Liegt die Zukunft doch im wasserstoffbasierten Automobil?

Das Thema Energiewende wird zurzeit in Deutschland diskutiert wie nie zuvor. Stichwort Klimapakt der Bundesregierung. Bei der Energiewende wird auch dem Thema Brennstoffzellenfahrzeuge eine Schlüsselrolle zukommen. Im Papier des Klimapakts ist u.a. auch von der wasserstoffbasierten Gesellschaft und Brennstoffzellenfahrzeugen die Rede, wenngleich in nur einem winzigen Textabschnitt. Ob und wann Wasserstoff betriebene Automobile verstärkt auf den Markt kommen, ist die Frage. Toyota glaubt an diese Form alternativer Antriebe und präsentiert in wenigen Wochen auf der Tokyo Motor Show die zweite Generation des H2-Mirai.

 

In wenigen Wochen erfolgt die Weltpremiere der zweiten Generation des Brennstoffzellen-Mirai, hier noch das bisherige Modell. Foto: G. Zielonka

Energiepark Mainz, weltgrößte Wasserstoff produzierende Anlage. Foto: GZ

Nach Deutschland wird das Modell voraussichtlich im Herbst 2020 kommen. Vorab aber zeigte TMD im Rahmen der Toyota Zero Emission Tour im Raum Frankfurt, dass Automobile mit Brennstoffzelle allen anderen Antrieben überlegen sind. Ein Besuch abgestattet wurde u.a. dem Energiepark Mainz, größte Wasserstoffproduktionsanlage in Europa.

Die erste Generation der Oberklasse-Limousine Mirai war 2015 in Deutschland eingeführt worden. Weltweit verkauft wurden von diesem fortschrittlichen Wagen etwa 10.000 Einheiten. An Bord hat der Mirai eine H2-Hochdruckanlage mit 5 kg Speichermenge. Die Brennstoffzelle verfügt über 370 Stacks. Befürchtungen in Sachen Wasserstoff trat Widger Falk, Technischer Produktmanager Mirai mit dem Hinweis entgegen, dass der Wagen genauso sicher ist wie alle anderen Fahrzeuge.

Laut Frank Still, Key Account- und Projektmanager sind die Kosten für die Limousine sehr attraktiv. Offiziell wird der Mirai an private wie gewerbliche Kunden zu gleichen Konditionen geliefert, wobei der Anteil der Geschäftskunden höher ist. Wichtige Zielgruppen neben den Gewerbetreibenden kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kommunen. Zieht man vom offiziellen Bruttopreis (€ 78.600) die staatliche Förderung (Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) ab, das sind 20.648 € brutto, ergibt sich ein Bruttopreis von 57.952 Euro. Im Leasing kommen so bei einer Laufzeit von 36 Monaten und 15.000 km Laufleistung/Jahr monatlich 558 € brutto zusammen. 

Das fortschreitende Wachstum der Weltbevölkerung, 2050 werden rund 10 Mrd. Menschen den Planeten bevölkern, wird absehbar zu einem gesteigerten Verkehrsaufkommen führen, zu Land und in der Luft. Um Umweltproblemen des Verbrauchs großer Mengen fossiler Energien zu begegnen, gibt es zwei Strategien:
1.    Weniger Erdöl verbrauchen
2.    Die Vielfalt verwendeter Energiequellen erhöhen.

Toyota vertritt die Überzeugung, dass Wasserstoff zu den Energieträgern zählt, die am ehesten eine nachhaltige Zukunft versprechen. Wasserstoff lässt sich aus einer Vielzahl von Energiequellen einschließlich Sonnen- und Windenergie, Biokraftstoffen und Erdgas gewinnen. Deshalb investiert der Hersteller in Brennstoffzellen automobile mit Wasserstoffantrieb. Ein Brennstoffzellenfahrzeug verwendet Wasserstoff statt Benzin oder Diesel als Treibstoff. Den Antrieb übernimmt dabei ein Elektromotor, der mit Strom aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff in einer Brennstoffzelle betrieben wird. Das einzige Abfallprodukt ist Wasserdampf. Es stößt dabei keine schädlichen Stoffe wie CO2, Schwefeldioxid (SO2) oder Stickoxide (NOx) aus. Neben der Emissionsfreiheit zeichnen sich die Fahrzeuge durch hohe Alltagstauglichkeit aus. Sie bieten hohe Reichweite und lassen sich schnell betanken.

Um zu sehen wie Wasserstoff hergestellt wird, besuchten wir den Mainzer Energiepark. Siemens, die Linde Group, die Hochschule RheinMain und die Mainzer Stadtwerke haben für den umweltfreundlichen ÖPNV gemeinsam ein umfangreiches Projekt entwickelt. Im neuen „Energiepark Mainz“ hilft umweltfreundlich erzeugter Strom aus Windenergie dabei, Wasserstoff herzustellen. Wasserstoff lässt sich gut speichern und vielfältig als Energieträger einsetzen, wie etwa als umweltfreundlicher Autokraftstoff, beim Betrieb von Gasheizungen oder auch zur Stromerzeugung in modernen Kraftwerken.

Martin Neuberger, Betriebsingenieur Lindem führte durch die vergleichsweise überschaubar wirkende Anlage, die im Jahr ca. 200 t Wasserstoff produziert. Der Wasserstoff wird langfristig als umweltfreundlicher Energieträger in der Mobilität, als grüner Rohstoff für die Industrie und als Ersatz von fossilem Erdgas genutzt.
Der Energiepark Mainz ist national und international ein vielbeachtetes Innovationsprojekt im Bereich der Sektorenkopplung und Energiespeicherung. 2015 war die damals weltweit größte Elektrolyseanlage ihrer Art als Forschungsprojekt der Linde Group, Siemens und der Mainzer Stadtwerke mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung gestartet. Schon damals war vereinbart worden, dass Linde und die Stadtwerke die Anlage nach der etwa zweijährigen Forschungsphase übernehmen und dann gemeinsam entscheiden, ob der Energiepark künftig langfristig weiterbetrieben wird. 

Nach der Eröffnung war zunächst ein spezielles Programm zur Erforschung und Erprobung der neuen Technologie abgearbeitet worden. Dabei wurde unter anderem mit wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule RheinMain untersucht, ob das neu entwickelte Elektrolyseverfahren und der von Linde entwickelte ionische Verdichter technisch wie geplant funktionieren, wie die Stabilisierung des Stromnetzes durch Regelenergie sowie das Zusammenspiel mit den benachbarten Windrädern der Mainzer Stadtwerke in der Praxis läuft und welche Vertriebsmöglichkeiten sich für den in Mainz erzeugten Wasserstoff am besten eignen. Im Fokus standen dabei insbesondere Untersuchungen zur Laständerungsgeschwindigkeit und zum Wirkungsgrad der Anlage. Das Forschungsprojekt umfasste Investitionen von etwa 17 Mio. Euro und wurde zur Hälfte vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen der „Förderinitiative Energiespeicher“ unterstützt. 

Nach der Forschungsphase schloss sich ab Mitte 2017 der Probebetrieb der Anlage an, inzwischen ist der Energiepark in den Regelbetrieb gegangen. Dabei war es sowohl für die Mainzer Stadtwerke wie auch für Linde am Ende der Forschungsphase wichtig, dass die Elektrolyseanlage nicht nur technisch einwandfrei funktioniert, sondern sich auch wirtschaftlich betreiben lässt. Dieses Ziel ist aus Sicht der Partner zukünftig erreichbar.

Dennoch halten Linde und die Mainzer Stadtwerke die derzeitigen Rahmenbedingungen für solche Power-to-Gas-Anlagen noch nicht für ausreichend. Martin Neuberger: „Wir sind überzeugt, dass wir in Deutschland zusätzliche Speicher und Power-to-X-Anlagen benötigen, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren vorantreiben und auf andere Sektoren wie beispielsweise den Wärme- und Verkehrsbereich ausweiten wollen. 

Von der Politik wünschen sich die Betreiber der Anlage, dass sie geeignete Randbedingungen für den systemdienlichen und marktorientierten Einsatz von Speichern und Power-to-X2-Technologien setzt. Etwa, indem Marktbarrieren durch Letztverbraucherabgaben beseitigt werden oder Wasserstoff im Verkehr auf die Treibhausgasquote angerechnet werden kann. Wenn dies gelingt, dann sind Linde und die Mainzer Stadtwerke sicher, dass Anlagen wie der Energiepark Mainz wichtige Bausteine der Energiewende werden. Denn bereits heute müssen Windkraft- oder Photovoltaikanlagen wegen fehlender Kapazitäten im Stromnetz zu bestimmten Zeiten abgeschaltet werden.

Durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich diese Problematik in den nächsten Jahren weiter verstärken. Im Energiepark Mainz kann diese „überschüssige“ elektrische Energie durch die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespeichert und der umweltfreundlich erzeugte Wasserstoff später bedarfsgerecht verwendet werden. Damit werden erneuerbare Energien flexibler einsetzbar und stehen dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden.  

Die Mainzer Anlage ist in Betriebsbereitschaft innerhalb weniger Sekunden regelbar, bei einem Kaltstart erreicht sie innerhalb von zwei Minuten ihre volle Leistung. Die Maximalleistung beträgt dabei rund sechs Megawatt. Der Energiepark kann damit den Strom von bis zu drei 2-MW-Windrädern unter Volllast aufnehmen.  
Drei Elektrolyseeinheiten werden in der Elektrolysehalle betrieben. Diese Siemens-Komponenten spalten Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Linde ist für die Reinigung, Verdichtung, Speicherung, Abfüllung und Distribution des Wasserstoffs verantwortlich. Der in Mainz-Hechtsheim produzierte, hochreine Wasserstoff wird sowohl von Industrieverbrauchern als auch für öffentliche Wasserstoff-Tankstellen verwendet. Quelle: Toyota / DMM