Geringes Plus beim Tempo kann den Tod bedeuten

Schon eine geringfügig höhere Geschwindigkeit kann erhebliche Auswirkungen auf das Unfallgeschehen haben. Dies machten jetzt aktuelle Crash-Tests des Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) deutlich. Demnach erhöhen bereits wenige km/h mehr deutlich die Risiken für Fahrer und Mitreisende, bei einem Unfall verletzt zu werden oder diesen nicht zu überleben.

Das IIHS ist eine von Kfz-Versicherern finanzierte US-amerikanische Non-Profit-Organisation, die sich der Verminderung von Kraftfahrzeug-Unfällen sowie der Reduktion der damit verbundenen Verletzungsrisiken und Vermögensschäden verschrieben hat. Die Ergebnisse von Studien und Crash-Tests des renommierten Instituts werden auch von deutschen Automobilclubs und Verkehrssicherheitsorganisationen aufgenommen.

„Das Ziel unserer jüngsten Crash-Tests war, die Auswirkungen von Geschwindigkeit auf Fahrer beurteilen zu können. Dabei stellten wir fest, dass nur ein kleines Plus an Schnelligkeit den menschlichen Körper sehr viel stärker schädigen kann“, erläuterte Dr. David Yang, Geschäftsführer der AAA Foundation for Traffic Safety, einer ebenfalls nicht-gewinnorientierten Organisation aus Washington, die sich der Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Forschung und Weiterbildung widmet. Dr. Yang wirft vor dem Hintergrund der jüngsten Studienresultate die Frage auf, ob es für Autofahrer sinnvoller ist, durch schnelleres Fahren wenige Minuten früher an ihrem Zielort anzukommen, wenn das mit dem Risiko einhergeht, dadurch schwer verletzt oder gar getötet zu werden?

Bei der aktuellen Studie arbeitete die AAA-Stiftung für Verkehrssicherheit mit dem IIHS und der Firma Humanetics zusammen, einem führenden Hersteller von modernen sogenannten Biofidel-Crash-Test-Dummys. Dabei handelt es sich um Testpuppen, welche die physikalischen Eigenschaften des menschlichen Körpers sehr exakt abbilden. Die für die Crashs ausgewählten Fahrzeuge repräsentierten mit 11,8 Jahren das mittlere Alter der Fahrzeuge, die typischerweise auf US-amerikanischen Fahrbahnen unterwegs sind. Alle gecrashten Autos hatten zudem Top-Ergebnisse bei vom IIHS simulierten sogenannten moderaten Overlap-Frontalaufprall-Unfällen.

Zur Erläuterung: In den USA werden neuerdings Crashtests mit einer geringen Überlappung (overlap) durchgeführt. Dabei treffen die Testfahrzeuge nur mit 25 % der Fahrzeugfront auf ein feststehendes Hindernis. So soll eine Situation simuliert werden, bei der ein Autofahrer noch versucht, einem Hindernis auszuweichen, dies aber nicht mehr schafft. Beim in Europa üblichen Euro-NCAP-Crashtest – Euro NCAP ist eine Gesellschaft europäischer Verkehrsministerien, Automobilclubs und Versicherungsverbänden mit Sitz in Brüssel – wird in der Regel ein Frontalaufprall mit einer Überdeckung von 40 % durchgeführt, d. h. 40 % der Fahrzeugbreite treffen bei 64 km/h auf ein starres Hindernis. Nach Auskunft von Verkehrssicherheitsexperten ergeben sich beim „small overlap“ ganz andere Belastungswirkungen als bei größeren Überlappungen. Darauf sind die Sicherheitssysteme der Karosserie vieler Autos nicht ausgelegt. Insbesondere europäische Premium-Fahrzeuge offenbarten hier Sicherheitslücken, heißt es in den USA.

Bei den Crashtests der AAA Foundation und des IIHS zeigte sich nun, dass die fahrzeugeigenen Sicherheitseinrichtungen, also etwa die Sicherheitsfahrgastzelle in Kombination mit Sicherheitsgurt und Airbag, umso weniger erfolgreich arbeiten, je schneller ein Autofahrer vor einem Unfall unterwegs ist. Je höher die Geschwindigkeit des Autos, desto mehr strukturelle Beschädigungen am Fahrzeug und größere Einwirkungen auf den Körper des Dummys registrierten die Forscher.

Konkret ergaben die Testergebnisse, dass bei einem Tempo von 40 Meilen pro Stunde (mph), das entspricht knapp 65 km/h, nur minimale Beeinträchtigungen des Fahrerplatzes festzustellen waren. Doch bereits bei einer Geschwindigkeit von 50 mph – entsprechend rund 80 Kilometern in der Stunde – traten deutliche Deformationen der Fahrertür, der Instrumententafel und im Fußbereich auf. Bei 56 mph, das entspricht 90 km/h, wurde das Fahrzeuginnere dann erheblich komprimiert. Dabei zeigten die Sensoren des Dummys schwere Verletzungen im Nackenbereich an sowie Frakturen der langen Knochen im Unterschenkel. Zudem registrierten die Veranstalter der Tests sowohl bei 80 als auch bei 90 km/h, dass das Lenkrad sich aufwärts bewegte und dabei durch den ausgelösten Airbag auf den Kopf des Dummys traf, was im Ernstfall schwerwiegende Gesichts- und Schädelverletzungen zur Folge hätte …

Höhere Geschwindigkeiten entwerten die Fortschritte in der Fahrzeugsicherheit wie Airbags und Weiterentwicklungen der Karosseriestruktur, fasst IIHS-Präsident David Harkey, die Resultate der aktuellen Untersuchung zusammen. Anhand derer machen die Sicherheitsexperten deutlich, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen, wenn sie richtig ein- und durchgesetzt werden, sowohl den Verkehrsfluss als auch die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer eindeutig verbessern. Quelle: AAA-Stiftung für Verkehrssicherheit, IHS, Humanetics / DMM