Wenn Diesel als Geschäftswagen, dann bitte nur EU6d Temp

Die Verunsicherung ist riesig, auch bei Verantwortlichen für Unternehmensflotten und Freiberuflern. Und bei Leasingunternehmen und im Handel erst recht. Um Euro 5-Diesel noch verkaufen zu können, müssen die Händler in Deutschland bis zu 50 % Wertminderung in Kauf nehmen. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Blitzumfrage des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) bei 1.817 Automobilhändlern quer durch alle Marken (13. – 19. März 2018). Der ZDK vertritt 38.000 Autohandelsunternehmen, freie und Vertragswerkstätten, die mit Neu- und Gebrauchtwagen sämtlicher Automarken handeln. Das Diesel-Dilemma trifft aber auch Tausende von Firmen mit ihren Flotten.

Volvo gehört zu den wenigen Herstellern, deren neuere Autos, hier der XC60, Euro 6d Temp beherrschen. Foto: G. Zielonka

Ein Drittel der Befragten gab an, Euro 5-Diesel für den Verkauf zwischen 30 und 50 %  abwerten zu müssen, ein weiteres Drittel wertet die Fahrzeuge zwischen 10 und 30 % ab. Für 10,6 % der Händler sind Euro 5-Diesel derzeit gar nicht zu verkaufen. Um die Euro 5-Diesel im Wert zu stabilisieren, fordern 43 % der Markenhändler eine Hardware-Nachrüstung dieser Fahrzeuge.

Das dicke Problem: Die rasant sinkenden Restwerte von Diesel-Pkw treffen neben Kunden und Autohändlern auch Leasinggesellschaften, Autovermieter, Unternehmen mit großen Autoflotten und Autobanken, die Leasinggeschäfte finanzieren. Noch wälzen Leasinggesellschaften und Autobanken das Restwert-Risiko aber häufig auf den Autohandel ab. Sie vereinbaren mit den Handelsunternehmen einen festen Rückgabepreis zum Ende des Leasingvertrags. Zu diesem Preis müssen die Händler die Automobile dann zurücknehmen, auch wenn der Marktpreis längst viel niedriger sein sollte. Dass das nicht mehr lange gut gehen kann, liegt auf der Hand.

Hardwarenachrüstung muss her. Und so unterstreicht denn ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn, Sprecher des Markenhandels in Deutschland, die Forderung: „Bundesverkehrsminister Scheuer muss seinen ersten Ankündigungen, ernste Gespräche mit den Herstellern zu führen, jetzt schnell Taten folgen lassen. Wir brauchen dringend eine Nachrüst-Verordnung für ältere Diesel mit bereits erfolgreich erprobten Hardware-Systemen. Hersteller und Importeure sind moralisch in der Pflicht, sich an der Finanzierung der Hardware-Nachrüstung zu beteiligen.“

Selbst bei Euro 6-Dieseln ist die Situation aktuell nicht rosig. Laut 38,7 % der befragten Händler lassen sich zurzeit nur die neuesten Diesel der Abgasnormen Euro 6d und Euro 6d-Temp verkaufen. Nur diese Fahrzeuge haben einen niedrigen Stickoxidausstoß und wären von Dieselfahrverboten nicht betroffen. Allerdings sieht das Angebot von Fahrzeugen dieser Schadstoffklasse momentan noch ziemlich mau aus (DMM berichtete). Für rund 37,2 % der Händler ist ein Verkauf von Euro 6-Dieseln momentan kaum möglich. Zumindest die Hoffnung auf eine baldige Normalisierung des Verkaufs von Euro 6-Dieseln hat rund ein Viertel der Befragten.

Trotzdem hat das Leipziger Urteil zur weiteren Verunsicherung bei Verbrauchern und Handel beigetragen: „Solange das Diesel-Thema weiter rumort und Fahrverbote nicht klipp und klar verhindert werden, wird sich die Situation im Handel nicht verbessern, sondern weiter verschlechtern“, betont Thomas Peckruhn. Deshalb erwarten die Händler konkrete Unterstützungsmaßnahmen: Eine verstärkte Beteiligung der Hersteller und Importeure am Restwert-Risiko insbesondere der Euro 5-Leasing-Rückläufer fordern 40,6 % der Befragten. Für 16,3 % der Händler wäre ein Garantiepaket für den Kunden mit Rückgaberecht des Diesel-Fahrzeugs bei verhängten Fahrverboten eine mögliche Alternative. Laut Thomas Peckruhn ist es unabdingbar, "dass die Hersteller und Importeure mit den Vertretern der Händlerverbände sehr schnell tragfähige Lösungen für die extrem hohen Belastungen der Händler durch die Diesel-Krise schaffen, um eine Pleitewelle im Automobilhandel zu verhindern."

Auch CAR sieht schwarz. Auf Basis der ZDK-Umfrage hat Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, den Schaden des Preisverfalls für die Handelsbetriebe der Autohersteller (Markenhandel) errechnet. Laut Dudenhöffer wurden 2017 rund 1 Mio. Diesel-Pkws mit einem Durchschnittspreis von 16.800 Euro über den Markenhandel vertrieben. „Bei konservativer Annahme von 10 % Wertminderung inklusive erhöhte Lagerkosten hat der Markenhandel in 2017 etwa 1,7 Mrd. Euro Verluste durch Dieselgate geschrieben“, sagt Dudenhöffer. Für das laufende Jahr und das nächste prognostiziert Dudenhöffer weitere Verluste von 2 und 1,5 Mrd. Euro. Viel desaströser sehen die Einschätzungen der befragten Händler aus: die befürchten einen Verlust von 10 Mrd. Euro.

Und was muss man Firmen und Freiberuflern raten? Wenn weiter auf den Diesel gesetzt werden soll, dann nur solche Fahrzeuge bei Ersatzbeschaffungen in Betracht ziehen, die Euro 6d Temp haben. Leider gibt’s davon bei den allermeisten Herstellern noch viel zu wenige. Alle anderen Schadstoffklassen gelten als Risiko. Einstellen müssen sich Flottenmanager auch darauf, dass die Leasingraten für Dieselfahrzeuge, auch de der neuesten Abgasnorm, sprunghaft steigen werden.

Ein Problem werden vor allem auch die Firmen bekommen, die ihre Flottenfahrzeuge keditbasiet oder bar gekauft haben. Denn die Vermarktung von EU5 und EU6-Fahrzeugen wird auch für sie zum Abenteuer, einem kostspieligen. Wie der Handel müssen auch sie mit kräftigen Verlusten rechnen. Quelle: ZDK / CAR / DMM