Schlechte Nachrichten für Alitalia

Schlimmer könnte eine Botschaft kurz vor Weihnachtn für Alitalia nicht sein: Der italienische Staatscarrier könnte die erste große Netzwerk-Airline sein, die 2020 von der Bildfläche verschwindet. Denn aktuell hat die neue Regierung in Rom klar gemacht, dass sie nicht länger gewillt ist, auch in Zukunft noch Millionen bzw. Milliarden Euro in das Fass ohne Boden namens Alitalia zu stecken. Sollte sich nicht bis Mitte 2020 ein Käufer bzw. Investor finden, wird das Luftfahrtunternehmen definitiv abgewickelt.

Bei Alitalia gehen die Lichter aus, sollte sich nicht bis Juni ein Käufer finden. Rom will kein Geld mehr zuschießen. Foto: AI

Industrieminister Stefano Patuanelli findet klare Worte in einem Gespräch mit der  überregionalen Tageszeitung „Il Messaggero“. Er hat keine Lust mehr, noch mehr Millionen in Alitalia zu pumpen; Rom hat seit 2008 etwa 9 Mrd. Euro an Steuermitteln in die marode Fluggesellschaft gepumpt, allein in den letzten zwei Jahren rund 1,3 Mrd. Euro. Diese ungeheure Summe ist nach Expertenansicht ein für allemal verloren. Erst vor wenigen Tagen hate Patuanelli den weiteren angekündigten Überbrückungskredit über 400 Mio. Euro unterzeichnet. Nur mit dieser erneuten x-ten Geldspritze kann Alitalia bis voraussichtlich 31. Mai 2020 weiterfliegen. Alitalia flog in 2019 täglich etwa 2 Mio. Euro an Verlusten herein.

Einen CEO im eigentlichen Sinne gibt es nicht mehr. Mit dieser undankbaren Aufgabe wurde dieser Tage als Sonderinsolvenzverwalter der Rechtsanwalt Giuseppe Leogrande betraut; er folgt auf die zuletzt tätigen drei staatlichen Kommissare, denen es nicht gelungen war, den Carrier an ein Konsortium aus Atlantia Holding (Die Atlantia S.p.A. (ursprünglich Autostrade S.p.A.) ist ein börsennotierter italienischer Infrastrukturbetreiber), der Staatsbahn FS und Delta Air Lines loszuschlagen. Außerdem wollte als quasi vierter Teilhaber das Wirtschaftsministerium fungieren.

Doch es kam anders: Am Donnerstag, 21. November 2019, endet der 7. Termin für die Abgabe eines verbindlichen Angebots zur Übernahme der italienischen Fluggesellschaft Alitalia. Atlantia war das Abenteuer zu groß und kündigte den Rückzug an. Daraufhin sagte auch die FS adieu, und auch das Wirtschaftsministerium verspürt keinen Ehrgeiz mehr. Bleibt nur US-Carrier Delta als Interessent übrig, der aber auch keine Neigung verspüren lässt, Alitalia im Ganzen zu schlucken.

Macht's die Lufthansa doch? Als weiterer Interessent hat sich schon vor Jahren die Lufthansa geoutet, aber ihr Engagement war vin der populistischen Vorgängerregierung in Rim abgblockt worden mit dem Verweis darauf, das kein ausländisches Unternehmen seine Finger mit im Spiel haben dürfe. . Die hat ihre Vorstellungen verdeutlicht – massiver Stellen- und Flottenabbau (DMM berichtete) und wartet die Geschehnisse während der nunmehr zum 8. Mal verlängerten Bieterfrist ab. Wie DMM mehrfach berichtete, hatte die Lufthansa eine erste Finanzspritze über 150 Mio. Euro angeboten, um Alitalia zusammen mit Atlantia und FS zu übernehmen. Insidern zufolge hat der deutsche Luftfahrtkonzern die Zahl der erforderlichen Entlassungen von derzeit rund 11.500 Beschäftigten von 6.000 auf 2.800 reduziert und den erforderlichen Bestandsabbau der Flotte von aktuell 116 auf 90 bis 100 statt 75 bis 80 Flugzeuge revidiert. Allerdings bedeutet die schriftliche Offerte der Lufthansa keinen sofortigen Einstieg in die Beteiligung an Alitalia. Die Lufthansa stellt sich zuerst eine schrittweise Beteiligung an einer kommerziellen Partnerschaft vor, dann erst soll es eine wichtige Investition geben.

Historie. Alitalia übernahm nach dem zweiten Weltkrieg die Rolle der Vorgängergesellschaft Ala Littoria. Während der bis 1947 andauernden Besatzungszeit versuchten italienische Geschäftsleute und staatliche Stellen, die kommerzielle Luftfahrt in Italien wiederzubeleben. In Erwartung einer baldigen Aufhebung des alliierten Flugverbots entstanden einige private Fluggesellschaften wieder, darunter die SISA, die Transadriatica und die Avio Linee Italiane,  die sich 1949 zusammen mit der Airone zur ALI-Flotte Riunite zusammenschlossen. Am 11. Februar 1946 gründete die italienische Regierung zusammen mit der amerikanischen Fluggesellschaft TWA die Linee Aeree Italiane (LAI). Jeweils 40 % der Unternehmensanteile hielten das italienische Regierungsinstitut für den industriellen Wiederaufbau (IRI) und die TWA, den Rest private italienische Investoren. Die LAI entstand in der Absicht, eine neue nationale Fluggesellschaft aufzubauen und damit den kommerziellen italienischen Luftverkehr auch durch die Eingliederung anderer Fluggesellschaften unter Kontrolle zu bringen. Auf die italienisch-amerikanische Gründung der Linee Aeree Italiane folgte am 16. September 1946 die Gründung der italienisch-britischen Aerolinee Italiane Internazionali, kurz Alitalia. In den 1950er Jahren wurde immer deutlicher, dass die aus der Besatzungszeit herrührende Existenz zweier nationaler Fluggesellschaften vor allem wirtschaftlich wenig Sinn machte, auch wenn Alitalia eher international, die LAI dagegen vorwiegend im Inland tätig war. Die geplante Fusion scheiterte zunächst, weil IRI nicht die Aktienmehrheit an den Unternehmen besaß. Durch Kapitalerhöhungen und den Erwerb von Anteilen privater Investoren gelang es schließlich, die LAI aufzulösen. Bis Ende Oktober 1957 übernahm Alitalia das Personal, das Gerät und die Flugstrecken der LAI. Das Unternehmen nannte sich fortan Alitalia – Linee Aeree Italiane. Dank der Zusammenlegung und des weiter vorangetriebenen Unternehmensausbaus gelang es Alitalia bald, sich als eine der führenden Fluggesellschaften Europas zu etablieren.

Viele Jahre liefen die Geschäfte prächtig. Anfang der 1990er Jahre aber operierte Alitalia erstmals mit enormen Verlusten. Ein Grund hierfür war die Einflussnahme politischer Kreise auf das damalige Staatsunternehmen. Es folgten zahlreiche Sanierungsfälle nach mehrfachen Insolvenzen. Aber auch mit dem Einstieg der arabische Etihad Airways im August 2014 wurde nichts besser. Im Gegenteil. Die roten Zahlen wurden von Jahr zu Jahr tiefroter. Quelle: DMM / Il Messaggero