Bundesregierung steuert auf Lockdown zu

Das umstrittene Beherbergungsverbot bei innerdeutschen Reisen und die geplante Pflichtquarantäne für Reiserrückkehrer aus ausländischen Risikogebieten stehen am Mittwoch (14. Oktober 2020) und Donnerstag auf der politischen Tagesordnung. Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft setzt auf ein Einsehen der Bundesregierung und Länderchefs, z.B. das Beherbergungsverbot wieder rückgängig zu machen. Inzwischen sickerte durch, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Ultimatum für einen Lockdown stellen wird.

Immer mehr große Städte in Deutschland müssen in den Krisenmodus schalten. Damit betreffen die teilweise seit Juli geltenden Regelungen nun immer mehr Menschen. Hinzukommen die Kurzfristigkeit der konkreten Maßnahmen und fehlende Testkapazitäten, um mit negativen Corona-Tests von den Beherbergungsverboten ausgenommen zu werden. Die Folge: Frust bei den Gästen, die ihren Urlaub nicht antreten können, eine Stornierungswelle in den Hotels. Neubuchungen gehen dramatisch zurück. Die Frage, wer für den Schaden aufkommt, ist unklar. Und so mahnt denn auch Dehoga-Präsident Guido Zöllick vor dem Treffen der Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel im Bundeskanzleramt zu den aktuellen Corona-Maßnahmen eine Aufhebung zumindest die Aussetzung der Beherbergungsverbote in den Bundesländern an.

Im Papier, das Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs diskutieren werden heißt es: „Kommt der Anstieg der Infektionszahlen unter den vorgenannten Maßnahmen nicht spätestens binnen 10 Tagen zum Stillstand, sind weitere gezielte Beschränkungsschritte unvermeidlich, um öffentliche Kontakte weitergehend zu reduzieren. In diesen Fällen ist insbesondere im ersten Schritt eine Kontaktbeschränkung einzuführen, die den Aufenthalt im öffentlichen Raum nunmehr mit bis zu X Personen oder den Angehörigen zweier Hausstände gestattet.“ Klar erscheint jetzt: Greifen die neuen am Mittwoch, 14. Oktober 2020 zu beschließenden Maßnahmen nicht, steht ein zweiter Lockdown bevor.

Vor den für die Tourismusbranche so wichtigen Entscheidungen warnt der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft vor einem zweiten Lockdown der Tourismusbranche durch die Hintertür und fordert weniger Aktionismus, mehr Augenmaß und ein Ende der Stigmatisierung des Reisens: „Die Tourismusbranche und ihre Gäste brauchen endlich verlässliche, verständliche und vor allem verhältnismäßige Regelungen. Von alldem sind wir derzeit weit entfernt“, so BTW-Präsident Dr. Michael Frenzel. „Fast mantrahaft behaupten weite Teile der Politik, dass Urlaub, Reisen und Ausgehen das Infektionsgeschehen treiben, ohne dazu belastbare Zahlen zu liefern. Es folgt eine aktionistische Maßnahme nach der anderen zulasten unserer durch die Corona-Pandemie ohnehin am Boden liegenden Branche. Die Politik erklärt immer wieder, dass sie einen zweiten Lockdown verhindern will. Die Tourismuswirtschaft und ihre 3 Millionen Mitarbeiter nimmt sie davon aber ganz offensichtlich aus: Weitreichende Beherbergungsverbote, Sperrstunden und die geplante Zwangsquarantäne für viele Auslandsreiserückkehrer bedeuten für weite Teile unserer Branche einen faktischen Lockdown und damit verbunden eine Insolvenzwelle dramatischen Ausmaßes.

Reisen stellt kein signifikant größeres Infektionsrisiko dar, als die gewöhnliche Alltagsmobilität, aber nur dann, wenn sich die Reisenden an die geltenden Sicherheits- und Hygienevorschriften halten, was leider viele nicht tun. Der BTW fordert nun die doppelte Rolle rückwärts in der Politik in Sachen Beherbergungsverbote und Zwangsquarantäne: Die in der vergangenen Woche verschärften Beherbergungsverbote für Reisende aus innerdeutschen Risikogebieten müssen aufgehoben werden. Der Nutzen ist selbst unter Gesundheitsexperten umstritten und in ihrer jetzigen Ausgestaltung greifen sie massiv in die Reisefreiheit der Menschen ein, stiften enorme Verunsicherung und belasten sowohl die Reise-Branche wie auch die Testkapazitäten.

Die von der Bundesregierung angekündigte Pflichtquarantäne für Reiserückkehrer aus ausländischen Risikogebieten wäre für die Tourismusbranche ebenfalls eine Katastrophe. Laut BTW ist schwer verständlich, zuerst Testzentren insbesondere an den Flughäfen mit viel Aufwand aufzubauen, nur um Reisende nun doch in Quarantäne zu stecken. Eine solche Quarantänepflicht bei einer gleichzeitig hohen Dynamik in der Ausweisung von Risikogebieten würde die Auslandsreisen weitgehend zum Erliegen bringen. Denn kein Kunde kann sicher sein, dass sein Reiseziel nicht kurzfristig zum Risikogebiet mutiert und er nach seiner Rückkehr in eine fünf- bis zehntägige Heimquarantäne muss. Die Abkehr von der erfolgreichen Teststrategie der vergangenen Monate hin zu einem der strengsten Quarantäne-Regime in Europa wäre willkürlich und unverhältnismäßig, behauptet der BTW und nimmt so lieber eine massenhafte Zunahme an Covid-19-Erkrankungen in Kauf mit all ihren Folgen für Leib und Leben aller Bundesbürger.

Sollte die Pflichtquarantäne wie angekündigt kommen, würde die deutsche Bundesregierung eine der restriktivsten Regelungen für Reiserückkehrer in Europa schaffen. In den meisten Ländern Europas können Reiserückkehrer mit einem negativen Covid-19-Test eine Quarantäne umgehen. Auch die EU-Kommission hat jüngst vorgeschlagen, Teststrategien einer Quarantänepflicht vorzuziehen. Indes drücken viele EU-Staaten immer schärfere Maßnahmen bis hin zu teilweisen Lockdowns durch. Beispiele hierfür sind Großbritannien, Tschechien, Frankreich, Spanien, Irland, Polen usw.. Quelle: BTW / DMM