Hin und her bei der Insolvenzabsicherung

Der Schutz von Individual- und Geschäftsreisenden vor Insolvenzen von Fluggesellschaften ist stark verbesserungswürdig. Diese Meinung vertraten die Sachverständigen aus den Bereichen Verbraucherschutz und Tourismus in einer gut zweistündigen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz schon am 13. März 2019 im Bundestag. Wie der Pressedienst des Bundestags berichtete, gab es allerdings unterschiedliche Ansichten über dafür geeignete Maßnahmen. Widerstand gegen eine weitergehende Insolvenzabsicherung von Luftfahrtunternehmen kam vor allem von der Luftverkehrswirtschaft.

Nun sieht es so aus, als ob auch Individualtouristen, darunter Geschäftsreisende, bei Flugreisen finanziell besser abgesichert werden sollen. Das legt zumindest die Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion nahe, meldet das Handelsblatt. Die Grünen fordern namens ihre der tourismuspolitischen Sprechers Markus Tressel die Bundesregierung auf, eine Insolvenzabsicherung für Fluggesellschaften im Paket zusammen mit der Pauschalreise auf den Weg zu bringen. Dabei solle es keine Sonderregeln für die Branchenriesen geben. 

In der Antwort heißt es u.a.: „Die Bundesregierung vertritt zur Frage eines Insolvenzschutzes für Flugreisende die Auffassung, dass der Schutz von Flugreisenden, deren Luftbeförderung nicht Teil einer Pauschalreise ist, verbessert werden kann. Europäische Lösungen sind dabei allerdings vorzugswürdig, denn sie gewährleisten ein einheitliches europäisches Verbraucherschutzniveau und sind wettbewerbsneutral. Die Bundesregierung stehe dazu mit der EU-Kommission im Dialog“, so die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl. 

Ebenfalls eine europaweite Lösung favorisiert das Justizministerium. Doch braucht es dazu das Votum der EU-Kommission. Die aber sieht keine Notwendigkeit, den Schutz von Passagieren außerhalb einer Pauschalreise zu verbessern. Vielmehr sollten die bestehenden unionsrechtlichen Zulassungs- und Aufsichtsregelungen effektiver angewendet werden. Da die Solvenz eines Luftfahrtunternehmens staatlicher Kontrolle unterliegt, so die Auffassung Brüssels, hängt davon auch die Erteilung und das Fortbestehen der Betriebsgenehmigung für das Luftfahrtunternehmen ab. Gleichwohl wollte die Kommission prüfen, ob für den Schutz der Fluggäste bei Insolvenzen dennoch eine sogenannte Rechtsetzungsinitiative erforderlich ist. Die Prüffrist ist allerdings seit langem abgelaufen.

Fakt ist: Direkt bei einer Airline gebuchte Flugtickets verfallen bei einer Pleite, solange kein neuer Investor gefunden wird. Doch selbst dann ist eine Entschädigung fraglich, dass Passagiere bei einem Insolvenzverfahren als „nicht bevorrechtigte Gläubiger“ gelten und ihre Forderungen damit eine geringere Priorität haben.

Anlass der März-Sitzung waren Anträge der AfD-Fraktion (BT-Drs. 19/7035), der Fraktion Die Linke (BT-Drs. 19/1036) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 19/6277). Die AfD plädiert für einen Gesetzentwurf, wonach insolvente Luftfahrtunternehmen u.a. sicherstellen müssen, dass einem Fluggast bei ausfallenden Beförderungsleistungen analog zum Pauschalreiserecht der gezahlte Reisepreis erstattet wird. Die Linke setzt sich für die Einrichtung eines staatlichen Entschädigungsfonds für Fluggäste ein, die von der Insolvenz von Air Berlin betroffen sind und keine Entschädigung in dem Umfang der Insolvenzabsicherung für Pauschalreisende aus der Insolvenzmasse erhalten haben. Wie auch die Grünen fordert die Fraktion einen Gesetzentwurf, der die Insolvenzabsicherungspflicht für Reiseveranstalter auf Luftfahrtunternehmen erweitert.

Fragen der Abgeordneten betrafen u.a. die Gewichtung von Insolvenzen und die Möglichkeiten der Bezahlung von Flugreisen, aber vor allem die Verantwortung des Staates bei der Kontrolle der Fluggesellschaften. Hier sahen Sachverständige das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in der Pflicht.
Mehrere Experten verwiesen auf die Insolvenzen von Air Berlin und Germania. Diese hätten Hunderttausenden deutschen Verbrauchern schmerzlich verdeutlicht, dass sie im Fall einer Airline-Insolvenz schutz- und wehrlos sind, erklärte Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Ein effektiver Schutz für Fluggäste wäre verhältnismäßig einfach zu implementieren und würde die Ticketpreise nur um wenige Euro erhöhen. Der Verband empfehle daher, eine Versicherungslösung in Kombination mit einer Anzahlungsregelung analog zur Absicherung von Pauschalreisen gesetzlich zu regeln.

Inge Pirner, Präsidiumsmitglied des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR), der die Interessen deutscher Wirtschaftsunternehmen hinsichtlich der Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen für Geschäftsreisen vertritt, wertete den bisherigen staatlichen Insolvenzschutz ebenfalls als unwirksam. Grundsätzlich müsse eine Airline im Rahmen der Liquiditätsprüfung durch das LBA nachweisen, dass sie über einen Zeitraum von zwölf Monaten ihren tatsächlichen und möglichen Verpflichtungen nachkommen kann. Nach Auffassung des VDR ist diese Prüfung nicht ausreichend, um Geschäftsreisende vor insolvenzbedingten Nachteilen zu schützen. Der VDR begrüße daher grundsätzlich jede sinnvolle Initiative, Kundengelder gegen Verlust durch Insolvenz abzusichern, erklärte Pirner. Dies könne über Bürgschaften, Fonds oder eine entsprechende Versicherung erreicht werden.

BDL warnt vor Überregulierung des Sektors und Wettbewerbsverzerrung. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), lehnte die vorgeschlagenen Verbesserungen als eine Überregulierung des Sektors sowie als Wettbewerbsverzerrung ab. Fonds- oder Versicherungslösungen als Insolvenzabsicherung seien kontraproduktiv. Zudem spiegelten die vorliegenden Insolvenzzahlen wider, so von Randow, dass für den Kunden die Wahrscheinlichkeit, von einer Insolvenz eines Luftfahrtunternehmens betroffen zu sein, um ein Vielfaches geringer als in anderen Wirtschaftszweigen sei. Zusätzlich seien auch die Ausfallbeträge niedriger. Verbraucher seien in einem Ausmaß abgesichert wie in keiner anderen Branche in Deutschland. Angesichts des starken internationalen Wettbewerbs in der Luftfahrt dürfe man bei einer stärkeren Regulierung den Bogen nicht überspannen. Quelle: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz / beck-aktuell / VDR / DMM