Hunderttausende Geschäftsreisen unnötig

Bis zum Jahr 2035 sollen innerdeutsche Flüge „weitestgehend obsolet“ sein, planen die Grünen. Dazu soll schrittweise eine Kerosinsteuer eingeführt und parallel der Bahnverkehr deutlich ausgebaut werden. Eine europäische Lösung für die Besteuerung von Flügen bleibt indes weiterhin außer Sichtweite. Ein weiteres aktuelles Thema in diesem Zusammenhang: 230.000 Inlandsflüge könnten eingespart werden, wenn alle Bundesministerien in Berlin zusammengezogen würden.

Mehrere hunderttausend Geschäftsreisen könnten mit der Zusammenlegung aller Bundesministerien in Berin zum Wohle des Klimas eingespart werden. Foto wikimedia

Flugverbote soll es nicht geben, wohl aber starke Anreize für den Bahnverkehr, ist in einem Autorenpapier der Grünen-Bundestagsfraktion zu lesen. Eine höhere Taktung der Züge, verlässlichere Fahrzeiten, günstigere Tickets und eine gute WLAN-Abdeckung sollen „Bahnfahren in den nächsten 25 Jahren so attraktiv machen, dass sich Inlandsflüge nicht mehr lohnen“, so das erklärte Ziel. Dazu solle die Bahn, die zu 100 % dem Bund gehört, jährlich 3 Mrd. Euro bekommen.

Um eine echte Konkurrenz zu innerdeutschen Flügen darzustellen, solle die Fahrzeit zwischen möglichst vielen Orten sowie ins benachbarte Ausland auf „maximal vier Stunden“ gesenkt und langfristig wieder ein „europäisches Nachtzugnetz“ eingeführt werden. „Es kann nicht sein, dass das Flugzeug als klimaschädlichster Verkehrsträger noch immer mit Milliardenbeträgen subventioniert wird, während die umweltfreundliche Bahn chronisch unterfinanziert ist“, so Daniela Wagner, eine der Autorinnen des Papiers.

Deutschland investiert einer Studie der Allianz pro Schiene zufolge deutlich weniger in sein Schienennetz als andere europäische Länder: Mit ihrer Forderung erhöhen die Grünen den Druck auf das Verkehrsministerium, den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ausbau des Bahnnetzes voranzutreiben. Vergangenes Jahr hatte das Ministerium angekündigt, im Rahmen des Programms „Deutschlandtakt“ massiv in den Bahnkonzern investieren zu wollen. Bis 2030 soll die Zahl der Fahrgäste damit verdoppelt und das Schienennetz schneller und effizienter gestaltet werden. Der Deutschlandtakt sei „das größte Projekt im Eisenbahnbereich seit der Bahnreform von 1994“, so Verkehrsminister Andreas Scheuer.

Doch die Bundestagsfraktion der Grünen geht noch weiter und fordert die schrittweise Einführung einer Kerosinsteuer auf Inlandsflüge. Richtwert soll dabei der Benzinpreis sein, also 65 Cent je Liter. Obwohl Flüge dem europäischen CO2-Zertifikatehandel unterliegen, ist der Treibstoff Kerosin in der EU, wie fast überall auf der Welt, steuerbefreit. Nach Expertenansicht wäre ein nationaler Alleingang bei einer Kerosinsteuer nicht effektiv, da Flugzeuge dann einfach im Ausland vortanken würden, bevor sie in Deutschland landen. „Der Flugverkehr ist ein internationales Geschäft, da machen inselstaatliche Lösungen keinen Sinn“, sagte der FDP-Abgeordnete Bernd Reuther, Mitglied im Verkehrsausschuss, zu EURACTIV. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Reuthers ging kürzlich hervor, dass die Bundesregierung derzeit eine mögliche Kerosinsteuer prüfe. Ein nationaler Alleingang sei allerdings mit „erheblichen technischen und verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten verbunden.“

Dass ein Flugticket oft günstiger als der Zug ist, liegt daran, dass es keine Steuern auf Kerosin gibt. Obwohl diese seit Jahren fordern, ist sie aber weder auf nationaler, noch auf EU-Ebene in Sicht. Eine europaweite Kerosinsteuer ist wiederum nur schwer umzusetzen, da das Steuerrecht Einstimmigkeit im EU-Rat erfordert und einige Mitgliedsstaaten Einbußen für ihre Tourismusindustrie befürchten. Die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweden und Deutschland haben sich in der Vergangenheit offen gezeigt, möglicherweise eine Kerosinsteuer für Flüge untereinander einzuführen.

Alternativ wäre eine Erhöhung der seit 2011 in Deutschland geltenden Luftverkehrabgabe denkbar, wie sie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dieser Tage forderte. Nach Berechnungen des Bundesumweltamtes könnte die Einführung einer Kerosinsteuer in Deutschland Steuereinnahmen von 7 Mrd. Euro generieren. Innerdeutsche Flüge machen allerdings nur 16 % des deutschen Flugaufkommens aus.

Im Zusammenhang mit dem klimaschädlichen Fliegen verlangen mehrere Bundestagsabgeordnete, Bonn als Standort für Bundesministerien abzuschaffen. Für den Klimaschutz sei es wichtig, alle Ministerien in Berlin zu konzentrieren. Allein das Pendeln von und nach Berlin verursache 230.000 Inlandsflüge im Jahr.  Mehrere Hunderttausend Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin verursachen zudem unglaublich hohe Kosten, die man sich sparen kann. Der Umzug sei zudem wichtig, um überhaupt eine gute Regierungsarbeit gewährleisten zu können: Wer gut regieren will, muss seine Mitarbeiter am Ort haben. Aktuell seien Austausch und Absprachen nur schwer möglich. Von Seiten der FDP kommt der Vorschlag, die Flugdienstreisen einzuschränken und an ihre Stelle vermehrt auf Videoconferencing und Online-Tools zu setzen. Die Digitalisierung gerade in Bürojobs wie denen in Bundesministerien erlaube und erleichtere, ortsunabhängig zu arbeiten. Auch aus der Wirtschaft gibt es Forderungen nach einem vollständigen Umzug aller Bundesministerien nach Berlin. „"Wenn es die Bundesregierung mit dem CO2-Einsparen ernst meint, sollte sie bei sich anfangen", sagte Sarna Röser (31), Familienunternehmerin und Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer.

In der früheren deutschen Hauptstadt Bonn sitzen als Folge des Berlin-Bonn-Gesetz nach wie vor sechs Ministerien: das für Verteidigung, das für Ernährung und Landwirtschaft, das für  Gesundheit, für Bildung und Forschung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das Bundesumweltministerium. Außerdem haben alle Ressorts einen zusätzlichen Standort in Bonn. Quelle: EURAKTIV / Die Grünen / DMM