Personalrochaden und mehr beim VW-Konzern

Der Aufsichtsrat von Volkswagen hat in seiner Sitzung am Freitag, 25. September 2015, über die aktuelle Lage intensiv beraten. Nach Auffassung des Gremiums sind die Manipulationen durch nichts zu entschuldigen und haben Volkswagen stark erschüttert. Vermutlich muss VW einen zweistelligen Milliardenbetrag aufwenden (DMM berichtete). Das Unternehmen wird sich einer konsequenten Aufarbeitung stellen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und die notwendigen Konsequenzen ableiten.

Hierzu wurden in der Sitzung erste Beschlüsse gefasst. Außerdem mussen nach den geschassten bzw. beurlauten Spitzenmanagern (Winerkorn, Hackenberg, Hatz) noch weitere Personen mit Folgen rechnen. Vom Ex-CEO Martin Winterkorn ist nur bekannt, dass er sich unschuldig fühlt; er habe nach seiner Darstellung von nichts gewusst, was entweder eine katastrophale Führungsswäche bedeutet oder aber Winterkorn sagt die Unwahrheit, wie Experten meinen.

Die Beschlüsse des Aufsichtsrats im Einzelnen:

  1. Der Aufsichtsrat hat den Aufsichtsratsvorsitzenden ermächtigt, deutsche und US-Rechtsanwälte zu mandatieren, die die Manipulation von Abgaswerten bei Dieselmotoren objektiv ermitteln und vollständig aufklären sollen.
  2. Das Aufsichtsratspräsidium wird vorerst mit der Koordinierung und Sicherung aller notwendigen Schritte zur Überwachung der Aufklärung beauftragt, bis der vorgesehene Ausschuss seine Arbeit aufgenommen hat.
  3. Der Aufsichtsrat hat nach aktueller Erkenntnislage empfohlen, einige Mitarbeiter umgehend zu beurlauben. Dies ist teilweise bereits erfolgt.
  4. An der Spitze des Volkswagen Konzerns wird künftig Matthias Müller als neuer Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG stehen. Dieser wird gerade jetzt gebraucht. Matthias Müller ist damit genau der richtige Mann, um persönlich unbelastet und mit der nötigen Entschiedenheit die Aufarbeitung der aktuellen Krise unseres Unternehmens voranzutreiben und die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Wir schätzen ausdrücklich seinen kritischen und konstruktiven Blick.
  5. Der Aufsichtsrat beschließt, der außerordentlichen Hauptversammlung am 09.11.2015 vorzuschlagen, Hans Dieter Pötsch zum Mitglied des Aufsichtsrats zu wählen. Der Aufsichtsrat beabsichtigt, ihn anschließend zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu wählen.  

Berthold Huber, Stv. Aufsichtsratsvorsitzender: „Die Testmanipulationen bedeuten für Volkswagen ein moralisches und politisches Desaster. Das rechtswidrige Verhalten von Entwicklern und Technikern in der Motorenentwicklung hat Volkswagen ebenso geschockt, wie die Öffentlichkeit. Wir können uns nur entschuldigen und Kunden, Öffentlichkeit, Behörden und Anleger darum bitten, dass wir die Chance zur Wiedergutmachung erhalten. Es soll durch eine amerikanische Anwaltskanzlei die weitere Aufklärung erfolgen und die daraus notwendigen Konsequenzen vorbereitet werden; der Aufsichtsrat hat eine entsprechende Beauftragung heute veranlasst.  

Ferner hat der Aufsichtsrat der Volkswagen AG am Freitag in Wolfsburg eine neue Führungsstruktur von Konzern und Marken sowie der Region Nordamerika beschlossen.

Der geschäftsführende Vorsitzende des Aufsichtsrats, Berthold Huber, stellt fest: „Die neue Struktur stärkt Marken und Regionen, gibt dem Konzernvorstand den erforderlichen Raum für Strategie und Steuerung des Unternehmens und legt einen Schwerpunkt auf die gezielte Weiterentwicklung von Zukunftsthemen."

Wesentliche Veränderungen im Einzelnen: Der Aufsichtsrat hat eine Neuordnung der Konzernaktivitäten in Nordamerika beschlossen.

  • Die Märkte USA, Mexiko und Kanada werden in der neu geschaffenen Region Nordamerika zusammengefasst und maßgeblich gestärkt. Die Leitung der Region übernimmt zum 01. November als Konzernverantwortlicher Prof. Dr. Winfried Vahland (58), bisher Vorstandsvorsitzender von Škoda. Er gehört in seiner neuen Funktion dem Volkswagen Markenvorstand an. Die Nachfolge von Prof. Vahland als Vorstandsvorsitzender von Škoda übernimmt Bernhard Maier (55), bislang Vorstand für Vertrieb und Marketing der Porsche AG. Michael Horn (52) bleibt Präsident und CEO der Volkswagen Group of America.
  • Porsche-Markengruppe mit Bentley und Bugatti. Die Führungsstruktur richtet sich auf Konzernebene noch konsequenter nach dem technischen Baukastensystem aus. Dieses enthält je nach Fahrzeugsegment (Volumen-, Premium-, Sport- und Nutzfahrzeug) standardisierte technische Grundlagen. Für den Sportwagen- und den Mittelmotorbaukasten wird daher eine Porsche-Markengruppe mit Bentley und Bugatti eingerichtet. Die Baukastenstrategie wird beim Vorstandsvorsitzenden des Konzerns noch enger geführt; dafür wird ein eigener Bereich geschaffen.
  • Die Audi-Markengruppe mit Lamborghini und Ducati bleibt bestehen, ebenso die Nutzfahrzeug-Holding sowie die Bereiche Power Engineering und Financial Services. Die Volumen-Marken Volkswagen (maßgeblich verantwortlich für den Modularen Querbaukasten), SEAT und Škoda werden jeweils durch einen Konzernvorstand in diesem Vorstandsgremium vertreten.  
  • Der Fokus der Konzernfunktionen wird stärker auf Effizienzen und Zukunftsthemen ausgerichtet. Dazu werden organisatorische Einheiten gegründet, zum Beispiel für die Konzern-Produktstrategie, für neue Geschäftsfelder, für Kooperationen und Beteiligungen, für das Thema Connected Car und für die CO2-Steuerung. Huber: „Neue, starke Konzernfunktionen etwa für Standardisierung und einheitliche Produktionsprozesse werden frühzeitig die Weichen für effiziente Entscheidungen stellen. Wir werden schneller und agiler." Darüber hinaus wird ein Chief Technology Officer im Auftrag des Konzernvorstands technische Entwicklungen konzernweit analysieren und gegebenenfalls mit steuern.  
  • Zugleich werden bestehende Gremien, Strukturen und Abläufe auf Konzernebene gestrafft, insbesondere durch Aufwertung der Marken und der regionalen Eigenverantwortung. Die Marke Volkswagen erhält dazu eine Führungsstruktur mit vier Regionen, jeweils vor Ort gesteuert von einem CEO mit direkter Berichtslinie an den Vorstandsvorsitzenden der Marke, Herbert Diess.  
  • Verkleinerung Konzernvorstand. Das Produktionsressort im Konzernvorstand, zurzeit kommissarisch geleitet von Thomas Ulbrich, entfällt mit sofortiger Wirkung. Das ist eine Konsequenz aus der Verlagerung von Verantwortung in die Marken und Regionen. Berthold Huber: „Auch die Produktion wird künftig verstärkt in den Marken und Regionen eigenständig umgesetzt. Also sollte sie dort auch verantwortet werden."  

Der geschäftsführende Aufsichtsratsvorsitzende betont: "Das neue Führungsmodell wird Anfang 2016 umgesetzt."

Weitere Vorstandspersonalien. Der Aufsichtsrat hat den Vertrag mit Francisco Javier Garcia Sanz (58), Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung, um fünf Jahre verlängert.

Christian Klingler (47), Mitglied des Vorstands der Volkswagen Aktiengesellschaft für Vertrieb und Marketing sowie Markenvorstand Volkswagen für Vertrieb und Marketing, verlässt das Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Geschäftsstrategie mit sofortiger Wirkung. Dies steht nicht im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen. Der neue Vorstandsvorsitzende Matthias Müller wird das Vertriebsressort auf Konzernebene bis auf Weiteres kommissarisch leiten. Die Funktion von Klingler als Markenvorstand Volkswagen übernimmt Jürgen Stackmann (54), bislang Vorsitzender des Vorstands von SEAT. Dort folgt ihm Luca de Meo (48) nach, zurzeit Mitglied des Vorstands für Marketing und Vertrieb der Audi AG. Diese personellen Veränderungen werden ab 01. Oktober umgesetzt.

Wie Dr. Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen Pkw, erklärt, arbeite der Autokonzern mit Hochdruck an einer Lösung." Die interne Auswertung ergab, dass rund 5 Mio. Fahrzeuge der Marke Volkswagen Pkw weltweit von den Abgasmanipulationen betroffen sind. Diese Fahrzeuge bestimmter Baujahre und Modelle (wie z.B. Golf der sechsten Generation, Passat der siebten Generation und die erste Generation des Volkswagen Tiguan) sind ausschließlich mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestattet.

Es gilt unverändert, dass alle Neuwagen der Marke Volkswagen Pkw, die über die europaweit gültige EU6-Norm verfügen, hiervon nicht betroffen sind. Dies umfasst somit u.a. die aktuellen Modelle des Golf, Passat und Touran. Eine technische Lösung soll so rasch wie möglich dem Handel, den Kunden und der Öffentlichkeit präsentieren werden. Ziel ist, alle Kunden schnellstmöglich zu informieren, damit ihre Fahrzeuge vollumfänglich den Vorschriften entsprechen. Diess weiter: "Ich versichere Ihnen, dass Volkswagen alles Menschenmögliche unternehmen wird, um das Vertrauen unserer Kunden, der Händler und der Öffentlichkeit wieder zu gewinnen."   Die Marke Volkswagen Pkw informiert alle Märkte weltweit über die jeweils lokale Anzahl an Fahrzeugen. An einer Abhilfemaßnahme wird in intensivem Austausch und in enger Abstimmung mit den Zulassungsbehörden gearbeitet. Die Fahrzeuge sind weiterhin technisch sicher und fahrbereit. Quelle: Volkswagen / DMM