Was man an einem Streiktag so erleben kann

Zum Glück haben wir am Dienstag, 10. Dezember 2019 nichts in Frankreich zu tun. Denn für diesen Tag wurde ein weiterer Ausstand in Frankreich angekündigt. Wir waren an den beiden Streiktagen Donnerstag und Freitag geschäftlich in Marseille.

Am Flughafen von Marseille herrschte auch am zweiten Streiktag in Frankreich buchstäblich „tote Hose“, was DMM am Freitag, 06.12.2019 erlebte. Und auch am Hauptbahnhof Marseille-Saint-Charles war Grabesruhe angesagt. Kein TGV Richtung Paris, kein Regionalzug. Dafür aber waren die Fernstraßen voll. Ähnlich wird es wohl auch am nächsten Dienstag der Fall sein, an dem weiter gestreikt werden soll. Mobilitätsmanager und Business Traveller sollten an diesem Tag keinesfalls nach Frankreich reisen.

 

Wie gesagt, am ansonsten proppenvollen Aéroport Marseille Provence, sechstgrößter Frankreichs, waren am Nikolaustag kaum Menschen zu sehen. Außer vor der dem Terminal. Dort wimmelte es geradezu von schwer bewaffneter Polizei und Militär, die ein Auge auf jeden warfen, der sich da Richtung Abfertigungstrakt bewegte. Auch am Check-in kaum Bedienstete und an der Security langweilte sich eine Handvoll Sicherheitsleute. Sie waren wohl froh, dass sie wenigstens uns von DMM und etliche weitere Geschäftsreisende, die nach München wollten, durchsuchen durften.

Gähnende Leere auch am Vorfeld. Keine Maschine an den Fluggastbrücken; nur zwei einsam herumstehende Jets von Ryanair und British Airways. Nicht ein einziges Flugzeug von Air France war auszumachen. Wir warteten schon ganz gespannt auf unseren Lufthansa-Flug LH 2263. Zum Glück streikten nicht auch noch die Fluglotsen, sonst hätten wir mit dem Mietwagen zurück nach München fahren müssen.

Aber unser CRJ900, ein zweistrahliger Regionaljet von Lufthans City Line erschien nicht, jedenfalls nicht so, dass wir um 12.35 Uhr hätten boarden können. Kommt er oder kommt er nicht, fragten sich meine Kollegen. Ein Blick auf Flightradar 24 zeigte uns, dass die Maschine mit 60 Minuten Verspätung in München Richtung Marseille gestartet war. Um 13.40 Uhr dann endlich war unser Gate 23 zum Boarding geöffnet. In Gruppen sollte nach dem neuen LH-Boardingsystem an Bord gegangen werden. Was in unserem Fall Schwachsinn war; denn nach der gut 30-minütigen Prozedur (!) mit Ticket- und Passkontrolle sowie Kontrolle des Gruppennachweis' mussten wir über das Vorfeld zu unserem kleinen Flieger zu Fuß marschieren, um dort im wartenden Pulk zu landen. Trolleys abgeben, (passen nicht in die Gepäckfächer der CRJ 900) und dann endlich in die Kabine, ohne Rücksicht auf irgendwelche Gruppen!

Der Kapitän entschuldigte sich gleich mal für die verspäteten Ankunft in Marseille, die angeblich dem Nebel in München geschuldet gewesen sein soll. Und versprach, in zwei, drei Minuten die Triebwerke anzulassen. Aber nichts passierte. Stattdessen wurden zwei meiner Kollegen aufgerufen, sich bei der Purserin zu melden. Nach etwa einer Viertel Stunde kehrten beide zurück in die Kabine, einer aber durfte nicht mitfliegen. Er hatte tags zuvor noch bei der Lufthansa Senator-Hotline umgebucht. Es schien alles klar wie er noch kurz berichten konnte. Er hatte am Gate nach der Passkontrolle zusammen mit uns ebenfalls an Bord gehen dürfen. Als er zurückkehrte, packte er seine Sachen zusammen und sagte uns, der dürfe nicht mit nach München fliegen. Der Senatorservice der Lufthansa hatte „versehentlich“ statt ihn umzubuchen seine beiden Flüge (Marseille-München und Anschlussflug nach Düsseldorf) gecancelt und die komplette Buchung gestrichen…

Als wir in München endlich mit 1.40 Stunden Verspätung gelandet waren, saß er immer noch in Marseille. Die Lufthansa hatte ihn auf einen Flug nach Frankfurt gebucht, der irgendwann nach 19 Uhr in Marseille starten sollte. P.S. Mehrere unserer Kolleginnen waren am Vortag statt um die Mittagszeit mit unserem Flug München-Marseille erst am Abend nach 19 Uhr in Marseille gelandet. Ihr Flug von Frankfurt nach München, wo sie zu uns stoßen und mit uns nach Marseille weiterfliegen sollten, war mit ellenlanger Verspätung in Frankfurt gestartet, so dass sie nicht rechtzeitig in München ankamen und über 6 Stunden in der Lounge bis zum nächsten Flug nach Marseille warten durften. Die Frankfurt-Verspätung war mit dem Frankreich-Streik begründet worden. Lufthansa zu fliegen, das macht schon richtig Spaß, denke ich mir immer wieder. Meine Erfahrung von 30 oder mehr LH-Flügen in diesem Jahr: Keine 10 % waren pünktlich.

Besser wird es wohl auch kommende Woche nicht. Denn ermuntert durch die massive Mobilisierung gegen die Rentenreform, auf der am 5. Und 6. Dezember über 2 Mio. Menschen auf den Straßen Frankreichs teilnahmen,  forderten die interprofessionellen Gewerkschaften (CGT, FO, Solidaires, FSU und Schüler- und Gymnasialorganisationen, UNL, MNL und UNEF) bei ihrem Treffen am Freitagmorgen (06.12.2019) im Hauptquartier der FO einen neuen Tag für Streik und Demonstrationen. "Rendez-vous auf der Straße am 10. Dezember für einen neuen interprofessionellen Tag", erklärte Catherine Perret, Konföderationssekretärin der CGT. Nun soll der Streik am kommenden Dienstag fortgeführt werden. Quelle DMM / Le Parisien, Le Monde