Mit dem Automobilmarkt geht es bergab

Einen signifikanten Rückgang wird der globale Automobilmarkt 2019 erfahren. Nach einer aktuellen Prognose des Center of Automotive Management (CAM, Bergisch Gladbach) für das Gesamtjahr schrumpft der Pkw-Absatz um 4 % im Vergleich zum Vorjahr. Während für die EU und die USA jeweils mit einem Marktrückgang von 3 % ausgegangen wird, wird für China mit einem Minus von 6,5 % gerechnet. Fraglich ist auch, ob der relevante Flottenmarkt in Deutschland weiter auf der Erfolgsspur bleiben kann.

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 ist der Pkw-Markt in China bereits um 14,9 % eingebrochen. Die wesentlichen Gründe für die erwartete negative Marktentwicklung liegen in verschiedenen die Autokonjunktur dämpfenden Entwicklungen, insbesondere die eskalierenden Handelskonflikte zwischen den USA und China, die ungelösten Handelsfragen zwischen den USA und der EU sowie der bevorstehende Brexit. Hinzu kommen Sättigungstendenzen in wichtigen Märkten wie den USA und Europa. Deutschland z.B. steht mit seiner Markt-Übersättigung und dem katastrophalen Straßengüterverkehr kurz vor dem Verkehrsinfarkt.  

Die aktuellen Turbulenzen auf den wichtigen Weltmärkten sowie die enormen Investitionen in Zukunftstechnologien wie Elektromobilität, Autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleis-tungen werden insgesamt auf Seiten der globalen Automobilhersteller zu rückläufigen Umsätzen und Gewinnen führen.

Die Marktdynamiken wirken sich jedoch auf die Automobilhersteller in unterschiedlicher Weise aus. Eine wichtige Rolle spielt dabei die jeweilige Marktpositionierung der Hersteller. Angesichts von geopolitischen Spannungen und konjunktureller Probleme in verschiedenen Marktregionen entscheidet die Marktpositionierung der globalen Automobilhersteller in erheblichem Maße über deren langfristigen Erfolg. Sie ist aber auch janusköpfig, da mit der jeweiligen Marktpositionierung auch erhebliche Risiken verbunden sind, falls ein bedeutender Absatzmarkt in politische oder wirtschaftliche Turbulenzen gerät. Die aktualisierte Marktpositionierungsmatrix des CAM liefert eine aktuelle Übersicht über die Stärke und die Abhängigkeiten der 20 globalen Automobilhersteller in den wichtigsten Automobilmärken. Dabei werden sowohl Marktanteile, das Absatzwachstum und die Marktrelevanz für den jeweiligen Hersteller in den wichtigsten Automobilländern abgetragen.

Die globale Marktpositionierung der Automobilhersteller offenbart unterschiedliche strategische Ausgangspositionen, die mit Chancen und Risiken verbunden sind. Die Situation von Renault, das in Fusionsgesprächen mit FCA ist und des Renault Allianzpartners Nissan stellt sich danach folgendermaßen dar:

Der Fall Renault-FCA.
• Renault besitzt eine hohe Abhängigkeit von Europa und realisiert dort fast 50 % seiner weltweiten Verkäufe. In wichtigen Märkten wie den USA und China ist der französische Konzern praktisch nicht präsent. Zusammen mit FCA (EU-Marktrelevanz: 25 %) kämen die beiden Fusionspartner zusammen in der EU etwa auf 3,1 Mio. Pkw und lägen dann mit PSA als Europas Nr. 2 (Nr. 1 Volkswagen: 3,9 Mio. Pkw) gleichauf. Renault bekäme mit FCA auch einen relevanten Footprint in den USA, das dort 2,24 Mio. Pkw bzw. 46 % der Verkäufe realisiert. Zusammen kommen FCA und Renault auf weltweite Verkäufe von 8,7 Mio. Pkw, die jedoch auch gemeinsam die fehlende Marktpositionierung im wichtigsten Automobilmarkt China nicht ausgleichen können.
• Der Renault Allianzpartner Nissan, der in 2018 weltweit 5,7 Mio. Pkw verkaufen konnte, hat eine weltweit sehr ausgeglichene Marktpositionierung. Er ist drittstärkster ausländischer Hersteller in China (2018: 1,56 Mio. Pkw) nach Volkswagen und GM und setzt dort 27,5 % seiner Fahrzeuge ab. Ähnlich stark ist Nissan in den USA, wo der japanische Hersteller trotz Markteinbußen mehr als 28 % seiner Fahrzeuge absetzen konnte. Im Heimatmarkt Japan setzt Nissan mit 11 % fast so viele Fahrzeuge ab wie in Europa (Marktrelevanz: 10 %).
• Insgesamt zeigt sich, dass Nissan aus der Perspektive der globalen Marktpositionierung eine wichtige Bedeutung für eine mögliche Fusion von Renault und FCA besitzt. Zusammen kämen die Hersteller mit dem kleinen Partner Mitsubishi (Global: 1,2 Mio.) nicht nur auf eine Absatzgröße von 15,6 Mio. Pkw, sondern wären auch in den wichtigsten Automobilmärkten stark vertreten. Falls die Allianz von Renault und Nissan jedoch zerbricht, hätte die Fusion erhebliche Marktpositionierungsschwächen im globalen Wettbewerb.

Aus der Marktpositionierungsmatrix stellt sich die Situation für weitere große Hersteller folgendermaßen dar:
• Für den weltweit absatzstärksten Automobilkonzern Volkswagen ist nach China (40 %) vor allem der Heimatmarkt Europa mit einer Marktrelevanz von 37 % enorm wichtig, während in den USA nur 6 % der weltweit verkauften Pkw abgesetzt werden. Hier gibt es entsprechenden Aufholbedarf.
• Toyota profitiert dagegen von der starken Marktposition in den USA. Fast jedes vierte Auto (23,4 %) aus dem japanischen Konzern geht in die USA. Damit einher geht jedoch auch ein Risiko aufgrund der Handelskonflikte mit den USA. Im Heimatmarkt Japan ist Toyota mit großem Abstand Marktführer, wobei die Bedeutung des Marktes (OEM-Marktrelevanz) für das Unternehmen bei 21 % liegt. In Europa ist Toyota dagegen mit einem Marktanteil von nur 4,5 % recht schwach, nur 8 % seiner Fahrzeuge werden hier verkauft. Im wichtigsten globalen Automarkt China realisieren die Japaner 14 % ihrer globalen Verkäufe. Damit ist die Verwundbarkeit von Toyota in China deutlich geringer als etwa die von Volkswagen oder General Motors.
• Auch der drittgrößte globale Automobilhersteller General Motors profitiert von der starken Marktposition in China und den USA. In China verlor GM gegenüber dem Marktführer Volkswagen weiter an Boden und kommt mit 15,7 % Marktanteil auf Platz zwei (VW: 18,1 %). GM verkauft 43,5 % der Fahrzeuge in China und ist damit auch sehr abhängig von diesem Einzelmarkt. Entsprechend leidet GM unter den Handelskonflikten zwischen USA und China. In den USA bleibt GM trotz leicht rückläufiger Marktanteile mit 17 % Marktführer. Dort verkauft GM weitere 35 % seiner Fahrzeuge. Dagegen ist GM in Europa aufgrund des Verkaufs von Opel an PSA kaum noch existent.
• Der globale Absatz des Hyundai Konzerns (inkl. Kia) ging im letzten Jahr zurück (-1,2 %). Dagegen profitieren die Koreaner von der guten Marktposition in den USA und Europa. In Europa kann Hyundai im vergangenen Jahr ein Wachstum von rund 4,3 % und einem Marktanteil von aktuell 5,8 % realisieren. In den USA blieb der Absatz stabil, wodurch der Marktanteil bei 7,4 % verbleibt. In China sind die Verkäufe dagegen um fast 9 % eingebrochen. Hyundai hat im Vergleich zu VW und GM jedoch eine sehr ausgeglichene globale Marktpositionierung: in den USA werden 17 %, in Europa 14 % und in China 15 % der Verkäufe realisiert. Nur im vergleichsweise kleinen Heimatmarkt Korea ist die OEM-Marktrelevanz und damit auch die Verwundbarkeit hoch.

„Im Vergleich der globalen Automobilhersteller zeigen sich sowohl die verpassten Chancen als auch die inhärenten Risiken der gewählten Marktpositionierungsstrategien“, so Studien-leiter Stefan Bratzel. „Insbesondere in Krisen zeigen sich die Folgen einer unausgeglichenen Marktpositionierung. Durch eine starke Präsenz in einem wichtigen Automobilmarkt können Hersteller bei hoher Wachstumsdynamik zwar überdurchschnittlich profitieren und schnell Weltmarktanteile hinzugewinnen bzw. kurzfristig Schwächen in anderen Marktregionen verdecken. Allerdings gehen globale Hersteller dabei auch hohe Risiken ein, wenn der dominante Absatzmarkt in Turbulenzen gerät. Langfristig erfolgreich werden solche Hersteller sein, die eine ausgeglichene Marktstruktur aufweisen und schnell auf Veränderungen reagieren können.“ Quelle: Center of Automotive Management (CAM) / DMM