Vorerst braucht es noch Kurzstreckenflüge

Mit einer perspektivischen Abkehr von Kurzstreckenflügen in Deutschland hat Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, für große Diskussionen gesorgt. Die Grünen-Chefin möchte Flugreisen in Zukunft klimagerecht besteuern und den Fokus auf Bahnreisen legen. Während Baerbock mit dieser Forderung nicht nur bei ihren Anhängern, sondern auch bei Poltikern von CDU/CSU und SPD durchaus auf Zustimmung stößt, kritisiert logischerweise der Verband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft den Vorstoß. Eugen Triebelhorn, Country Manager einer Geschäftsreiseplattform, meint, eine rigorose Abkehr von Kurzstreckenflügen wäre zu kurzfristig gedacht.

„Die Belastung des Klimas durch Flugreisen ist unbestritten und der Vorstoß der Grünen im Kern richtig“, erklärt Triebelhorn. „Trotzdem kommen wir um Kurzstreckenflüge so schnell nicht herum.“ Eine Abschaffung der innerdeutschen Flüge bis 2030 hält er für nicht realistisch.
Dies liege vor allem an mangelnden Alternativen, so der Reiseexperte. Denn das deutsche Bahnnetz müsse erst noch ausgebaut und modernisiert werden. Wer geschäftlich reise, sei auf ein verlässliches und leistungsfähiges Transportmittel angewiesen. Das überlastete deutsche Schienennetz sei in den Augen vieler Geschäftsreisender nicht attraktiv – einzig die längst überfällige Sanierung der Bahninfrastruktur könne das ändern. Und die dauere noch eine ganze Weile.

„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt mit technischen Innovationen zu glänzen anstatt Verbote zu fordern“, meint Triebelhorn. Während z.B. China in den letzten 20 Jahren in ein umfassendes Hochgeschwindigkeits-Netz mit mehr als 25.ooo km Länge investierte, konnten sich innovative Projekte wie die Magnetschwebebahn in Deutschland nicht durchsetzen. Freilich gelingt dies der  Maglev-Technologie auch im Reich der Mitte nicht. Die Chinesen setzen ausschließlich auf die Schienentechnologie.
 
„Bis das Schienennetz in Deutschland modernisiert ist, wählen Geschäftsreisende die schnelle und verlässliche Variante, das Flugzeug,“ sagt Triebelhorn, vergisst dabei allerdings, dass die Bahn auf einer ganzen Reihe von Strecken bereits schneller und komfortabler als das Flugzeug ist. Und er vergisst auch die Aussage von Lufthansa-CEO Carsten Spohr, dass die Lufthansa mit ihren innerdeutsche Strecken kaum profitabel operieren kann, weshalb Spohr vorschlug, innerdeutsche Flüge verstärkt auf die Schiene zu verlagern. Auch ein Vergleich mit Frankreich, das bereits im April verkündete, Kurzstreckenflüge zu verbieten, ließe sich nicht so einfach ziehen, gibt Triebelhorn er zu bedenken. „Das deutsche Bahnnetz unterscheidet sich maßgeblich von dem in Frankreich.“

Während im westlichen Nachbarland viele Landesteile nur dünn besiedelt seien und Züge von Paris aus praktisch ohne Verspätung mit hoher Geschwindigkeit auf einem eigenen Hochgeschwindigkeitsnetz durchs Land fahren, würden sich die deutschen ICEs das Streckennetz abseits der Neubaustrecken mit langsameren Regional- oder Güterzügen teilen. Zudem passiere der ICE in Deutschland, sofern sie Altbaustrecken befahren, immer wieder Ortschaften, die wegen Lärmschutz und kurvenreicher Trassenführung nur langsam durchfahren werden können. So komme es zwangsläufig immer wieder zu Verzögerungen.

Die Kanzlerkandidatin betone zwar auch, dass eine Abschaffung der Kurzstreckenflüge nur mit einem erfolgreichen Bahnausbau möglich sei, ihre Partei stelle diesen aber zu einfach dar. Triebelhorn befürchtet gar, dass Reisende in Zukunft ihr Reiseverhalten auf fehlende innerdeutsche Flüge anpassten und umständlichere Flugrouten in Kauf nehmen???!!! Was diese Anicht betrifft, ist sich der Reiseexperte wohl selbst nicht ganz im Klaren; denn sie klingt ziemlich unsinnig.   

„Bis zum erfolgreichen Ausbau der Bahnstrecken gibt es keine Alternative zu Kurzstreckenflügen“, resümiert Triebelhorn. Wichtig sei es, nun auf Infrastrukturprojekte zu setzen und die Wirtschaft damit anzukurbeln. „Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass Technologie der Schlüssel zum Erfolg ist. Aber technische Möglichkeiten der virtuellen Kontaktnahme mittels Zoom, Microsoft Teams & Co. können Geschäftsreisen nicht vollständig ersetzen. In vielen Situationen sind persönliche Treffen essentiell. Bis in Deutschland ein verlässliches Schienennetzwerk existiert, ist die CO2-Kompensation das Mittel der Wahl." Kurzstreckenflüge, die zwar x-fach umweltschädlicher sind als Bahnreisen, bleiben vorerst ein wichtiger Baustein bei der Erholung des Geschäftsreisesegments nach Corona, meinen auch andere Business Travel-Verantwortliche. Quelle: Travelperk / DMM