Vorgänger der DER Touristik machte aktiv mit beim Holocaust

Die DER Touristik Group hat die Geschichte des Unternehmens in der NS-Zeit untersuchen lassen, das Ergebnis aber nicht veröffentlicht. Und dabei soll es auch bleiben. Wohl aus mehr oder weniger triftigem Grund: Zu schlimm verstrickt in die Untaten der Machthaber des Dritten Reichs war das „Mitteleuropäische Reisebüro“ (MER) wie das Vorgänger-Unternehmen seinerzeit hieß.

In der Ausgabe 50-2019 des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ist zu lesen, dass das Mitteleuropäische Reisebüro während des Zweiten Weltkriegs Umsatzrekorde durch den Transport von Juden und Zwangsarbeitern erzielte, so die Studie zur NS-Geschichte des Vorgänger-Unternehmens der heutigen DER Touristik Group, erstellt vom Kölner Geschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer. Die Veröffentlichung begründet DER Touristik gegenüber dem SPIEGEL damit, die Untersuchung diene nur der „Selbstvergewisserung“ und sei nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen. Tatsächlich scheint aber auch die Sorge zu stehen, dass die Geschäfte möglicherweise beeinträchtigt werden könnten, sollten die Menschen heute im Jahr 2019 erfahren, was Sache war und ist. Denn in der Selbstdarstellung geht die DER Touristik Group mit keinem Wort auf die Aktivitäten in der Zeit der Nationalsozialisten ein.

Gegründet im Jahr 1917 durch die Staatsbahnen der deutschen Länder (Beteiligung von 50,1 %) – letztere besaßen vor Gründung der Deutschen Reichsbahn im Jahr 1920 das Eigentum an den Eisenbahnen –, durch die HAPAG und den Norddeutschen Lloyd wurde das Unternehmen nur ein Jahr darauf im Zuge des Beitritts weiterer Gesellschafter, insbesondere des Österreichischen Verkehrsbüros sowie der Ungarischen Staatsbahnen, in Mitteleuropäisches Reisebüro (MER) umbenannt. 1926 erfolgte die Gründung der ersten Tochtergesellschaft in New York. Später kamen Filialen in Cleveland, Los Angeles und Chicago hinzu. 1929 wurde in München die ADAC-Reise- und Wirtschaftsdienste GmbH gegründet. Ende der 1920er Jahre hatte die Expansion des MER umfangreiche Ausmaße angenommen. Mit 1.000 Vertretungen, davon drei Viertel im Ausland (u. a. in Paris, London und Rom), hatte sich das Unternehmen zu einem international anerkannten Reiseveranstalter entwickelt.

1936 zog das Mitteleuropäische Reisebüro in das neue Direktionsgebäude, das ehemalige Palast-Hotel, am Leipziger Platz 18/19 in Berlin. Das MER organisierte auch die Reisen der nationalsozialistischen Organisation Kraft durch Freude (KdF): Bereits im Jahr 1934 wurden über KdF-Programme 80.000 Urlauber als Passagiere nach Madeira befördert, 1937 waren es bereits 150.000 Reiseteilnehmer. Zudem wurden erstmals Flugpauschalreisen ins Reiseprogramm aufgenommen. Infolge der Bewirtschaftung durch Devisen war das Auslandsreisegeschäft jedoch beschränkt. Mit Kriegsbeginn besaß das MER 17 eigene Filialen in Berlin, Frankfurt, Heidelberg, Köln, Wien, Linz, London, Paris, Rom, Mailand, New York, Los Angeles und Buenos Aires. U.a. soll das MER nach der Machtergreifung der Nazis bereits im September 1933 das Ausscheiden aller „nichtarischen Angestellten“ gemeldet haben. Des Weiteren war das Unternehmen auch am Holocaust, der nationalsozialistischen Judenvernichtung, beteiligt: Wie aus einer entsprechenden Anweisung der Reichsbahn aus dem Jahr 1942 hervorgeht, waren die Kosten für die Deportationen der Juden aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich nach Auschwitz an das Mitteleuropäische Reisebüro zu bezahlen. Das Unternehmen organisierte auch den Transport Tausender Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich. Erhebliche Gewinne erzielte das Unternehmen zudem mit dem Verkauf von Fahrkarten an Emigranten, die Europa wegen der nationalsozialistischen Verfolgung verlassen mussten.

Am 23. November 1943 wurde das Direktionsgebäude des MER am Leipziger Platz in Berlin durch einen Bombenangriff zerstört. Mit Kriegsende wurden durch Beschluss des Alliierten Kontrollrates alle ausländischen Vertretungen und Filialen des MER enteignet und das Unternehmen wieder in Deutsches Reisebüro umbenannt. Als weitere Auflage kam hinzu, dass das DER bis 1954 keine weiteren Filialen eröffnen und hinzukaufen durfte. Vor fast 20 Jahren ging das DER in der Reisesparte des Rewe-Konzerns auf. Quelle: Wikipedia / Der Spiegel, Ausgabe 50-2019 / DMM