Vier Wochen lang kein Fernverkehr von und nach Polen

Seit diesem Wochenende ist die Deutschland-Polen-Magistrale zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) für etwa einen Monat gesperrt. Alle Eurocity-Züge zwischen Deutschland und Polen entfallen auf der deutschen Seite. Die Folgen für Fahrgäste: Sie müssen auf die Straße, auf einen Schienenersatzverkehr per Bus ausweichen. Die Fahrzeit verlängert sich um mindestens eine Stunde.

Die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL) kritisiert, dass seitens der DB keine Umleitung der Fernzüge organisiert wird. Zunächst war noch eine Führung der Eurocitys über Cottbus angekündigt. "Die Verkehrswende muss von der Straße auf die Schiene erfolgen. Nicht umgekehrt!", mahnt Anja Schmotz, Sprecherin der Initiative und stellvertretende Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands PRO BAHN, an: "Nachdem die DB mit beständigen Schienenersatzverkehren auf der Route Berlin – Prag dem transeuropäischen Fernverkehr nach Tschechien bereits großen Schaden zugefügt hat, sind nun offenbar die Verbindungen nach Polen an der Reihe. Wenn ein Fahrgast in den Bus verfrachtet wird, dann wird er auch künftig prüfen, ob der direkte Fernbus auf der Autobahn nicht die schnellere und bessere Alternative zum ständigen Umsteigen mitsamt Gepäck ist."

"Früher galten Streckensperrungen auf internationalen Kernstrecken daher als volkswirtschaftlich nicht tragbar. Es wurde entweder unter rollendem Rad gebaut oder wenigstens eine Umleitung organisiert", informiert Ingo Koschenz, Mitglied der Initiative und Referent für Osteuropaverkehre des Fahrgastverbands PRO BAHN. Schienenersatzverkehre gab es im internationalen Verkehr nicht: "Auch wenn Umleitungen über Cottbus heute wegen rückgebauter Streckenkapazitäten zu DB-Börsenwahnzeiten schwer zu organisieren seien, sollten zumindest die Züge Berlin – Kraków – Przemyśl durch die Lausitz fahren und nicht als Bus verkehren. Über Senftenberg-Hoyerswerda und dem 2018 sanierten Grenzübergang Horka – Węgliniec stünde eine elektrifizierte Ersatztrasse zur Verfügung. Diese wird trotz millionenschwerer Investitionen im Fernverkehr derzeit insgesamt nicht genutzt." 

Die genannten Eurocity-Züge stellen auch die Verbindung zwischen Berlin und der Ukraine her. Sie erfreuen sich daher einer regen Nachfrage. "Zudem könnten die Fahrzeuge des nur im Sommer verkehrenden ‚Kulturzugs‘ Berlin – Wrocław einem Ersatzverkehr für die Eurocitys auf der Schiene dienen", meint Koschenz. "DB-Fernverkehr müsste sie nur von DB Regio anmieten. Das überfordert aber anscheinend den DB-Konzern."
Bei den Zügen Berlin – Warszawa und Berlin – Gdańsk rächt sich, dass jahrelang auf allen deutschen Strecken in Richtung Polen nichts passiert ist. Nunmehr wird an all diesen Abschnitten gleichzeitig gebaut. Zwischen Berlin und Szczecin dauern die Ausbauarbeiten noch bis 2026 an. Auf der "Ostbahn" ist die Oderbrücke bei Kostrzyn, die eigentlich im Dezember hätte wiedereröffnet werden sollen, nicht rechtzeitig fertig geworden. Zudem wird ein fernverkehrstauglicher Ausbau dieser Strecke auf deutscher Seite nicht betrieben, während Polen ihre Entwicklung vorantreibt. Insbesondere die Ostbahn wäre aber eine sinnvolle Ergänzung zur bereits überlasteten Strecke Berlin – Frankfurt (Oder) und wurde in der Vergangenheit zur Umleitung der Eurocitys genutzt. Derzeit reichen ihre Kapazitäten aber nicht einmal dafür, den Berliner Vorortverkehr zuverlässig abzuwickeln.

"Das ist mittlerweile nur ein systematisch organisierter Verkehrskollaps statt ein Verkehrsangebot", meint Koschenz. "Fahrpläne werden dauerhaft zu unverbindlichen Angebotsempfehlungen. Das Bundesverkehrsministerium müsste seinen Blick stärker darauf richten, dass sich die bundeseigene DB wieder weniger mit der Chaosverwaltung als mehr mit dem Transport von Fahrgästen beschäftigt. Mittlerweile bekommen das alle osteuropäischen Bahngesellschaften deutlich besser hin als die DB." Quelle: Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL) /  PRO BAHN / DMM