktionsbündnis in einem Schreiben an Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann und Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn.

Während die Projektkosten des von der Deutschen Bahn längst als unwirtschaftlich bewerteten Projekts in Riesenschritten steigen – zugegeben sind 8,2 Mrd. €, realistisch sind Experten zufolge weit über 10 Mrd. € - ist weiter unklar, wer für die Mehrkosten aufkommen soll. Seit Jahresende 2016 schwelt der von der DB AG beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingeleitete Prozess, mit dem die Bahnspitze rund 65 % aller Mehrkosten, die den Kostendeckel des Finanzierungsvertrags von 4,526 Mrd. € übersteigen, auf die Projektpartner abwälzen will – wohlgemerkt: bereits entstandene und alle künftigen Mehrkosten. Schon bei den derzeit offiziell eingestandenen Kosten von 8,2 Mrd. € kämen auf die Projektpartner demnach zusätzliche Forderungen in Höhe von ca. 2,38 Mrd. € zu.

In der Sache sind die Argumente längst ausgetragen. Dass die Verpflichtung zu Gesprächen bei Mehrkosten, die sogenannte Sprechklausel des Finanzierungsvertrages, natürlich keine Verpflichtung zu zahlen auslöst, also keine „Zahlklausel“ ist, wurde ebenso vorgetragen wie der Verweis auf die Verjährung der Forderung spätestens 2012, nachdem die DB nachweislich bereits 2009 von der Überschreitung des Kostendeckels von 4,5 Mrd.€ wusste. Bei diesem Stand der Dinge hätte jedes Gericht längst einen Verhandlungs- bzw. Entscheidungstermin anberaumt, so Dr. Eisenhart von Loeper, erfahrener Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses. Das Stagnieren des Verfahrens sei nur denkbar, wenn es hierzu eine Übereinkunft, sprich Mauschelei, der Prozessbeteiligten gebe.
 
Je früher feststünde, wen die nach oben unbegrenzten Milliarden-Mehrkosten treffen, desto wahrscheinlicher würde dies bei dem oder den betroffenen Projektpartnern eine erneute Diskussion über den Ausstieg auslösen. Nicht unwahrscheinlich wäre z.B., dass mit einer Gerichtsentscheidung Forderungen von 2 bis 3 Mrd. € und mehr bei der DB, letztlich beim Bund, hängen bleiben. Dass Bundesregierung oder Bundestag solche Mehrkosten unbeeindruckt auf sich nehmen, ist schwer vorstellbar. Der Verdacht drängt sich auf, dass Stadt, Land und Bund die „Stunde der Wahrheit“ möglichst lange hinauszögern wollen, um noch mehr Fakten schaffen zu können, die eine Umkehr ausschließen sollen. Betriebswirtschaftlich sind jedoch weitere Investitionen in ein unwirtschaftliches Projekt „sunk costs“, verlorene Kosten – hier zu Lasten der Allgemeinheit. Quelle: Aktionsbündnis gegen S21 / DMM