Der Sündenfall nach Unterversicherung

Aus angeblich 660.000 Buchungen beim Pleite gegangenen Touristikkonzern Thomas Cook soll ein Schaden von etwa ½ Mrd. Euro entstanden sein. Wegen der gesetzlichen Deckelung der Haftung des Versicherers Zurich Insurance auf 110 Mio. Euro fehlten damit 400 Mio. Euro, um sämtliche Kundenansprüche zu befriedigen. Nun fordert der Reisebüroverband VUSR, dass der Steuerzahler mögliche Differenzen zwischen den Ansprüchen von Thomas-Cook-Kunden auf Rückerstattung gezahlter Beträge und der Höchstgrenze der Kundengeldabsicherung von 110 Mio. Euro zahlen muss. Ein Sündenfall.

Laut Tourismusausschusses im Bundestag ist mit Klarheit über die Zahl der Geschädigten und die Höhe der Verluste erst Ende 2019 zu rechnen. Wie DMM berichtete, sehen der Verbraucherzentrale Bundesverband sowie die Oppositionsparteien Grüne und Linke den Staat, sprich, den Steuerzahler in der Pflicht. Die Politik habe die Haftungsgrenze seit ihrer Einführung im Jahr 1993 nie aktualisiert und den veränderten Marktverhältnissen oder der Inflation angepasst, argumentieren sie. Wenn Thomas Cook unterversichert sei, und das war offensichtlich der Fall, müsse daher die Staatshaftung greifen. Nach Expertenmeinung muss wohl auch bei TUI überprüft werden, ob nicht auch Europas Nr. 1 unterversichert ist.
Verbraucherschützer und die Fraktionen von Grünen und Linken im Bundestag fordern schon länger eine Anhebung des Höchstbetrages von derzeit 110 Mio. Euro. Schon 2016 hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) geschrieben, das der Höchstbetrag der von einem einzelnen Kundengeldabsicherer pro Geschäftsjahr zu leistenden Zahlungen (§ 651r BGB-E) auf 250 Mio. Euro anzuheben sei. Doch selbst die 250 Mio. Euro würden nach jetzigem Stand der Dinge bei Weitem nicht ausreichen.

Der Tourismusausschuss des Bundestages schreibt, „mit einer Insolvenz von der Dimension der Thomas-Cook-Pleite habe niemand rechnen können". Das System habe wunderbar funktioniert. Genau dies ist aber beim Untergang von Thomas Cook nicht der Fall. Für die Entschädigung der Kunden, die ihre Reisen bereits ganz oder teilweise bezahlt hatten und sie nicht antreten konnten, fehlen dem Vernehmen noch hunderte Mio. Euro. Die zu zahlen lehnt Versicherer Zurich Insurance ab. Zum Schlamassel um die Rückerstattungen addiert sich die Diskussion, ob die Kosten für die Rückholung gestrandeter Thomas-Cook-Kunden in den 110 Mio. Euro enthalten sind oder nicht. Das Bundesjustizministerium vertritt die Auffassung, dass „Repatriierungskosten von sonstigen Ansprüchen getrennt zu behandeln“ seien. Im Klartext: 80 Mio. Euro soll die Rückholung laut Bundesregierung gekostet haben; diese Summe mü+sse die Assekuranz (Zurüci Insurance) extra zahlen. Die Begrenzungsmöglichkeit auf 110 Mio. Euro beziehe sich für den Versicherer nur auf Kostenerstattungsansprüche, nicht auf die unmittelbar vom Versicherer zu tragenden Kosten der Rückbeförderung. Auch dagegen wehrt sich Versicherer Zurich Insurance.   

Regierungsvertretern zufolge wird eine Anhebung der Garantiesumme auf 300 Mio. Euro, wie von Grünen und Linken gefordert, zur Folge haben, dass sich Pauschalreisen verteuern. Und ob die Versicherungen mitspielen, sehr hohe Risiken abzudecken, stehe auf einem weiteren Blatt. Quelle: VUSR / Bundestag / DMM