Wegen Ukrainekrieg: Biospritproduktion soll reduziert werden

Die Bundesregierung will wegen des Ukraine-Kriegs die Nutzung landwirtschaftlicher Erzeugnisse als Kraftstoffzusätze einschränken.

Die Produktion von Biotreibstoffen will die Bundesregierung reduzieren, da wegen des Ausfalls von Getreide aus der Ukraine weltweite Hungerkatastrophen drohen. Foto: Greenpeace

Biokraftstoffe sind eingeführt worden, um den Klimaschutz voranzutreiben und die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Diese Ziele sind richtig, doch Biosprit ist der falsche Weg dorthin. Denn Lebensmittel gehören laut Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Umweltexperten in aller Welt nicht in den Tank und die Mobilität der Zukunft ist elektrisch. 

In Deutschland dienen ca. 5 % der Ackerfläche der Produktion von Biotreibstoffen.  Rund 20 % des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes in Deutschland sind auf den Autoverkehr zurückzuführen. 17 Mio. t Benzin und 35 Mio. t Diesel verbrannten Kraftfahrzeuge hierzulande allein im Jahr 2021. Mit dem Ziel, den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten, müssen Treibstoffe in Deutschland seit 2007 einen Mindestanteil an Bio-Masse enthalten. Dazu werden Pflanzen wie Rüben, Weizen zu Ethanol verarbeitet und Benzin beigemischt oder Pflanzenöle, etwa aus Raps, Dieselkraftstoffen. Im Jahr 2020 betrug der Biosprit-Anteil 6,5 %.
Für manche scheint Biosprit eine Lösung, um vom fossilen Öl wegzukommen. Doch die Verarbeitung von Agrarpflanzen zu Kraftstoffen statt zu Nahrungsmitteln ist für steigende Lebensmittelpreise, Hunger und Urwaldzerstörung verantwortlich. Biokraftstoffe sind zudem nicht klimafreundlich und der Anbau hat mit "bio" nichts zu tun. Die Pflanzen wachsen – konventionell angebaut – meist in stark mit Stickstoff und Pestiziden behandelten Monokulturen. Je mehr Agrosprit weltweit produziert wird, desto offensichtlicher werden die Probleme.

So ist die CO2-Bilanz von Biosprit nicht so positiv, wie vielfach dargestellt: Kraftstoff aus Ackerpflanzen ist nicht klimaneutral. Zwar binden Pflanzen wie Weizen und Zuckerrüben Treibhausgase aus der Luft, die erst bei der Verbrennung im Motor wieder freigesetzt werden. Aus dem Auspuff quillt also nicht mehr Kohlendioxid, als die Pflanze vorher gespeichert hatte. Allerdings entscheidet die gesamte Produktionskette – vom Anbau bis zur Zapfsäule – über die Klimabilanz: Bei der Feldarbeit mit Landmaschinen, bei der Stickstoffdüngung sowie der Herstellung von Mineraldünger entstehen große Mengen Klimagase. Und die Weiterverarbeitung der Ernte zu Ethanol oder Biodiesel benötigt nochmals viel Energie. Daher ist der positive Klimabeitrag von Agrosprit nur gering – selbst unter optimalen Bedingungen wie etwa der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien.

Berücksichtigt man dann noch, dass für den Anbau von Energiepflanzen indirekt auch Urwälder zerstört werden, fällt die Klimabilanz eindeutig negativ aus. Es findet also eine Umnutzung statt: Auf bereits landwirtschaftlich erschlossenen Flächen werden Biosprit-Pflanzen angebaut, um den Bedarf an Ethanol für europäische Autotanks zu decken. So wird Klimaschutz zur Farce: Urwälder sind natürliche CO2-Speicher. Sie durch Abholzung oder gar Brandrodung zu zerstören, erhöht den weltweiten CO2-Ausstoß.  

Sprit statt Nahrung? Die EU braucht zig Millionen Hektar Ackerland außerhalb ihrer Grenzen, um den eigenen Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln sowie Biosprit zu decken. Doch ist die weltweit vorhandene Agrarfläche begrenzt: Die Konkurrenz zwischen Tankfüllung, Tierfutter und Ernährung treibt die Preise für Getreide in die Höhe. Krisen wie der aktuelle Ukraine-Kriege, die Pandemie oder die zunehmende Erderhitzung verknappen das Angebot an Nahrungsmitteln weiter. Das UN-Welternährungsprogramm gibt an, 30 % mehr für Nahrungsmittel zu zahlen als noch im Jahr 2019.

Insbesondere durch den wahnsinnigen Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, drohen Ausfälle bei der Lebensmittelversorgung. Die Ukraine war der fünftgrößte Exporteur von Weizen und ein führender Erzeuger von Sonnenblumenöl. Vor allem Länder im Mittleren Osten und in Norden und Osten Afrikas sind in hohem Maße von Einfuhren aus der Ukraine und aus Russland abhängig. In vielen Regionen sind Folgen der Klimakrise zu spüren, sie leiden unter Dürre. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist bereits gefährdet. Jetzt sind die Preise für die wichtigsten Lebensmittel auf Rekordniveau und sie werden für immer mehr Menschen unerschwinglich. 

“Es ist unverantwortlich, weiterhin Ackerflächen für den Anbau von Energiepflanzen zu blockieren, während Millionen Menschen das Nötigste zum Leben fehlt”, sagt Matthias Lambrecht, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace.  “Wir fordern die Bundesregierung auf, die Beimischung von Biokraftstoffen zu Diesel und Benzin umgehend zu beenden. Jetzt muss alles getan werden, um die drohende Hungerkrise abzuwenden. Essen gehört auf den Teller, nicht in den Tank.”

Für Biodiesel und Bioethanol in deutschen Tanks wachsen insgesamt auf gut 1,2 Mio. Hektar Getreide und Ölpflanzen - das ist mehr als die Ackerfläche Nordrhein-Westfalens. Allein aus Ernten in Deutschland werden jährlich rund 2 Mio. t Getreide und 1 Mio. t Pflanzenöl zu Biokraftstoffen verarbeitet. Damit ließen sich mehr als 2 Mrd. Brote backen und fast zwei Drittel des Jahresverbrauchs von Speiseöl in Deutschland erzeugen. 
Lemke zufolge soll in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium der Einsatz von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen reduziert werden.  Das hatte vor einigen Wochen auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gefordert mit dem Hinweis, es sei alles andere als nachhaltig, als Weizen und Mais in den Tank zu schütten. 

Ab 2023 wird die Verwendung von Palmöl als Kraftstoffzusatz im Diesel nicht mehr als Biosprit anerkannt. Ein Verbot des Einsatzes von Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen soll folgen. Aktuell werden in Deutschland dem Diesel rund 7 % Pflanzenölerzeugnisse zugesetzt und bei Benzin zwischen fünf und zehn Prozent Bioethanol, der meist aus Getreide und Rüben gewonnen wird. 
Der so genannte Energieexperte der CSU, Andreas Lenz will von den Reduzierungsmaßnahmen bei Biokraftstoffen nichts wissen frei nach dem Motto „essen gehört in den Tank und nicht auf den Teller. Quelle: Bundesumweltministerium / Greenpeace / DMM