Das hausgemachte Dilemma

Zum Glück müssen nur wenige Geschäftsreisende mit dem Pkw die Grenzen zwischen Österreich oder Tschechien und Deutschland passieren. Sonst bestünde auch für sie Gefahr, in den unendlichen Lkw-Staus an den Grenzen zur Bundesrepublik zu versauern. Derzeit rächt sich die absolut kranken Verkehrspolitik Deutschlands und halb Europas, die beim Güterverkehr fast ausschließlich auf dem massiv klima- und umweltschädlichen Lkw setzt.

Bekanntermaßen hatten die deutschen Behörden erklärt, die Grenzen zu den österreichischen und tschechischen Nachbarn weitgehend zu schließen. Seit Sonntag null Uhr sind Deutschlands Grenzen für Einreisende aus Tschechien nahezu dicht. Passieren darf nur, wer einen negativen Corona-Test vorweisen kann – oder Pendler ist und einen systemrelevanten Beruf ausübt. Grund für die Restriktionen gegenüber Tschechien und Tirol sind die sich rasch ausbreitenden Covid-Infektionen mit aggressiveren Virusvarianten.

Dem Industrieverband BDI ist die ernste Corona-Bedrohung ziemlich schnuppe. Hauptgeschäftsführer Joachim Lang warnt vor schwerwiegenden Folgen der Grenzschließungen und überall in Europa abreißenden Lieferketten. Die Grenzübergänge sollten weiterhin für alle Frachtfahrzeuge mit Gütern offen bleiben, und es müssten praxistaugliche Testmöglichkeiten in ganz Europa bereitgestellt werden.

Ursache all der Staus ist natürlich die entsetzliche Dummheit vieler Wirtschaftsbosse in der Vergangenheit, die lieber deutsche Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagert haben, um mehr Profit zu machen; denn die Arbeitskosten liegen in Polen, Tschechien, der Slowakei, Bulgarien oder Rumänien weit unter den deutschen. Dafür wird eine immens hoher Umwelt- und Klimaschaden in Kauf genommen, indem Millionen von Lkw auf die Straßen geschickt werden, die jährlich volkswirtschaftliche Schäden von gut einer halbe Billion Euro anrichten. Die seit Sonntag geltenden verschärften Corona-Grenzkontrollen verkehren den  Standortvorteil der osteuropäischen Billiglohnländer nun in einen Nachteil. Und weil das so ist, lässt selbst der VDA Moral und Anstand links liegen. Der Branchenverband war sich nicht zu schade, bei der Politik zu intervenieren, dass Lkw mit Teilen für die Autoindustrie mehr oder weniger "durchgewunken" werden. Seit der Intervention des VDA ließen die deutschen Behörden  Lastwagen mit die Lieferungen für die Autoindustrie „sehr pragmatisch“ über die Grenze.

Das Geheule beim Speditionsverband DSLV ist groß. Gewarnt wird vor einer Kettenreaktion und Eskalation einzelstaatlicher Einreisevorschriften, die in Europa hätte verheerende Folgen hätten. Würde man in Europa verstärkt mit dem Gütertransport auf die Bahn setzen, wie es etwa in den großen Nationen USA, Kanada oder auch Russland der Fall ist, gäbe es solche Stauprobleme an den Grenzen nicht. Kaum eine Region der Welt hat so schwachsinnige Politiker, die es zulassen und fördern, fast alle Güter über die Straßen zu befördern, wohl wissend, was damit angerichtet wird. Der Straßenhütertransport mit Millionen von Lkw, die deutschlands Straßennetz tagtäglch überfluten, ist jetzt schon unerträglich. Selten dämlich klingt im Zusammenhang mit der momentanen an den Grenzen zu Tschechien und Österreich der Hinweis der Lkw-Lobby, dass die Ausweichmöglichkeiten über die Schiene die aktuelle Not nur unzureichend lindern. So passieren an üblichen Tagen rund 10.000 Lkw den Grenzübergang am Brenner, über die Schiene aber lassen sich davon täglich nur 340 Fahrten ersetzen. Über die Brenner-Bahnstrecke könnten täglich je Richtung locker 300 Güterzüge rollen. Jeder Güterzug ersetzt die Gütermengen von etwa 60 Lkw, macht zusammen 18.000 Lkw. Der Energieaufwand eines Güterzugs im Vergleich zum Lkw beträgt ca. 5 %. Der ökokogische Fußabdruck den auch nur ein einziger Lkw hinterlässt, liegt höher als bei einem ganzen 500 m langen Güterzug. GZ